fünfundzwanzig

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Sie kniete sich neben den reglosen Körper, der mit dem Rücken zu ihr gewandt war und legte ihre Hand auf seine Schulter. Vorsichtige strich sie über die Jacke und begann leise mit Samu zu reden: "Alles wird gut, hörst Du? Ich bin da und ich rufe jetzt einen Krankenwagen!" Sie versuchte Samu auf den Rücken zu drehen, aber der Körper blieb bewegungslos in der Position liegen. Eine Mütze über den Haaren, die tief ins Gesicht gezogen war, verdeckte die Sicht. Lena striff ihm die Mütze ab und wich sofort zurück. Das, was sie dort sah, ließ ihren Magen wieder Samba tanzen. Wieder froren ihre Gestik und Mimik ein, wieder versuchte sie krampfhaft den restlichen Mageninhalt in sich zu behalten und wieder gelang es ihr nicht. Der regungslose Körper begann sich leicht zu bewegen, der Mann kam zu sich und sah Lena an. "Ohhh, schöne Frau. Womit habe ich es denn verdient, dass Du mich aus meinen Träumen zerrst?" Lena starrte den scheinbar Obdachlosen fast schon angewidert an. "Eeeeehm, es tut mir Leid. Ich habe Sie für wen anders gehalten. Ich muss los." Sie versuchte ruckartig aufzustehen, doch dem Mann schien das gar nicht zu gefallen, dass sie ihn jetzt wieder alleine lassen wollte. Er griff nach ihrer Hand und zerrte sie wieder zu sich runter: "Liebchen, Du kannst mich armen Mann doch jetzt nicht hier alleine lassen, nachdem Du mich aus meinem tiefsten Träumen gerissen hast." Der Mann kam Lena bedenklich nahe, er streichte ihr die Strähne, die sich aus dem Pferdeschwanz gelöst hatte aus dem Gesicht. Geistesgegenwärtig riss sich Lena los und rannte aus dem Innenhof bevor schlimmeres passieren konnte.

An der Hauswand lehnend, atmete sie tief durch und versuchte das gerade Geschehene zu vergessen. Sie wusste nicht mehr weiter, sie wusste nicht mehr wohin, sie wusste eigentlich gar nichts mehr. "Wo kann Samu denn bloß sein? Er war bewusstlos und weit kann er doch eigentlich nicht von dieser Stelle gekommen sein. Ich muss ihn finden, ich muss einfach...." Den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, spürte sie in ihrer Jackentasche die Vibration eines Handys. Sie ging davon aus, dass es ihres war, denn dass sie Samus Handy eben eingesteckt hatte, hatte sie in der ganzen Hektik schon wieder vergessen. Als sie das Handy rauszog, erinnerte sie sich wieder. Auf dem Bildschirm stand Mikkos Name. Da sie gerade mehr als verzweifelt war, dachte sie sich, dass es sowieso nicht mehr schlimmer kommen konnte und entschloss sich den Anruf entgegenzunehmen. "Hallo? Meier?" Auf der andern Seite hörte sie zunächst nur ein schweres Atmen, es meldete sich niemand. "Hallo, wer ist da?", wiederholte sie. Mikko konnte es nicht fassen, dass sich diese Stimme an Samus Telefon meldete und polterte sofort los, ohne seinen Namen zu nennen, denn er ging davon aus, dass Samu wohl bei Lena wäre. "ACH, DAS TRIFFT SICH JA WUNDERBAR, DASS ICH SIE AM TELEFON HABE. SAGEN SIE MAL, WAS FÄLLT IHNEN EIGENTLICH EIN? MUSSTEN SIE HERRN HABER IN EINE SOLCHE SITUATION BRINGEN? SIE HABEN VERMUTLICH NICHT EINE MINUTE DARÜBER NACHGEDACHT, WAS SIE DAMIT ANRICHTEN KÖNNEN, HABE ICH RECHT?"

Mehrmals versuchte Lena Mikko zu unterbrechen, doch gegen den Redefluss kam sie nicht an. Tränen kullerten erneut über ihre Wangen. War sie wirklich für all das hier verantwortlich? Schluchzend setzte sie an, um Mikko zu antworten, denn es schien so, als wäre der erste Teil der Wutrede beendet. "Entschuldigen Sie, wer sind sie eigentlich? Sind sie ein Freund von Samu?" "MAN KÖNNTE MEINEN SIE SEIEN BLOND. GEBEN SIE MIR AUF DER STELLE HERRN HABER. MIT IHNEN ZU REDEN, SCHEINT NICHT VIEL ZU BRINGEN." Lenas Verzweiflung schlug in genau diesem Moment in Wut um. So ließ sie nicht mit sich reden: "WÜRDEN SIE MICH AUCH NUR EINMAL ZU WORT KOMMEN LASSEN, DANN WÜSSTEN SIE, WARUM ICH AN SAMUS HANDY GEGANGEN BIN." Mikko stutzte und hakte nach: "DANN REDEN SIE DOCH EINFACH..." "Ich weiß nicht, wo Samu ist. Er wollte zu mir fah..." Grob unterbrach Mikko Lena: "WIESO HABEN SIE SEIN HANDY, WENN ER NICHT BEI IHNEN IST UND WO SIND SIE ÜBERHAUPT?" Lena atmete tief durch, die Tränen flossen immer noch über ihre Wangen, alles schmeckte salzig: "Ich suche Samu jetzt schon seit mehr als einer Stunde. Ihm ist was zugestoßen. Er ist gestürzt und ich kann ihn nirgends finden. Ich muss zu ihm." Damit hatte Mikko nicht gerechnet: "Um Himmels Willen! Ich dachte, dass sich der Sturkopf extra nicht bei mir meldet, um mir zu zeigen, dass er sein eigenes Leben führt. Wo sind Sie genau? Ich komme sofort und wir suchen ihn gemeinsam." Lena nannte ihm die Straße und legte dann auf. Sie zitterte am ganzen Körper. Ihr war kalt, sie hatte Angst und sie fühlte sich so unfassbar allein.

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