Kapitel 17

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Ich streckte mich gerade nach meiner Cola auf dem Tisch und schaute auf zu meiner Schwester, die neben mir saß und Erik und Dogan beobachtete, die mit Sascha Fussball spielten.
"Tor, Tor.", brüllte Sascha und riss seine Hände in die Luft "Mama und Tante Vicki habt ihr gesehen, ich habe ein Tor geschossen." Es war so süß wie der Kleine sich freute.
"Ja, du hast die beiden schön ausgespielt.", lobte ich ihn. Sofort nickte er eifrig und schnappte sich wieder den Ball.
"Sag' mal hast du mal wieder was von Alex gehört? Der wollte  doch diese Woche eigentlich zur Messe herkommen?" Kathi schüttelte den Kopf "Nee, er hat sich nicht bei mir gemeldet. Also entweder er hat hier eine Schlummermutti gefunden oder er überfällt uns einfach so." Die Türklingel riss uns aus unserem Gespräch. Kathi stand lachend auf "Wahrscheinlich ist er das jetzt sogar." Ich schaute also weiter den drei Jungs beim Fussball zu und nippte an meiner Cola. Sascha hatte es wirklich geschafft Dogan zu foulen und beide hatten eine Menge Rasenflecken abbekommen.
"Ach, das ist ja schön, dass du auch gleich hier bist, Viktoria." Mein Kopf schoss zur Terrassentür in der meine Mutter zusammen mit meinem Vater stand. Was machten die denn hier? Die waren seit sie vor sieben Jahren die Wohnung hier gekauft hatten nie wieder in Dortmund aufgetaucht. Ich schaute zu Kathi, die jetzt auch hinter ihnen auftauchte und nur mit den Schultern zuckte und genauso überrascht aussah, wie ich mich fühlte. Nicht, dass ich mich nicht freute meine Eltern zu sehen, aber es war schon ziemlich ungewöhnlich für sie. Ich stand auf und lief zu meinen Eltern, um sie zu begrüßen "Was macht ihr denn hier?" Fragen war ja wohl mal erlaubt und neugierig war ich schon immer.
"Wir sind hier zur Messe für die nächsten Tage und da wollten wir die Zeit sinnvoll nutzen und euch einfach einmal besuchen." Okay, war klar, dass sie nicht extra gekommen waren.
"Hallo, wer seid ihr? Ich bin Sascha." Mein kleiner Teddy hielt meinen Eltern seine Hand hin. Tja, meine Eltern hatten bis jetzt noch keine Zeit gehabt ihren Enkel kennenzulernen, sondern sich nur darauf beschränkt immer großzügige und völlig übertriebene Geschenke zu schicken.
"Wir sind deine Großeltern." Meine Mutter beugte sich zu ihm runter und musterte ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue. "Du bist ja ganz schmutzig."
Sascha grinste und zeigte seine Zahnlücke "Ich habe ja auch Fussball gespielt. Und ich habe gewonnen." Der kleine Knirps war einfach so süß.
"Mama, was sind Großeltern?" , fragte er während er meine Eltern neugierig musterte.
"Omas und Opas sind Großeltern." Kathi lächelte ihren Sohn an, der anfing zu hüpfen "Cool, dann seid ihr wie Oma Karin und Christine und Opa Martin und Thomas.  Wie heißt ihr denn?"
Mein Vater räusperte sich "Theodor und Theresa." Sascha griff die Hand von meinem Vater. "Kommst du dann auch mit Fussballspielen, Opa Theodor so wie die anderen Opas?" Der Blick meines Vaters war einfach zum Wegwerfen als er an sich runter schaute. Ich bezweifelte, dass er im Armani Anzug und diesen teuren Lederschuhen mit dem Zwerg spielen würde. Ich war mal auf seine Ausrede gespannt.
"Das geht nicht, der Opa hat es mit dem Knie.", entschuldigte er sich. "Außerdem wollten wir deine Eltern und Tante Viktoria zum Essen einladen." Ach wie ich es doch liebte, wenn er immer meinen ganzen Namen aussprach. Ich liebte es genauso wie meine Ironie.
"Oh klasse, essen. Ich habe ganz dollen Hunger.", quietschte Sascha. "Machst du uns auch Kartoffelpuffer so wie Oma Christine?" Erwartungsvoll schaute der Zwerg meine Mutter an, die sofort den Kopf schüttelte, während mein Vater sein Handy herauszog "Ich reserviere dann schon einmal einen Tisch im Vivre. Ihr könnt euch ja alle noch schnell umziehen. "
"Stop, Papa. Das ist schlecht. Erstens gibt es da nichts vernünftiges für Sascha zu essen und außerdem muss er auch gleich ins Bett.", stoppte meine Schwester unseren Vater sofort. Wer sollte diese Ausrede mit gleich ins Bett meiner Schwester um 15 Uhr eigentlich glauben? Okay, ich hatte jetzt auch nicht wirklich Lust auf einen edlen Fresstempel.
