"Ich liebe Dich!" Wie in Zeitlupe kam jedes einzelne Wort bei Samu an, nein, jeder einzelne Buchstabe, den Lenas Lippen geformt hatten. Ein Satz, drei Worte, zwölf Buchstaben, die sich langsam durch die erhitzte Luft im Schlafzimmer auf ihn zubewegte. Am liebsten hätte er versucht ihnen wie bei einem Playstationspiel auszuweichen. Einfach seinen Kopf ein wenig zur Seite zu legen, um so zu verhindern, dass die Worte zu ihm vordringen würden. Er schaute in Lenas liebevolle, dunkelbraune Augen. Er sah die Erwartung in ihren Augen. Sie erwartete eine Reaktion. Samu konnte ihrem Blick nicht Stand halten. Er wusste, dass er sie jetzt verletzen würde, aber er konnte diese Worte nicht erwidern. Es ging nicht. Sein Innerstes sträubte sich dagegen. Er löste seinen Arm von Lena, drehte sich um, stand auf und ging ins Bad. Sofort stellte Samu sich unter eine eiskalte Dusche, doch wirklich duschen wollte er gar nicht. Er wollte einfach dieser Situation entfliehen. Irgendwann hockte er sich einfach nur in die Dusche und vergrub sein Gesicht in seinen Händen, während der Strahl immer noch auf ihn herab prasselte. Diese drei Worte hatten etwas in Samu ausgelöst. Ja, er hatte es genossen die Zeit mit Lena zu verbringen und ja, er hatte sich eingeredet, dass er sich auf sie einlassen konnte und bereit dafür war. Aber diese drei Worte hatten die Mauern, die Lena in seinem Innersten schon teilweise eingerissen hatte, nur noch viel höher werden lassen. Die entstandenen Löcher wurden mit Stahl verstärkt und aus irgendeinem Grund konnte sich Samu nicht dagegen wehren, das dies gerade passierte. So eine emotionale Nähe hatte er lange nicht mehr in seinem Leben zugelassen. Er hatte sich in den letzten Tagen wohl damit gefühlt, Gedanken und Gefühle endlich wieder mit jemandem teilen zu können. Mit Lena konnte er Leidenschaft, Lachen, Freude genauso teilen, wie Angst und Zweifel. Es war nicht die eigentliche Nähe vor der er sich fürchtete, es war die Angst davor, dass er sich auf jemandem bedingungslos einlassen und am Ende doch wieder nur verletzt würde.
Samu hatte Angst vor dieser emotionalen Nähe, weil er die letzten Jahre gemacht und getan hatte, was immer er wollte. Er hatte Angst von Lena vereinnahmt und beherrscht zu werden und dabei sich selber aus den Augen zu verlieren. Ihm war selber klar, dass er mit seiner Methode jeglicher Art von Beziehung aus dem Weg zu gehen, auf lange Zeit hin einsam werden würde. Aber es gab in den letzten Jahren niemanden, der ihm auch nur ansatzweise so viel wert gewesen wäre, dass er es auch nur versucht hätte. Aber vielleicht war Lena die Frau, die ihn wieder daran hat glauben lassen, dass es sich doch noch lohnt sich innerlich auch auf jemanden einzulassen. Wieder durchdrangen die Worte Samus Gedanken. „Ich liebe Dich!" Ein Satz, der die tiefste Empfindung für einen Menschen beschreibt und niemals einfach so daher gesagt wird. „Mensch Haber, sie hat Dir ihre Liebe gestanden, sie hatte erwartet, dass Du zumindest anders reagierst, als mit einer Flucht. Reiß Dich zusammen und sprich mit ihr!" Samu stellte das Wasser ab und schnappte sich ein Handtuch. Er ging zurück ins Schlafzimmer, denn er hoffte, dass Lena noch dort war. Im Schlafzimmer war niemand. Samu zog sich eine Jogginghose und irgendein T-Shirt an und ging die Treppe herunter. Für Lena war es ein Schock gewesen, wie der Mann reagierte, von dem sie dachte, dass er genauso empfinden würde. Nicht einmal ein „ich hab Dich lieb" hatte er erwidert, nicht einmal das so verhasste „danke". Die beiden hatten doch schon in den ersten paar Wochen so viel mehr durchgemacht, als manche in den ersten Jahren nicht durchmachen mussten. Lena hatte sich ihre Unterwäsche angezogen und ihren Hoodie darüber und stand auf dem Balkon des Wohnzimmers. Sie starrte auf die Stadt, die Lichter, die sich bewegten. Durch ihre glasigen Augen sah sie alles verschwommen. Am liebsten wäre sie einfach abgehauen, aber irgendwas hielt sie zurück. Sie wollte nicht abhauen, sie liebte ihn doch. „Vielleicht war es zu früh. Ich hätte es nicht sagen sollen." All solche Gedanken und das Gespräch mit Riku fuhren gerade Achterbahn in ihrem Kopf. Dass sie barfuß auf dem mit Schnee bedeckten Balkon stand und es verdammt kalt war, nahm sie gar nicht war. Sie nahm auch nicht wahr, dass Samu vorsichtig die Schiebetür hinter ihr aufgedrückt hatte.
