Kapitel 141

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"Sind auch genug Stühle da? Und die Blumen. Wo ist Helins Brautstrauß?" Ich rannte hinter meinem Bruder her, der wie ein angestochener Stier durch die Gegend lief. Momentan war ich glücklich, dass diese Trauung am Strand stattfand und wegen des Sands auf Schuhe verzichtet werden konnte. Mit Pumps wäre ich sonst chancenlos gewesen an dem Kerl dran zu bleiben. Schon wieder schlug er einen Haken und lief zu den Tischen, die im hinteren Bereich aufgestellt waren. "Wir brauchen mehr Champus." Ich griff mir ein Glas von einem Tablett, das auf dem hohen Stehtisch stand und drückte es meinem Bruder in die Hand. "So, jetzt trinke das erst einmal, bevor du vor Nervosität durchdrehst." Er schaute mich empört an "Ich bin überhaupt nicht nervös. Ich bin die Ruhe selbst." Trotzdem schüttete er das Glas in einem Zug runter, ehe er schon wieder los marschierte "Die Blumengirlanden sind ja völlig schief. Welche Dilettanten haben die denn aufgehängt?" Ich schaute zu dem Blumenbogen unter dem das Brautpaar getraut werden sollte. Also ehrlich gesagt, hätte man an den dort angebrachten Blumengirlanden wahrscheinlich Wasserwaaagen eichen können. "Wo ist denn nun der Brautstrauß?" Der Kerl machte mich echt irre. Warum hatte ich kein Baldrian gekauft? "Der ist bei Helin. Und jetzt komm' mal her." Ausnahmsweise, tat mein Bruder wie befohlen. Ich schlang meine Arme um ihn und drückte ihn an mich. "Es wird alles perfekt sein. Und das wichtigste ist doch, dass ihr euch liebt.", redete ich auf ihn wie auf einen Fünfjährigen ein. Er nickte kurz "Es muss auch alles perfekt sein. Ich will das auf keinen Fall verkacken. Nachher überlegt es sich Helin noch einmal anders. Weißt du, sie ist so total perfekt. Ich könnte gar nicht mehr ohne sie sein." So an sich zweifelnd hatte ich meinen Bruder noch nie erlebt. Eigentlich hatte ich mich immer eher gefragt, ob er mit seinem Riesenego überhaupt durch alle Türen passt.
"Da brauchst du keine Angst haben. Sie kann ja nicht mehr einen Rückzieher machen, schließlich habt ihr ja schon vor zwei Wochen standesamtlich geheiratet und das ist nur noch eine freie Trauung. Also wenn dann verkackst du das nicht heute sondern ein anderes Mal. Aber ehrlich gesagt. zweifele ich sowieso an Helins Verstand, dass sie dich genommen hat." Mein Bruder zog seine Augen zu engen Schlitzen "Sehr witzig, Schnattchen. Warte mal, bis du heiratest. Da werde ich mich dann auch an deinem Leid ergötzen." Ich musste lachen "Na dann warte mal nicht zu lange darauf. Du weißt, dass ich niemals heirate."
"Ach, da seid ihr ja." Meine Mutter umarmte erst mich und dann Alex. Irgendwie war das immer noch ziemlich ungewohnt für mich. "Du siehst in deinem weißen Anzug wirklich atemberaubend aus." Sie strich über das seidige Revers und richtete noch einmal die Fliege meines Bruders "Helin kann sich glücklich schätzen so einen tollen Mann zu bekommen." Manno, meine Mutter verwirrte mich immer mehr. Wo war diese eiskalte Frau hin?
"Wann seid ihr eigentlich angekommen?" Bestimmt war mein Vater heute morgen noch im Büro und sie waren erst vor einer Stunde gelandet. Das war halt der Vorteil eines Privatjets.
"Wir sind schon vorgestern morgen angekommen. Man muss sich ja auch ein wenig aklimatisieren." Wie hatte sie das denn geschafft, dass mein Vater sich früher frei gemacht hatte? Ich schaute mich um und stellte fest, dass sich plötzlich alles gefüllt hatte. So wie es aussah, waren so langsam alle Gäste da. "Wo sind die Ringe?" Schon wieder klopfte mein Bruder seine ganzen Taschen ab. "Die habe ich in meiner Handtasche." Ich klopfte mit meiner Hand auf eben diese. "Bist du dir sicher. Zeige sie mal her."