"Außerdem haben wir schon alles zum Grillen vorbereitet und würden uns freuen, wenn ihr uns Gesellschaft leistet. Das ist doch auch viel gemütlicher.", schaltete sich Erik ein, der sich mit Dogan jetzt auch zu uns gesellt hatte. "Hallo, ich bin Erik" Er reichte meinen Eltern die Hand und ich konnte schon sehen, dass er bei meiner Mutter mit Sicherheit nicht den Titel Schwiegersohn des Jahres holen würde. "Ich bin Dogan.", stellte sich jetzt auch Dogan noch vor. Meine Mutter rümpfte ihr wohloperiertes Näschen. "Ja, aber um den Jungen kann sich doch die Nanny kümmern und dann können wir ganz ruhig das Essen genießen."
"Wir haben keine Nanmy. Wir kümmern uns selber um unseren Sohn.", kam es kurzangebunden von meiner Schwester. 
"Wenn ihr euch das nicht leisten könnt, hättet ihr doch nur etwas sagen brauchen. Morgen rufen wir gleich einmal eine Agentur an." War klar, dass meine Mutter es sich nicht vorstellen konnte, dass man sich selber um seine Kinder kümmerte. Wenn es früher möglich gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich sogar eine Leihmutter genommen, um uns auszutragen, damit ihre Figur nicht gelitten hätte.
"Du verstehst es einfach nicht, oder?" Kathi schaute meine Mutter mit funkelnden Augen an. Das bedeutete, sie stand kurz vor der Explosion "Unser Kind ist das wichtigste auf der Welt für uns und deshalb werden wir auch immer die Zeit haben uns selber darum zu kümmern und gegebenenfalls auch auf etwas zu verzichten" Verzicht war mit Sicherheit ein Wort, dass im Wortschatz meiner Eltern nicht vorkam. Erik schien die Spannung zu bemerken und legte seinen Arm um Kathis Taille. "Lasst uns doch erst einmal hinsetzen und etwas trinken." Erstaunlicherweise ging mein Vater sofort auf diesen Vorschlag ein.
"Und Sie sind also der Mann an der Seite von unserer Katharina. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, spielen Sie Fussball. Was wollen Sie denn nach Karriereende machen? Haben Sie denn ein abgeschlossenes Studium oder wenigstens eine Berufsausbildung? " Mein Vater startete sofort eine Fragerunde und Erik fuhr sich leicht überfordert durch seinen Nacken. Seine Wangen schimmerten rötlich "Ja also, eigentlich wollte ich den Trainerschein machen. Und mein Studium habe ich nach dem ersten Semester abgebrochen als ich Profi geworden bin."
"Naja, dann haben Sie ja wenigstens Abitur. Vielleicht erwägen Sie dann ja doch noch ein Studium. Ich könnte da tatkräftige Unterstützung in meiner Firma gebrauchen." Oh prima mein Vater war auf Nachfolgersuche. Dogan beugte sich zu mir "Sind die immer so herzlich und so anstrengend?", flüsterte er mir ins Ohr. Ich nickte grinsend.
"Und Sie sind dann wohl der Freund von unserer Viktoria.", wandte sich mein Vater plötzlich an uns. Oh, oh ich ahnte Böses. "Ihr Name lässt vermuten, dass Sie aus dem nicht europäischen Ausland sind." Warum hörte sich das eigentlich gerade so abwertend an. Dogan nickte "Meine Familie kommt aus der Türkei, aber ich bin in Deutschland geboren und habe die deutsche Staatsangehörigkeit." Und warum hatte ich den Eindruck Dogan verteidigte sich? Irgendwie reichte es mir gerade "Genaugenommen ist Dogan eigentlich sogar Kurde." Ich hörte wie meine Vater laut den Atem einzog. Wahrscheinlich hatte er jetzt gerade das Bild von irgendwelchen Widerstandskämpfern und PKK Mitgliedern im Kopf oder noch schlimmer von Terroristen mit Sprenggürteln.  "Dann sind Sie ja Moslem.", kam es spitz von meiner Mutter. Was sollte der scheiß? Sie war doch selber nur scheinheilig und nicht gläubig. Irgendwie geriet das alles hier ganz schön in Schieflage. Ich brauchte dringend ein anderes Thema, ehe das hier ausartete.
"Und Sascha, was hast du heute im Kindergarten gemacht?" Teddy fing sofort ausgiebig an zu erzählen und hatte die uneingeschränkte Aufmerksamkei von wenigstens vier Erwachsenen, nämlich von Kathi, Erik, Dogan und mir. 
"Sascha, bist du eigentlich evangelisch oder Katholisch?", mischte sich irgendwann meine Mutter in das Gespräch. Das war doch noch einmal ein  Seitenhieb auf Dogan. Außerdem wieso wusste sie nicht einmal, welchem Glauben ihr Enkel angehörte? Ach ja, weil sie ja keine Zeit hatte zur Taufe zu kommen. Sascha kratze sich kurz am Hinterkopf eher er strahlend antwortete "Ich bin deutsch, aber Papa und Mama sprechen auch englisch." Ich schaute zu meiner Mutter und ihr verwirrter Gesichtsausdruck gab mir den Rest als ich losprustete, auch Kathi und Erik konnten sich nicht halten. Nur Dogan hatte sich im Griff. Das konnte heute echt noch ein spannender Abend werden.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt