Kapitel 81

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Kathi schaute mich wie ein Rehkitz im Scheinwerferlicht an und wieder liefen ihr Tränen über die Wangen. Mist, warum konnte ich mich nicht einfach zurückhalten? Warum konnte ich nicht einfach akzeptieren, dass meine Schwester geheiratet hatte und es mir einfach verschwieg. Ich spürte wieder dieses Gefühl in mir. Es fühlte sich wie ein glühender Pfeil an, der in meiner Brust steckte. Ich hatte doch immer hinter ihr gestanden und sie unterstützt. Ich war für sie da als erst Erik und dann Marco sie sitzen gelassen hatten. Warum also hatte sie kein Vertrauen zu mir?
"Bin ich so unwichtig für dich? War ich es nicht wert, es zu erfahren? Wer weiß es denn alles und lacht sich über deine dumme Schwester tot?" Ich funkelte sie wütend und enttäuscht an.
"Um Gottes Willen nein. Es wusste bis vorgestern nur unser Anwalt. Und du bist weder dumm noch unwichtig." Kathi sprang von ihrem Stuhl und schlang ihre Arme um meinen Hals "Du bist zusammen mit Erik, Sascha und Lexi der wichtigste Mensch in meinem Leben. Sage nie wieder du bist unwichtig." Ich spürte ihre von Tränen nasse Wange an meinem Hals, während sie sich an mich drückte. "Es tut mir so, so leid, dass wir dich so verletzt haben. Das wollten wir niemals. Ich würde das sofort rückgängig machen, wenn ich könnte." Bei den Worten meiner Schwester fingen auch meine Tränen wieder an zu kullern und ich drückte sie ganz fest an mich. Nach einigen Minuten waren unsere Tränenbäche getrocknet und Kathi setzte sich wieder auf ihren Platz. Trotzdem brannte mir immer noch eine Frage auf der Zunge "Warum habt ihr das so lange geheimgehalten?" Kathi fing an ihren Zopf um den Finger zu drehen "Naja, am Anfang fanden wir es ganz witzig und haben immer darauf gewartet, wann ihr endlich von alleine darauf kommt. Denn eigentlich wäre es gar nicht so schwer gewesen. In der Firma habe ich immer mit Durm unterschrieben und mich sogar am Telefon gemeldet. Das hätte dir eigentlich auffallen können.", grinste meine Schwester "Aber irgendwann ging immer mehr Zeit ins Land und keiner hat es gemerkt. Da kommst du dann nach zwei Jahren auch nicht um die Ecke und sagst, Überraschung, Überraschung wir sind verheiratet. Wir haben einfach den richtigen Zeitpunkt verschwitzt." Ich schüttelte den Kopf zum einen über meine Dummheit und zum anderen über diese beiden Dummköpfe "Ich habe das echt nie bemerkt mit der Unterschrift und das mit dem Telefon schon gar nicht. Aber wie lange hättet ihr das jetzt noch durchgezogen? Hätte ich es dann erst an deinem Grab erfahren, oder wie?"
Kathi zuckte mit den Schultern "Keine Ahnung. Wir haben uns da nie einen Kopf drüber gemacht, aber im blödesten Fall schon." Jetzt mussten wir doch beide lachen.
"So, jetzt will ich aber ganz in Ruhe die Fotos sehen und alles bis ins kleinste Detail erzählt bekommen. Auch die Hochzeitsnacht." Ich wackelte mit meinen Augenbrauen. Scheinbar hatte meine Schwester schon damit gerechnet, denn sie zog das Fotoalbum neben sich hervor.
"Schau mal, das ist die Katharina. Ein wunderschöner alter Dreimaster." Das Schiff war wirklich ein absoluter Traum. Kathi zeigte auf das nächste Bild "Und das ist Alfonso, ihm gehört das Schiff und das ist Pablo, der Kapitän." Die beiden älteren Herren sahen wirklich sehr sympathisch aus. Als wir am Ende der Fotos angekommen waren, war ich mir sicher, dass meine Schwester wirklich eine absolute Traumhochzeit hatte. Wie sollte man die nicht haben, auf so einem wunderschön geschmückten Schiff?