„Lena?", flüsterte er leise und griff vorsichtig seine nach ihrer Hand. Lena zuckte zusammen. „Du erfrierst hier draußen noch. Komm rein und lass mich versuchen zu erklären, was ich da gerade gemacht habe." Lena konnte nichts sagen, sie konnte sich nicht einmal wirklich bewegen. Samu zog sie einfach mit sich herein und die beiden setzten sich auf die Couch im Wohnzimmer. Sofort legte Samu eine Decke um Lena, denn er wollte sie nicht damit überfordern sie in den Arm zu nehmen. Er sah, dass sie geweint hatte. Dass ihr Innerstes gerade ein gutes Stück zerbrochen war. Dass er ihr das Herz herausgerissen hatte, welches sie ihm bereitwillig geöffnet hatte. „Ich weiß nicht wirklich, wie ich anfangen soll. Ich habe Dir noch lange nicht alles über mich erzählt, vor allen Dingen nicht viel über die letzten Jahre. Darüber habe ich mit niemandem gesprochen, nicht einmal mit meiner Mutter, Riku oder Mikko." Samu musste immer wieder absetzen. Es fiel ihm unfassbar schwer die richtigen Worte zu finden. Ehe er weitererzählen konnte, unterbrach ihn Lena mit tränenerstickter Stimme. „Du musst Dich jetzt nicht um Kopf und Kragen reden. Ich habe es schon verstanden. Dir ging es doch nur darum mich ins Bett zu bekommen, mich in Deinem Trophäenschrank zu haben. Und das hast Du jetzt geschafft, HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH! Dein ganzes Getue, unser erstes Date und all das. Du hättest Dir das echt alles sparen können. Warum hast Du nicht mit offenen Karten gespielt, mir gesagt, dass das hier nur auf Sex hinaus läuft?" Mit diesen Worten stand sie auf und wollte ihre Sachen packen und gehen. Doch Samu griff nach ihrem Handgelenk und hinderte sie daran wegzulaufen. „Genau darum geht es mir nicht. Bitte höre mir zu und wenn Du dann immer noch gehen willst, dann ist es okay. Aber bitte höre mir zu." In Samus Augen hatten sich Tränen gesammelt. Die Worte, die Lena an ihn gerichtet hatte, bohrten sich wie Pfeile durch seine Haut. „Mach es mir doch nicht schwerer als es ist, Samu."
„Bitte, Lena! Vertrau mir. Ich kann es Dir erklären." Nach einem kurzen innerlichen Kampf, setzte sich Lena wieder in die Ecke des Sofas und schaute Samu an. „Ich kann verstehen, dass es für Dich so aussieht, als hätte ich nur mit Dir schlafen wollen und danach suche ich mir jemanden anders. Aber so ist es nicht, Lena. In den letzten Wochen hast Du es geschafft, dass sich in mir Gefühle breit gemacht haben, die ich schon Jahre nicht mehr gefühlt habe. Du hast eben all Deinen Mut zusammengenommen und was hast Du von mir gekommen? Ich bin einfach aufgestanden, habe Dich sitzen lassen. Nicht, weil ich nicht so für Dich empfinde, sondern weil ich scheinbar vergessen habe, was es heißt, dass das jemand zu mir sagt."
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#afterglowfeelings
FanfictionEine Story, die sich um die Zeit der Jungs und vor allen Dingen Samu nach dem letzten Konzert der Heartbreak Century Tour dreht ♥️