neunundzwanzig

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Lena fühlte sich unwohl. Sie kannte diesen Mann nicht und momentan war er ihr die einzige Stütze in dieser Situation. Mit keiner ihrer Freundinnen hätte sie auch nur ansatzweise darüber sprechen können, was passiert war. Während der Fahrt schaute sie auf ihr Handy, welches sie schon mehrere Stunden nicht mehr in der Hand hielt. Sie überflog nur die Nachrichten, die sie bekommen hatte. Meistens waren es nur irgendwelche dummen Fragen oder Links zu weiteren Artikeln. Genervt steckte sie das Handy wieder in die Jackentasche. Mikko schaute zu ihr rüber. „Alles gut?" Lena verband ein leichtes Nicken mit einem Schulterzucken. Eigentlich war nichts gut, aber das wusste Mikko selber. Er hatte nur gefragt, um Lena etwas abzulenken, was ihm aber absolut nicht gelang. Er parkte seinen Wagen in der Garage „Da wären wir." Mikko stieg aus und er dachte auch, dass Lena aussteigen würde, aber sie blieb sitzen. Das war heute der erste Moment, in dem sie zur Ruhe kam und wieder flossen Tränen über ihre Wangen. Sie versuchte die Tränen zurückzuhalten, aber es funktionierte nicht. Sie war so unfassbar verzweifelt und in ihr drin machte sich ein Schuldgefühl breit. „Was habe ich nur angerichtet? Wieso musste ich...?" Diese Gedanken konnte Lena nicht zu Ende bringen, denn Mikko öffnete die Beifahrertür und streckte ihr die Hand entgegen. „Kommen Sie erstmal aus dem Wagen." Mikko war wirklich kein Mann, der seine Gefühle gut zeigen konnte, aber die so zerbrechliche und verzweifelte Frau in seinem Wagen, brach ihm das Herz. „Jetzt schauen wir erst einmal, dass Sie etwas Warmes zu sich nehmen und ich gebe Ihnen frische Klamotten." Lena griff nach der Hand, wenn auch widerwillig, denn sie wusste, dass sie es vermutlich nicht alleine schaffen würde. Ihr ganzer Körper tat weh, es fühlte sich an, als wäre ein LKW über sie gerollt. Kein Wunder jede einzelne Faser ihres Körpers war angespannt. Mikko brachte Lena ins Haus und zeigte ihr das Bad, gab ihr ein paar Klamotten von sich und ließ Lena alleine.

Lena schloss die Türe ab und ließ sich die Tür herunterrutschen bis sie den Boden unter sich spürte. Sie setzte ihre Cap ab und öffnete ihren Zopf. Ihre Haare waren nass, denn es hatte den ganzen Tag geschneit. Mittlerweile merkte sie wie durchnässt sie war, aber sie war nicht in der Lage sich weiterauszuziehen, geschweige denn unter eine warme Dusche zu stellen. Sie musste jetzt mit jemandem sprechen und auch wenn sie niemandem mit dem ganzen Thema belasten wollte und schon gar nicht um kurz vor Mitternacht, nahm sie das Handy aus der Tasche ihrer Sweatjacke, drückte ein paar Mal auf das Display und hielt sich das Handy dann ans Ohr. Eigentlich erwartete sie nicht, dass sich jemand meldete, vermutlich würden schon alle schlafen. Doch zu ihrer Überraschung meldete sich tatsächlich jemand am anderen Ende der Leitung. „Lena?" Mehr als ein Schluchzen brachte sie im ersten Augenblick nicht über die Lippen. Es tat gerade so gut eine ihr bekannte Stimme zu hören. Sie wischte sich die Tränen von der Wange. „Sorry, dass ich Dich zu spät anrufe. Ich hoffe ich habe Dich nicht geweckt." „Du kannst mich jederzeit anrufen. Ich bin aber noch wach. Weinst Du, meine Kleine?" Wieder musste Lena mehrmals Schlucke, bevor sie antworten konnte. „Du hast doch bestimmt schon in der Zeitung gelesen, was los ist oder?" „Heute war ein verdammt stressiger Tag. Was steht denn in der Zeitung? Hast Du einen Artikel veröffentlich?" „Es.. es sind Bilder von mir und einem Mann auf den Titelseiten der Klatschpresse." „Und wer ist dieser Mann, wenn ich fragen darf?" „Er heißt Samu. Samu Haber." Als sie den Namen aussprach, zitterte ihr ganzer Körper und sie wieder kullerten Tränen über die Wange. „Hat er Dich irgendwo reingezogen? Was für Bilder?" „Nein, um die Bilder mache ich mir gerade weniger Sorgen. Er ist verschwunden. Heute Morgen standen unzählige Fans vor der Tür und auch die Presse. Er wollte mich da rausholen, ist aber nie bei mir aufgetaucht."

„Sicher, dass er zu Dir wollte?" „Ja, ich habe mit ihm telefoniert, als er auf dem Weg zu mir war und dann muss er mit seinem Rad gestürzt sein. Sein Handy habe ich dann in einer Gasse gefunden, aber er ist verschwunden. Er ist bestimmt verletzt und liegt irgendwo draußen in der Kälte. Die Polizei will auch nichts machen. Wir waren in jedem Krankenhaus und haben ihn nirgendwo gefunden." „Er wird schon wieder auftauchen, mache Dir keine Sorgen. Man verschwindet nicht einfach so." Stumm nickte Lena bis sie merkte, dass das über das Telefon nicht übertragen wurde. „Ja, ich hoffe es. Danke Dir, dass Du mir zugehört hast. Es tat wirklich gut Deine Stimme zu hören." „Du kannst Dich wie gesagt jederzeit bei mir melden. Pass auf Dich auf Kleine und morgen sieht die Welt bestimmt schon viel besser aus. Ich liebe Dich". „Ich Dich auch. Danke!" Lena legte auf, rappelte sich auf, duschte, zog sich die viel zu großen Klamotten von Mikko an und ging in Richtung des Wohnzimmers. Mikko hatte ihr einen Tee gekocht und bereits auf dem Sofa Bettzeug zusammen gelegt. „Danke!", murmelte Lena. „Danke wofür?", erwiderte Mikko. „Für alles und sorry, dass ich Dich... ehm Sie so dumm angemacht habe." Mikko schaute Lena mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen an: „Ich bin Mikko und wenn sich einer entschuldigen muss, dann bin ich das wohl. Samu scheint Dir wirklich wichtig zu sein. Ich dachte wirklich kurz, dass das alles wieder irgendeine Bekanntschaft von ihm war. Aber auch als er gehört hatte, dass Du in Gefahr warst, konnte ich ihn nicht davon abhalten zu Dir zu fahren." Lena schaute ihn an und atmete tief durch. „Sei mir nicht böse, aber ich bin wirklich tot müde und auch wenn ich sicherlich kein Auge zumachen werde, lege ich mich ein wenig ein." Mikko nickte: „Versuch ein wenig zu schlafen und wir finden ihn morgen."

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