dreiunddreißig

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Nachdem Riku das Gespräch beendet hatte, stützte er seine Arme auf den Küchentisch und atmete tief durch. So stand er einige Augenblicke da, bevor er sich durch die Locken raufte und zum Bad ging. Vorsichtig klopfte er an die Tür: „Lena, machst Du auf?" Lena saß auf der Toilette, die Beine eng an ihrem Oberkörper und die Arme um diese geschlungen. Sie starrte wie hypnotisiert auf die Fliesen. Am liebsten würde sie einfach losschreien oder irgendwas kaputt machen, aber dazu fehlte ihr die Kraft. Auf das Klopfen und Fragen von Riku reagierte sie nicht, denn sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Wollte sie, dass er sich um sie kümmert oder wollte sie einfach alleine sein? Nein, alleine wollte sie definitiv nicht sein, doch den Mensch, den sie jetzt brauchte, durfte sie nicht sehen. Riku gab nicht auf und klopfte erneut an die Tür: „Bitte Lena. Mach die Tür bitte auf und komm raus. Du musst das nicht alleine durchstehen und wir finden eine Lösung." „Riku, lass gut sein. Lass mich alleine. Du kannst mich auch nicht zu ihm bringe." Riku seufzte, er wusste, dass sie stur war, aber er wusste auch, dass er jetzt niemals von dieser Tür weggehen würde. „Ich geh nicht weg. Ich setzte mich jetzt hier vor die Tür bis Du mir aufmachst. Nur so wirst Du auch nicht zu ihm kommen, es sei denn Du kannst beamen." Er setzte sich auf den Boden vor die Badezimmer und raufte sich erneut die Haare. Nach ein paar Minuten bewegte sich Lena zur Tür und schloss sie wieder auf, denn ewig konnte sie tatsächlich nicht auf der Toilette hocken und Fliesen zählen. Sie öffnete die Tür und Riku fiel fast rücklings auf den Boden. „An Deiner Wand hängen 178 Fliesen, falls Dich das interessieren sollte." Lena schaute ihren Bruder an und legte ihre Hand auf seine Schulter. „Danke!" Riku rappelte sich auf und legte den Arm um sie. „Wir finden eine Lösung. Und Samu hat so einen Dickschädel, der wird schon wieder." Er war sich da selber noch nicht sicher, aber irgendwie musste er Lena Hoffnung machen.

Kurz nachdem die beiden ins Wohnzimmer gegangen waren, klingelte es an der Tür. „Das muss Mikko sein." Riku stand auf und machte auf. Mikko und er begrüßten sich kurz und dann kam Mikko ins Wohnzimmer. „Du bist mir eine. Du kannst doch nicht so einfach verschwinden. Ich dachte schon, dass sonst was passiert wäre.", sagte er zu Lena, ging zu ihr und drückte sie an sich. „Tut mir Leid, aber das war alles zu viel." Lena erwiderte die Umarmung zaghaft und schaute Mikko erwartungsvoll an. „Wie geht es ihm denn? Was hat seine Mama gesagt?" Mikko zog sich die Jacke aus, legte diese über die Armlehne und setzte sich auf den Sessel gegenüber von Lena und Riku, der sich zu seiner Schwester gesetzt hatte. „Ich weiß eigentlich nichts. Er wurde neun Stunden operiert und jetzt müssen wir abwarten. Eve sagte, dass die Ärzte noch nicht wissen, ob er bleibende Schäden hat. Er liegt jetzt im künstlichen Koma, weil sich sein Körper von all dem erholen muss." Riku legte seine Hand auf Lenas Bein und Mikko bemerkte das sofort. „Was geht hier eigentlich vor sich?" Riku schaute ihn an. Er hatte sich das alles anders vorgestellt, aber es war wohl an der Zeit. Doch bevor Riku etwas sagen konnte, antwortete Lena Mikko bereits. „Er ist mein Bruder, also Halbbruder. Für den Moment sollte das reichen als Erklärung. Hier geht es jetzt schließlich nicht um uns." Mikko war erstaunt, aber ihm war das wirklich lieber als eine Dreiecksbeziehung, an die er eigentlich gedacht hatte. „Wann kann ich denn jetzt zu Samu? Was hat seine Mutter gesagt, Mikko?" Mikko hatte die ganze Zeit darüber nachgedacht, wie er Lena das am besten beibringen könnte, aber alles außer die Wahrheit würde es nicht besser machen, also rückte er raus mit der Sprache. „Es tut mir Leid. Eve lässt niemanden außer mich und Riku an ihn ran. Sie will nicht, dass ihn sonst jemand besucht." Mikko hatte damit gerechnet, dass Lena anfing zu weinen, aber sie konnte nicht mehr weinen. Sie hatte so viel in den letzten Stunden geweint.

Lena schaute ihn einfach nur an. „Ich kann nicht zu ihm? Gar nicht?" Bedröppelt schüttelte Mikko seinen Kopf. „Es tut mir Leid. Ich werde noch einmal mit Eve reden, wenn ich morgen wieder ins Krankenhaus fahre." Riku räusperte sich, bis zu diesem Zeitpunkt hatte er einfach nur stumm neben Lena gesessen. „Mikko, lass mich mit ihr reden. Ich rufe sie gleich einmal an und frage sie, ob ich vorbeikommen kann. Sie weiß ja gar nicht, wer Lena ist. Vielleicht ändert sie ihre Meinung, wenn ich ihr die Geschichte erzähle." Ohne eine Reaktion abzuwarten, stand er auf und ging in die Küche, um ungestört mit Eve zu sprechen. „Riku?", meldete sich Samus Mutter. „Hey! Mikko ist gerade bei mir und hat mir alles erzählt. Meinst Du ich kann kurz vorbeikommen? Ich glaube, ich muss Dir etwas erzählen und Licht ins Dunkle bringen." Eve willigte ein. Riku ging zurück ins Wohnzimmer. „Ich fahre ins Krankenhaus. Mikko, kannst Du kurz hier bleiben?" Mit seinem Kopf deutete er in Richtung Lena, die er nicht alleine lassen wollte. Lena war zwar Gedanken versunken, aber das hatte sie natürlich bemerkt. „Ich brauche keinen Aufpasser, Riku. Mir wäre es lieber, wenn Du mich kurz nach Hause bringen könntest. Ich gehe davon aus, dass die Meute verschwunden ist und ich würde gerne in meinen eigenen vier Wänden sein." Da Riku wusste, dass eine Widerrede nichts bringen würde, verabschiedeten die beiden Mikko und fuhren dann zu Lenas Wohnung. „Soll ich kurz mit Dir hochkommen", fragte Riku fürsorglich. „Nein, aber warte kurz. Ich möchte Dir etwas mitgeben." Lena verschwand im Haus und kam ein paar Augenblicke später mit einem Schal in der Hand wieder zurück und stieg noch einmal kurz zu Riku ins Auto. „Kannst Du den bitte mitnehmen? Stell keine Fragen, es ist mir einfach wichtig, dass etwas von mir bei Samu ist, wenn er aufwacht. Und bitte, auch wenn ich mir nichts mehr wünsche, als ihn zu sehen, setze seine Mutter nicht unter Druck. Versprichst Du mir das?" Riku nickte, umarmte Lena. „Melde Dich, wenn Du etwas brauchst. Ich ruf Dich später an, wenn ich aus dem Krankenhaus zurück bin." Lena stieg aus und schaute Rikus Wagen hinterher bis er um die Ecke bog.

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