siebzehn

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Die Stunden nach der Mittagspause zogen sich für Lena wie Kaugummi. Immer wieder starrte sie auf den Sekundenzeiger, der scheinbar in Zeitlupe seine Kreise zog. Sie schrieb gerade an einem Artikel, aber wirklich was zu Stande bekam sie nicht. Sie war in Gedanken schon wieder bei Samu und innerlich konnte sie es nicht erwarten ihn wieder zu sehen. Lena war so sehr in Gedanken versunken, dass sie nicht merkte, dass ihr Chef schon einige Augenblick mit ihr redete. Taavi, der Geschäftsführer des Verlages, beugte sich vor und schaute sie an, während er eine Augenbraue hoch zog. Lena zuckte zusammen, sie hatte ihn tatsächlich nicht bemerkt: „Ehhm", stotterte sie vor sich hin, „was kann ich für Dich tun?". Die Laune des Geschäftsführers war gar nicht gut, seine Halsschlagader pochte unter der Haut und er fauchte Lena an: „Los, ab in mein Büro!" Wütend rauschte Taavi ab und Lena war vollkommen von der Rolle, schnappte sich ihr Notizbuch und ging ihrem Chef hinterher. „Setz Dich bitte!", immer noch bebte seine Stimme. Lena sagte nichts und nahm gegenüber Platz. „Kannst Du mir bitte mal sagen, was mit Dir los ist? Hast Du Dir durchgelesen, was Du mir eben für die morgige Auflage zugeschickt hast?". Der Geschäftsführer knallte Lena den Probedruck vor die Nase. Überall hatte er Anmerkungen neben die Texte geschrieben, wild durchgestrichen. Lena schaute erst die Zeitung und dann ihren Chef an: „Sonst bist Du doch auch immer zufrieden mit meinen Entwürfen. Was ist denn dieses Mal anders?", antwortete Lena bestimmt, denn sie wusste, dass ihre Arbeit gut war. Auch wenn sie ein wenig abgelenkt war, konnte sie sich auf ihren Schreibstil verlassen. Nichtsdestotrotz blätterte Lena durch die Zeitung und überflog die Anmerkungen. „Lena, Du willst mich doch veräppeln oder? Hast Du einen Typen am Start oder warum bist Du so unkonzentriert und immer in Gedanken versunken?" motze Taavi seine Mitarbeiterin an.

Das wollte Lena definitiv nicht auf sich sitzen lassen und stand auf: „Sorry Taavi, wenn Du fachliche Anmerkungen hast, dann sag mir bitte, was ich noch anders machen soll für morgen. Alles andere hat hier nichts zu suchen. Ich dachte wir würden hier professionell zusammenarbeiten und da gehe ich davon aus, dass mein Privatleben damit nichts zu tun hat." Von diesem Auftritt war sie selber überrascht, atmete einmal durch und schaute Taavi an. „Also? Ist jetzt noch was mit der morgigen Auflage oder kann die so in den Druck?" Taavi starrte Lena an. „Kann in den Druck.", mehr konnte er der Ansage von Lena nicht entgegensetzen. Wo sie Recht hatte, hatte sie nämlich Recht. Dieser Auftritt war mehr als unprofessionell und peinlich gewesen. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Lena rollte mit den Augen und ging dann kommentarlos an ihren Platz zurück. „Was war das denn für ein Auftritt von Taavi? So ein Verhalten kenne ich gar nicht von ihm...", dachte Lena sich. Für sie war der Tag gelaufen. Es war zwar erst 17:00 Uhr und sie wollte den Artikel für nächste Woche eigentlich noch fertig schreiben, aber dieses Gespräch hatte sie verwirrt und wirklich was zu Papier würde sie vermutlich nicht mehr bekommen. Sie packte ihre Sachen zusammen, schickte die Zeitung für morgen noch in den Druck und verschwand dann aus dem Büro. Draußen hatte es angefangen zu schneien. Kurz blieb Lena vor der Tür des Verlages stehen und atmete die eisige frische Luft ein.

Zu Hause angekommen, stand Lena erst einmal eine halbe Stunde vor dem Kleiderschrank. Wie lange sie kein Date mehr gehabt hatte und dann muss es natürlich auch direkt der Frontmann einer bekannten Band sein, mit dem sie sich trifft. Langsam wieder mit dem Dating anzufangen, wie sie sich das vorgenommen hatte, hatte definitiv dann nicht geklappt. Lena probierte mehrere Outfits an und entschied sich dann zuerst für Strickkleid und legte dieses aufs Bett. Schnell sprang sie noch unter die Dusche und streifte sich danach dann das Kleid über. Und dann stand sie vor dem Spiegel. Dieses Kleid, das war nicht Lena. Das war sie einfach nicht. Also kramte sie noch einmal in ihrem Kleiderschrank und entschied sich dann für eine enge schwarze Jeans, einen Hoodie und Boots. „Keep it simple", motivierte sich Lena vor dem Spiegel. Ihre Haare band sie zu einem lockeren Dutt zusammen und tuschte lediglich ihre Wimpern. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es schon 19:50 Uhr war. Lena setzte sich kurz noch einmal aufs Bett und schaute auf ihr Handy. Auf dem Display entdeckte sie einige Nachrichten von der Arbeit und eine von Riku. Lena entsperrte ihr Handy und las Rikus Nachricht: „Tu mir einen Gefallen und vergiss Samu. Er wird Dir nicht gut tun."

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