Kapitel 3

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Ich fletzte mich gerade gemütlich auf das Sofa im Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein, als ich die Tür schließen hörte. Verflucht, wie lange hatte ich heute die Bude geputzt, wenn Dogan schon Feierabend hatte. Ich griff nach meinem Handy, um zu schauen wie spät es war. Eine große 14:00 leuchtete mir entgegen. Ich atmete auf. Dann hatte ich glücklicherweise doch keinen unheilbaren Putzanfall gehabt und alles war im normal Rahmen geblieben. Aber halt, mal stop. Nichts war normal. Dogan kam nie vor 18 Uhr nach Hause. Gerade als ich aufspringen wollte und zu ihm rennen, vibrierte mein Handy. Was wollte denn meine liebreizende Schwester? Ich öffnete schnell die Nachricht. "Danke, dass du Sascha aus unserer Kita abholst. Hast was gut bei mir, Bussi Kathi." Das war ja mal typisch. Sie setzte es einfach voraus, ohne zu fragen. Dieses Luder wusste ganz genau, dass ich niemals nein sagen konnte, wenn es um meinen kleinen Teddy ging.
"Na Muffin, hat dir gerade Kathi geschrieben?", grinste mich Dogan an. Ich zog meine Stirn kraus "Bist du unter die Hellseher gegangen?" Er fing an zu lachen. "Nö, aber vorhin hat Erik panisch vor mir gestanden und mich quasi angefleht Sascha von der Kita abzuholen." Im nächsten Moment kam auch schon mein kleiner Lieblingsneffe durch die Tür gerannt und sprang zu mir auf die Couch. Genaugenommen war er ja mein einziger Neffe, also zumindest offiziell. Bei meinem Bruder wusste man ja nie, wo er überall seine Samen verstreut hatte. Wahrscheinlich durfte er kein Kind in Berlin anmeckern, weil es ja sein eigenes sein könnte. Ich musste grinsen. Egal wieviele Neffen oder Nichten ich jemals haben würde. Sascha wäre immer mein Teddy und mein Liebling, weil er der erste war. Alleine schon seine dunkelbraunen Augen. Später würden die Mädels garantiert der Reihe nach umkippen. Ich wuschelte dem Zwerg durch die Haare.
"Man Tante Vicki, jetzt ist doch meine ganze Frisur im Eimer. Papa hatte die so schön gegelt." Empört schüttelte der kleine den Kopf. Ich schaute zu Dogan, der auch grinste und sich über seinen kurzrasierten Kopf fuhr "Ein Glück, dass ich das Problem nicht habe. Aber er kommt da ganz nach seinem Papa. Bei dem müssen die Haare auch immer perfekt sitzen." Naja genetisch bedingt war das jetzt nicht, denn Erik war ja nicht der biologische Vater, aber glücklicherweise machte die Erziehung viel mehr aus als die Gene. Erik war wirklich das perfekte Vorbild für den Kleinen und niemand würde jemals auf die Idee kommen, dass es sich bei den beiden nicht um Vater und Sohn handelte. Ich musste Kathi direkt mal fragen, ob sich sein richtiger Vater mal wieder gemeldet hatte. Der bekam nämlich nur ab und zu sporadisch die Idee kleine Störfeuer abbrennen zu lassen. Glücklicherweise wurden die dann immer ganz schnell im Keim erstickt.
"Ich habe voll Hunger. Gehen wir zu Burger King?" Zwei große Teddy Augen schauten mich bettelnd an. Wenn ich dem jetzt nachgab würde meine Schwester wieder ziemlich sauer werden. Sie bestand auf gesunde Ernährung. Aber ehrlich gesagt war mir das gerade ziemlich egal, denn diesen Augen konnte ich auf keinen Fall widerstehen. Außerdem konnte ich ja einen Salat und eine Fruchttüte dazunehmen. Dann war das auch gesund. Ich klopfte mir innerlich auf die Schulter.
"Nö." Sofort zog der Zwerg eine Schnute und verschränkte seine Arme vor der Brust. "Wir gehen zu Mc Donalds.", grinste ich. "Jeepee." Sascha klatschte strahlend in seine Hände und sprang auf "Ich ziehe schon mal Schuhe an." Dogan schaute ihm lachend hinterher. "Was hälst du davon, wenn wir danach noch in den Zoo gehen? Erik meinte Kathi und er hätten noch einen wichtigen Termin und würden Sascha um 20 Uhr erst abholen können." Ich sprang auch von der Couch auf und schlidderte auf den Socken Richtung Flur "Na dann hopphopp, Cookiemonster." Im vorbeischliddern gab ich ihm ein Klaps auf seinen Hintern.