"Vergiss es. So zappelig wie du bist, lässt du die noch fallen und dann können wir erst einmal den Strand umbuddeln." Ehe er weiter protestieren konnte, kam der Redner zu uns "Würden Sie jetzt bitte mit nach vorne kommen. Die Braut wäre soweit." Ich drehte mich um und stellte fest, dass schon alle auf ihren Plätzen saßen.
"Na los, Großer. Du packst das schon." Ich richtete noch einmal sein Sträußchen an seinem Revers und hakte mich unter als wir zu dem Art Altar liefen. Neben uns hörte ich den Verschluß einer Kamera mehrfach klicken und zauberte mir schnell ein Lächeln ins Gesicht. Gerade als wir standen, ertönte auch schon Musik. Keine Ahnung, was oder wer das war, aber es hörte sich voll chillig an. Ich drehte mich um und da stand Helin am Arm ihres Bruders. Das weiße lange Kleid wehte leicht im Wind und in ihren Haaren hatte sie ein Kranz aus weißen Blumen passend zu ihrem Brautstrauß. In der ersten Reihe war Lisa schon mächtig am Schniefen. Als sie jetzt auf uns zukam, liefen vor ihr die beiden Reus Mädels -wobei diese eher hüpften- gefolgt von Leokardia und Sascha, der total angestrengt guckte, während er die Blumen streute. Die vier sahen wie süße kleine Hippies aus.
Mein Blick fiel zu meinem Bruder, dem eine Träne über die Wange rollte, die er sich versuchte verstohlen wegzuwischen. Das war echt unglaublich. So hatte ich meinen Bruder noch nie erlebt. Was Liebe doch ausmachte. Irgendwie änderte sich doch alles, wenn man diese eine ganz besondere Person traf. Ich schaute zu Meinem Plüschhasen, der mich auch gerade anschaute und mir zuzwinkerte.
Der wahrscheinlich bewegenste Moment war der als Helin endlich neben ihm stand. Sofort griff der große starke Lexi wie ein Ertrinkender nach ihrer Hand und drückte einen Kuss in ihre Handfläche. Helin strahlte ihn nicht weniger glücklich und verstrahlt an.
"Wir haben uns hier versammelt...." fing auch schon der Redner an. Ich versuchte der Rede zu folgen, aber irgendwie machten sich meine Gedanken immer selbstständig und schweiften ab. Ich schaute zu MP, der die Trauung wie gebannt verfolgte. Ob er wohl irgendwann auch einmal heiraten wollte? Was würde dann aus unserer ganz speziellen Freundschaft werden? Ich musste daran denken wie mein Bruder vorhin gesagt hatte, dass er sich sein Leben nicht mehr ohne Helin vorstellen konnte. Konnte ich mir mein Leben noch ohne MP vorstellen? Ehrlich gesagt nicht. Ich vermisste meinen besten Freund ja schon, wenn ich ihn ein paar Stunden nicht sah. Ich könnte es niemals ertragen, wenn wir nicht mehr ständig zusammen wären. Es wäre für mich ja sogar unvorstellbar wieder in mein Dachgeschoss zu ziehen und nicht bei ihm zu wohnen. Ach du heiliger Amor. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Ich hatte mich in meinen allerbesten Freund verknallt. Das war doch totaler Mist und total gegen unsere Abmachung mit der Freundschaft plus. Hoffentlich bekam er das nicht mit, sonst ergriff er noch die Flucht.
"Die Ringe.", knurrte mein Bruder leise und stupste mich an. Schnell holte ich sie aus der Tasche und reichte sie ihm, als schon wieder mein Gedankenkarussell einsetzte. Nein, ich konnte nicht in Meinen Plüschhasen verliebt sein. Das war ja totaler Quatsch. Ich war doch kein Mensch für eine Beziehung. Vielleicht noch für eine Ehe wie meine Geschwister. Das war ja lachhaft.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt