dreiundsiebzig

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Diese kurze Aussprache hatte Samu wieder zurück in die Realität geholt. Es tat gut zu wissen, dass Dianne unter dem Strich sich so verhalten hatte, weil es für sie so einfacher gewesen war mit der Situation umzugehen. Trotzdem schweiften seine Gedanken in irgendwelche Szenarien ab: „Was wäre gewesen, wenn ich damals weiter um uns gekämpft hätte? Hätte das alles auch anders ausgehen können? War Dianne die Frau meines Lebens? Wird es sich jemals wieder so anfühlen, wie mit ihr?" Besonders der letzte Gedanke gefiel Samu gar nicht. Er wollte nicht darüber nachdenken, ob er das mit Lena wirklich so ernst gemeint hatte. Er hatte diese Worte gesagt zu ihr. Diese drei Worte. Aber hatte er es so gemeint? Liebte er sie? Wusste er überhaupt noch, was es wirklich bedeutete zu lieben? Samu stand immer noch in der Ecke und ihm war fast schon schwindelig von dem Gedankenkarussell, welches sich in seinem Kopf verselbstständigt hatte. Er würde auf diese Fragen keine Antwort finden, weshalb er sich aufraffte und nun tatsächlich seinen Weg zur Toilette wieder aufnahm. Die Zeit bis zum Auftritt verbrachten die Jungs hinter der Bühne, jeder ein wenig für sich. Nur Riku versuchte Samu vergeblich in Gespräche zu verwickeln. „Ist gut jetzt, Riku. Ich brauch keinen Aufpasser. Ich weiß, was ich mache." Samu steckte sich die Kopfhörer in die Ohren und dieses Mal hörte er auch tatsächlich Musik. Aber auch die seiner Meinung nach besten Songs konnten die Gedanken nicht zum Schweigen bringen. Er hatte sich heute noch gar nicht bei Lena gemeldet und sie sich auch nicht bei ihm. Kurz überlegte er sie anzurufen, aber was hätte er ihr sagen sollen? Dass er die drei Worte nur gesagt hatte, um sie nicht zu verletzten. Um sich auf irgendeine komische Art und Weise dafür zu bedanken, was sie für ihn getan hatte. Hatte er sich wirklich zu etwas verpflichtet gefühlt, weil Lena ihm endlich die Augen geöffnet hatte? Zum Glück stürmte Mikko zu den Jungs und gab ihnen zu verstehen, dass es nur noch zehn Minuten bis zum Auftritt waren.

Alle fünf konzentrierten sich jetzt nur noch auf sich und gingen ihre Rituale vor einem Auftritt durch. Draußen hörte Samu Dianne über Liebe, Ehrlichkeit, Dankbarkeit und Nächstenliebe reden. Besonders die Zeile über Ehrlichkeit bohrte sich wie ein Pfahl durch seinen gesamten Körper: „Ehrlichkeit und Treue sind der Schlüssel. Wenn zwei Menschen ehrlich über alles reden können, ist das der größte Schlüssel zum Erfolg. In meinem Leben gab es nur wenige Menschen, mit denen ich für diese Werte eine gemeinsame Basis hatte, aber es soll heute nicht um mich gehen. Es geht darum möglichst viel Geld für das Kinderheim zu sammeln und deshalb freue ich mich, dass die Jungs den Weg nach Madrid gefunden haben. Begrüßt mit einem Applaus Sunrise Avenue " Die Jungs kamen nach einander auf die Bühne Wie immer folgte Samu als letzter. Die Songs spielten sich fast von alleine. Immer wieder trafen sich Diannes und Samus Blicke und Samu wusste genau, dass Dianne diese Worte eben nicht an die Gäste gerichtet hatte. Diese Worte waren an ihn gerichtet. Nachdem auch die Zugabe abgespielt war, mischten sich die fünf unter die Gäste und unterhielten sich. Samu jedoch war verschwunden. Er brauchte einen Moment für sich, ohne den Trubel um seine Person. Er hatte sich in den Garten verkrochen und saß dort auf einer Bank. Er war vollständig in Gedanken versunken, bis er eine Hand auf seiner Schulter spürte. „Hier hast Du Dich also versteckt? Alle fragen nach Dir." Samu drehte sich um und Dianne stand hinter ihm. „Dann ist das eben so. Ich brauch einfach mal kurz eine Pause." „Okay, dann lass ich Dich besser allein." Samu raufte sich die Haare. „Du hast da eben etwas gesagt über Ehrlichkeit." Dianne setzte sich neben ihn auf die Bank. „Ja. Sowas teilt man nicht mit jedem Menschen auf dem Planeten. Und weil ich es Dir niemals in die Augen hätte sagen können, weil ich mich vor Deiner Reaktion gefürchtet habe, habe ich es verpackt. So kann niemand bemerkt haben, dass Du und ich...".

„Du und ich...? Ich meine Du hast über Ehrlichkeit gesprochen. Meinst Du wirklich, dass wir ehrlich zu einander waren? Ich für meine Teil kann Dir sagen, dass ich das nicht war und seit ich hier bin, weiß ich nicht einmal, ob ich gerade ehrlich bin." Dianne schaute Samu skeptisch an. „Ich war am Ende nicht mehr ehrlich zu Dir, weil ich mich nur noch auf mich konzentriert habe. Ich habe nicht gesehen, wie sehr Du unter all dem gelitten hast. Ich habe Deinen Erklärungen keine Beachtung geschenkt. Ich habe etwas durch meine Trauer beendet, was ich niemals hätte beenden dürfen. Du warst der Mann, mit dem ich mein Leben verbringen wollte und ich habe immer gehofft, dass Du zurückkommst." Diannes Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Samu raufte sich die Haare. „Dianne, was wird das hier? Wieso jetzt? Warum tauchst Du jetzt wieder auf?" „Weil ich Dich immer noch liebe, Samu! Ich habe nie aufgehört Dich zu lieben. Du warst immer ein Teil meines Lebens." Dianne legte ihre Hände in Samus Hände und schaute ihm tief in die Augen. Auch in seinen Augen hatte sich beängstigend viel Flüssigkeit gesammelt. Doch nach einem kurzen Moment des Zögerns, griff er nach ihren Händen und zog Dianne zu sich. „Auch ich habe Dich vermisst." Für einige Minuten umarmten sich die beiden, ehe Samu Dianne sanft von sich wegdrückte. „Ich weiß aber, dass das zwischen und beiden nicht mehr funktionieren wird. Damals ist mein Herz in so viele Einzelteile zersprungen und bis heute habe ich es nicht geschafft, dass alles wieder an seinem alten Platz ist. Es gibt aber jemanden in Helsinki, dem ich mein Herz schon versprochen habe."

Dianne wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und setzte an, um etwas zu sagen. Samu aber legte seinen Finger auf ihren Mund. „Sag nichts. Mach es nicht komplizierter als es ist. Wenn Du Hilfe brauchst, dann weißt Du, dass Du mich jederzeit anrufen kannst." Sanft drückte er einen Kuss auf Diannes Stirn. „Pass auf Dich auf!". Nach diesen Worten stand er auf, schrieb seine Handynummer noch auf ein Taschentuch, was er in seiner Hose hatte. „Du bist eine wunderbare Frau!" Samu verschwand wieder im Inneren und nachdem er sich ein Bier an der Bar geholt hatte, mischte er sich unter die Gäste.

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