"Oh, schaut mal, das Lama." Sascha rannte vor uns zu dem Gehege.
"Pass auf, dass es dich nicht anspuckt.", lachte ich. Es war schön zu sehen, wie viel Spaß ihm der Besuch im Zoo machte. Er rannte vor uns her von einem Gehege zum nächsten.
"Wünschst du dir auch manchmal ein eigenes Kind?" Dogan blieb neben mir stehen und schaute mich an. Irgendwie konnte ich mir irgendwann schon so einen kleinen eigenen Zwerg vorstellen. Ich wollte auf alle Fälle mal ein Kind haben. Die Frage war nur noch, wo ich den Samenspender herbekam, denn ich hatte bestimmt keine Lust mich von irgendeinem Kerl in eine Beziehung zwängen und bevormunden zu lassen, damit es seinem Ego gut ging. Nee, eine Heirat kam für mich garantiert nicht in Frage. Aber glücklicherweise musste ich mich mit dem Thema ja jetzt nicht beschäftigen, denn jetzt würde ich erst einmal in meinem neuen Job durchstarten.
"Irgendwann schon, aber nicht jetzt.", fiel mir deshalb auch die Antwort nicht schwer.
"Das ist gut." Man konnte fast das Gefühl haben, dass Dogan aufgeatmet hatte. Auch wenn ich ihn  jetzt schon über fünf Jahre kannte, war er mir manchmal, besonders in letzter Zeit ein echtes Rätsel. Wir schauten zu Sascha "Können wir zum Spielplatz.", rief er uns zu, ehe er schon wieder losstürmte. Dogan griff meine Hand "Na dann auf zum Spielplatz." Und schon rannten wir dem Zwerg hinterher.
"Dogan, kannst du mich auf der Schaukel anschubsen?" Sascha ließ seine Beine baumeln und wartete grinsend auf seinen Schaukelsklaven. Ich setzte mich auf die Bank, die gegenüber von der Schaukel am Rand des Spielplatzes stand. Es war wirklich schön den beiden zuzuschauen. Sie waren völlig entspannt. Dogan schubste den Kleinen immer an und der quietschte nur so vor Vergnügen. Das war einfach total sweet die beiden so zu sehen. Ich konnte meinen Blick erst von den beiden nehmen als ich von der Seite angesprochen wurde.
"Ist hier noch frei?" Eine ältere Dame setzte sich neben mich nachdem ich ihr zugenickt hatte. "Ach, ich schaue immer gerne den Kindern beim Spielen zu. Das erinnert mich immer an meine Kinder als sie noch klein waren. Leider lebt meine Tochter jetzt mit meinen Enkeln in Australien und mein Sohn in Japan."
Ich richtete meinen Blick wieder zu meinen beiden Jungs, die immer noch ihr Vergnügen hatten. Dogan zwinkerte mir grinsend zu.
"So wie ihr Mann sie verliebt anhimmelt, sollten sie ganz schnell dafür sorgen, dass der kleine kein Einzelkind bleibt.", lachte meine Sitznachbarin. Ich schaute schockiert zu ihr. Was hatte sie gerade gesagt? Dogan himmelte mich doch nicht verliebt an. "Das ist nicht mein Kind, das ist nur mein Neffe." Das musste ja mal geklärt werden.
"Na dann wird es aber Zeit für ein eigenes von Ihnen beiden.", grinste sie während sich immer mehr Lachfalten in ihrem Gesicht bildeten und sie wieder aufstand und weiterging. Jetzt fiel mir ja fast der Kiefer runter. Die Alte musste ja wohl mal zum Augenarzt. Jeder Blinde mit einem Krückstock sah doch wohl, dass wir nur beste Freunde waren. Die hatte doch einen Vollknall. Wer weiß, wo die ausgebrochen war.
"Was schaust du denn so grummelig, Muffin? Ist irgendetwas?" Dogan kniete sich plötzlich vor mir hin und griff meine Hände während er mich besorgt anschaute. Was sollte ich denn jetzt sagen? Das mich eine alte Frau blöd angequatscht hat. Wohl nicht.
"Alles bestens, Cookiemonster." Dogan zog meine Hände an seinen Mund und drückte mir auf jeden Handrücken einen Kuss "Dann ist ja gut, Muffin." Er schaute mich immer noch zweifelnd an als er wieder aufstand und zu Sascha zurück lief. Ich schüttelte meinen Kopf. Was war das denn eben?

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt