fünfunddreißig

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Eve und Riku verließen die Intensivstation, nachdem sie der Schwester Bescheid gegeben hatten, dass sie morgen wiederkommen würden und sie hatten darum gebeten bei jeder Veränderung von Samus Zustand angerufen werden sollten. Riku fuhr Eve nach Hause und Eve war wohl davon ausgegangen, dass er sie nur absetzen wollen würde, doch da hatte sie die Rechnung ohne Riku gemacht. „Warum schnallst Du Dich ab, Riku? Die paar Meter bis ins Haus kann ich nun wirklich alleine laufen." „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich Dich jetzt alleine lasse. Deine Couch ist doch recht bequem oder? Wenn irgendwas mit Samu ist und Du schnell ins Krankenhaus musst, dann will ich bei Dir sein und Dich sofort hinbringen." Eve lächelte sanft, auch wenn ihr gar nicht nach Lächeln zu Mute war. „Was würden wir nur ohne Dich in unserem Leben machen?" „Manches wäre vielleicht einfacher.", murmelte Riku und die beiden gingen ins Haus. Eve verschwand im Bad und Riku setzte sich aufs Sofa. Er wählte Lenas Nummer und Lena hob sofort ab, denn sie hatte die ganze Zeit mit dem Handy in der Hand auf ihrem Bett gelegen und auf den Anruf ihres Bruders gewartet. „Wie geht es ihm?" Sich zu melden kam ihr nicht in den Sinn, Riku hatte schließlich sie angerufen, wusste also wer ans Telefon gehen würde. „Soweit unverändert. Hör mal, ich bin jetzt mit Eve nach Hause gefahren und werde die Nacht bei ihr bleiben. Ich will sie gerade nicht alleine lassen." „Hmmm", mehr als das brachte Lena gerade nicht über die Lippen. Wie sollte sie auch sonst darauf reagieren. „Kommst Du klar heute Abend?" „Ja klar komme ich zu Recht. Ich gehe davon aus, dass sie nicht will, dass ich Samu besuche, sonst hättest Du das vermutlich schon erwähnt, oder?" „Nein, also Du..." Sofort unterbrach Lena ihren Bruder und ihre Stimme wurde etwas lauter. „Hätte ich mir ja denken können." Nervlich war sie einfach am Ende und all ihre Fasern im Körper waren angespannt. „Lena, ganz ruhig. Ich wollte sagen, dass ich es gerade kurz vergessen hatte. Wir holen Dich morgen früh ab, wenn wir zum Krankenhaus fahren. Sei gegen acht Uhr fertig." „Wirklich? Ich darf zu ihm? Lena konnte es nicht fassen und entschuldigte sich sofort bei ihrem Bruder.

„Ich bin morgen fertig, wenn ihr kommt. Ich freu mich gerade so. Bestell Samus Mutter einen schönen Gruß und bedanke Dich schon einmal für mich bei ihr. Das ist nicht selbstverständlich und ich weiß das sehr zu schätzen." „Mache ich. Versuch ein wenig zu schlafen und bis morgen früh." „Bis morgen früh. Danke!" Lena ließ sich wieder auf ihr Bett fallen. Und prompt machten sich wieder diese Schuldgefühle breit. Sie fühlte sich so schlecht. Die Worte von Samu spukten immer wieder durch ihren Kopf, dass alles so viel einfacherer wäre, wenn er nicht berühmt wäre. Wäre er nicht berühmt, dann wäre all das nicht passiert. Klar, sie hätte ihn vermutlich niemals kennengelernt außer Riku und Samu wären trotzdem befreundet gewesen, aber sie hatte das Gefühl, dass es vielleicht besser so gewesen wäre. Sie hatte Samu in diese Situation gebracht. Riku hatte sie gewarnt, zwar fand sie es immer noch nicht angemessen, wie Riku mit ihr und Samu umgegangen war, aber trotzdem dachte sie darüber nach. Sie fühlte sich verantwortlich für das, was passiert war. Dieses Gefühl war momentan einfach stärker als alles andere. Traurig drehte sie sich zur Seite und griff nach den Kopfhörern, die auf ihrem Nachttisch lagen. Sie musste Samus Stimme hören, denn auch wenn sie sich schuldig fühlte, hatte sich in den vergangenen zwei Tagen noch ein anderes Gefühl ihn ihr breit gemacht. Es war etwas zwischen Sehnsucht, Besorgtheit und vielleicht war da auch ein leichtes Kribbeln. Sie steckte sich die Kopfhörer in die Ohren und mit dem ersten Ton, den sie hörte, wurde ihr warm ums Herz und das Kribbeln verstärkte sich. Was diese Stimme in ihr auslöste, konnte sie selber nicht fassen. Und ein bisschen hasste sie sich selber dafür, dass das gerade passierte. Es wäre alles viel leichter, wenn dieses Kribbeln nicht da wäre und sie einfach nur in Selbstmitleid baden könnte. Lena schlief ein während sie der Musik lauschte.

Am nächsten Morgen stand Lena um kurz vor acht bereits an der Straße und wartete darauf, dass Riku mit Eve um die Ecke bog. Sie konnte es nicht erwarten, dass sie wirklich zu Samu durfte. Der Schlaf hatte ihr sichtbar gut getan. Sie sah nicht mehr ganz so zerstört aus wie gestern und auch die Dusche hatte Spuren hinterlassen. Auf irgendeine Art und Weise freute sie sich und ein gutes Gefühl machte sich in ihr breit. Die Zweifel warum alles passiert war, wurden von dieser Vorfreude verdrängt den Mann zu sehen, der ihr scheinbar, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte, den Kopf verdreht hatte. So schnell hatte sich noch nie jemand in ihr Herz geschlichen. Sie kannte ihn doch gar nicht, aber die paar Momente, die sie mit ihm verbracht hatte, hatten sich in ihr Herz gebrannt. Fast schon nervös wippte sie von einem Bein auf das andere und sie bereute es ein wenig schon an die Straße gegangen zu sein. Aber auch wenn das ein wenig bescheuert klang, sie wollte einen guten Eindruck bei Samus Mutter machen. „Oh mein Gott", platzte laut aus ihr raus. Sie schaute sich um und zum Glück war gerade niemand zu sehen, der das hätte hören können. Ihr wurde schlagartig klar, dass sie quasi die Familie von Samu kennenlernte. Das war ihr vorher nicht wirklich bewusst gewesen. Vorher ging es ihr einfach darum Samu wiederzusehen, aber Riku hatte ihr doch gesagt, dass Eve mitkommen würde. Die anfängliche Nervosität wurde nun stärker und ihre Gedanken fuhren Achterbahn. „Was sage ich denn, wer ich bin? Und woher ich Samu kenne? Und was ist das überhaupt für eine Beziehung, die ich zu ihm habe? Sie hasst mich bestimmt und lässt mich nur Riku zu Liebe zu ihrem Sohn. Ich habe ihm das alles doch eingebrockt, als ob sie mich mit offenen Armen empfangen wird." Auf all ihre Fragen würde sie wohl jetzt eine Antwort finden, denn sie sah Rikus Wagen in die Straße einbiegen. Sie atmete noch einmal tief durch, strich ihre Haare aus dem Gesicht und sprach sich selber Mut zu: „Denk einfach daran, dass Du Samu wiedersiehst. Sie wird Dich schon nicht töten."

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