dreiundvierzig

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Lena war gestern relativ früh eingeschlafen. Sie hatte noch ein wenig mit Mats über alles geredet, was sich so in den letzten Jahren in ihrer beiden Leben verändert hatte. Mats hatte mittlerweile einen guten Job in einer renommierten Agentur und war offensichtlich beruflich angekommen. Es war erst sieben Uhr morgens, Lena konnte aber nicht mehr schlafen und entschied sich eine Runde durch den nahegelegenen Park zu joggen. Sie schrieb Mats einen Zettel, schnappte sich seinen Schlüssel und ging die Treppen herunter. Die frische Luft tat ihr verdammt gut und auch die Runde durch den Park half ihr sich abzulenken. Denn auch wenn sie weit weg von Helsinki war, war niemand anderes als Samu in ihrem Kopf. Eigentlich hatte sie gehofft, dass sie den Kopf frei bekommen würde, aber egal wie sehr sie sich bemühte, schweiften ihre Gedanken immer wieder zu diesem blonden Finnen, der sich in ihr Herz geschlichen hatte. Sie machte eine Pause und schnappte sich ihr Handy. „Riku hätte mich doch mit Sicherheit angerufen, oder?" Lena hielt es aber nicht mehr aus und wählte Rikus Nummer. „Guten Morgen", murmelte ihr Bruder. „Hab ich Dich geweckt?" „Nein, Du hast mich nur vor meinem ersten Kaffee erwischt." Lena lächelte. „Gibt es Neuigkeiten?" Riku seufzte. „Riku? Was ist los?" „Lena, ich weiß nicht, ob es wirklich angebracht ist Dir das am Telefon zu sagen. Du bist abgehauen, weil Du Dir über Alles im Klaren werden willst. Ich denke nicht, dass es Dir hilft, wenn ich Dir jetzt jede paar Stunden ein Update über Samus Gesundheitszustand gebe oder meinst Du, dass Du da durch einen klaren Kopf bekommst?" „Ganz ehrlich, egal was ich mache, meine Gedanken sind sowieso die ganze Zeit bei Samu. Egal, was ich mache, er schleicht sich immer wieder in meinen Kopf. Ich weiß noch nicht, was das bedeutet, aber vielleicht ist das ja schon ein Zeichen?"

„Du lässt vermutlich nicht locker, oder?" „Riku, jetzt sag doch bitte einfach, was passiert ist? Dein Schweigen lässt mich eh schon vermuten, dass es ihm nicht besonders gut geht." „Also pass auf: Wir wissen nicht, was mit ihm los ist. Organisch ist alles in Ordnung, er ist gestern Abend aufgewacht, aber er kann nicht sprechen." Lena war der Schock ins Gesicht geschrieben. „Was meinst Du mit nicht sprechen?" „Naja, was soll ich schon meinen? Er sagt nichts, ich glaube er bekommt alles mit und würde gerne was sagen, aber er kann einfach nichts sagen." Erstaunlicherweise bildete sich kein Kloß in Lenas Hals. „Okay. Sagst Du mir Bescheid, wenn es was Neues gibt?" Mit dieser Reaktion hatte Riku definitiv nicht gerechnet. „Ehhhm, okay. Ja, mache ich. Pass auf Dich auf." Lena legte auf und setzte sich auf eine Bank. Nach einigen Momenten wurde ihr einfach zu kalt, nicht so kalt wie in Helsinki, aber der Wind pfiff unangenehm. Daher machte sie sich auf den Weg zurück zur Wohnung von Mats. Während in Berlin erst langsam alle wach wurden, lag Samu bereits hellwach in seinem Bett. Den Brief hielt er wieder in der Hand, er hatte es gestern einfach nicht geschafft ihn zu öffnen. Ihm war eigentlich klar, wer ihn geschrieben hatte und irgendwie hatte er Angst, dass es eine Art Abschiedsbrief war. Auf einmal hörte er ein Brummen, er sah sich um und bemerkte, dass es aus einer Schublade in seinem Nachttisch kam. Er musste sich schon ordentlich strecken und irgendwie tat noch alles weh. Aber er schaffte es, nahm sein Handy in die Hand und auf seinem Handy sah er eine Nachricht. „Kämpf bitte weiter! Ich vermisse Dich!" Über sein Gesicht huschte ein Lächeln und das war für ihn das Zeichen diesen Brief zu öffnen. Er riss den Umschlag auf und begann zu lesen. „Lieber Samu, wenn Du diese Worte liest, bin ich vermutlich gerade noch nicht wieder in Helsinki, aber ich bin mir sicher, dass ich bald wieder da sein werde. Ich hoffe wirklich, dass es Dir wieder gut geht und Du aufwachst, bevor ich wieder da bin, denn dann hast Du Dich da raus gekämpft.

Sei mir bitte nicht böse, aber ich habe es nicht ausgehalten, dass ich nicht zu Dir durfte und bevor Du jetzt sauer auf Deine Mama bist, sei es bitte nicht. Sie wollte Dich nur beschützen und einen anderen Weg hatte sie nicht gefunden. Ich hätte Dir auch einfach eine Nachricht schreiben können, aber ich glaube diese altmodische Art und Weise ist doch angebrachter. Trotzdem weiß ich gerade nicht, was ich schreiben soll oder viel mehr wie ich das zu Papier bringen soll, was ich Dir sagen möchte. Ich will mich mit diesem Brief hier auch nicht zum vollkommenen Deppen machen, aber ich habe nichts zu verlieren. Der Lambrusco wird mir schon dabei helfen die richtigen Zeilen zu schreiben. Seit unserer Begegnung in der Kneipe nach Eurem Konzert schwirrst Du in meinem Kopf rum. Ich weiß nicht, was es ist, was mich so gefesselt hat, aber irgendwas macht Dich zu etwas Besonderem, was ich noch nie bei einem Menschen erlebt habe. Ich hatte ein komplett falsches Bild von Dir, ich dachte Du wärest ein Womanizer und nur auf das Eine raus. Und wenn ich ehrlich bin, bin ich mit diesem Gedanke mit Dir auf das Date gegangen. Spätestens als wir dort oben auf dem Dach standen, dachte ich, dass Du mich küsst, wir im Bett landen und Du am nächsten Morgen einfach verschwunden bist. Aber Du hast mir zu keinem Zeitpunkt das Gefühl gegeben, dass ich nur irgendeine Nummer für Dich bin. Du hast Dich ehrlich für mich interessiert und wolltest mich wirklich kennenlernen. Als Du dann noch nicht mal mit in meine Wohnung hochkommen wolltest, hast Du mich wohl final um den Finger gewickelt. Dass Du wegen mir jetzt im Krankenhaus liegst, tut mir so unendlich Leid und ich hoffe, dass Du mir das verzeihen kannst. Ich wollte nicht, dass Du Dich für mich in Gefahr bringst, aber als Du gestürzt warst, bin ich sofort los und habe Dich irgendwann dann zusammen mit Mikko gesucht." Es klopfte an der Tür und Riku kam zusammen mit Eve in Samus Zimmer. Samu versteckte den Brief unter der Bettdecke und lächelte die beiden an.

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