"Das Schiff ist echt der Hammer. Und ihr fahrt da immer noch jedes Jahr hin, oder?" Meine Schwester nickte grinsend "Klar, das ist immer der schönste Teil der Ferien. Und es ist schön unsere Freunde wiederzutreffen und die Zeit mit ihnen auf dem Meer zu genießen. Du glaubst ja nicht, wie wohl Sascha sich da immer fühlt. Er wird aber auch von Alfonso, Pablo und vorallem Maria total verwöhnt. Wir essen die ganze Woche nur sein Lieblingsessen." Ich stellte mir gerade vor, wie mein kleiner Teddy dort über das Schiff hüpfte.
"Das nächste Mal will ich als Entschädigung auch mit." Ich zog einen Schmollmund.
"Na klar, Alfonso wird sich riesig freuen. Ich habe ihm schon so viel von dir erzählt." Ich schaute meine Schweater mit großen Augen an
"Im ernst?" Sie grinste frech "Nee, im Dieter. Guck nicht so blöd, ist doch klar, dass ich ihm von meiner tollen Schwester erzählt habe. Ich bin voll stolz auf dich. Und er hat schon ein paar Mal gefragt, wann du endlich einmal mitkommst." Ich streckte meine Siegerfaust gen Himmel "Yeah, Malle, ich komme. Und falls die Welt jemals untergehen sollte und ich meinen Verstand völlig verliere und auf die absurdeste aller Ideen kommen sollte zu heiraten, dann nur auf der Katharina." Meine Schwester fing an zu lachen "Falls du also jemals zu Verstand kommst, nehme ich dich beim Wort. Warum bist du gestern eigentlich nicht schon vorbeigekommen? Du hattest doch frei."
"Ich hatte zu tun." Bei dem Gedanken an das, was ich getan hatte, schlich sich ein Grinsen in mein Gesicht. Mein Plüschtiger und ich hatten den ganzen Tag mehr oder weniger kuschelnd verbracht. Okay, ein paar Mal waren wir auch mit Nino Gassi, aber ansonsten war es eher ein gemütlicher Tag gewesen. Naja, obwohl, manchmal waren wir auch ziemlich aktiv. Meine Schwester musterte mich und sprang plötzlich auf "Was ist das denn? Deshalb grinst du so grenzdebil und hattest gestern keine Zeit." Sie tippte mit ihrem Finger an meinen Hals "Von wem ist der Knutschfleck? Und jetzt will ich alles wissen." Ich hatte nicht im geringsten vor, ihr etwas über mein freundschaftliches Plus-Verhältnis zu erzählen. Das würde sie garantiert nicht verstehen. Und noch viel weniger wollte ich erzählen, wer derjenige war, sonst würde sie garantiert versuchen ihre Finger da mit reinzustecken. Und das fehlte mir garantiert noch.
"Das erfährst du dann an meinem heimlichen fünften Hochzeitstag.", zwinkerte ich ihr zu. So ein bisschen Revanche musste schon sein. Gerade als meine Schwester wieder ansetzen wollte, kam Sascha zusammem mit Erik auf die Terrasse.
"Und wieder alles okay?" Mein Schwager schaute zwischen uns hin und her.
Kathi sprang auf und fiel meinem nun nicht mehr Schwager in spe um den Hals "Ja, alles supi.", quietschte sie und übersäte sein Gesicht mit Küssen "Und Vicki kommt nächstes Mal mit zu Alfonso und dann heiratet sie den Kerl der ihr den Knutschfleck gemacht hat."
"Was für einen Knutschfleck?" Erik schaute seine Frau leicht verpeilt an.
"Na, da an ihrem Hals." Kathi lief total überdreht zu mir und tippte mit ihrem Finger darauf. Vielen Dank auch. Musste sie das jetzt so an die große Glocke hängen? "Wie lange hattest du schon keinen Kerl mehr? Fünf Jahre?" Wenn sie jetzt nicht gleich den Mund hielt, würde ich ihr doch noch den Hals umdrehen. Ich spürte wie mir die Hitze in die Wangen schoss.
"Schau nur, wie peinlich ihr das ist. Dann hat das definitiv mehr zu bedeuten." Ich konnte die aufgedrehte Freude meiner Schwester gerade überhaupt nicht nachvollziehen.
"Ich gehe dann mal lieber." Das war mit Sicherheit für uns alle gesünder. Außerdem hatte ich Meinem Problemberater ja versprochen noch Bericht zu erstatten, wie es gelaufen war. Glücklicherweise hatte ich schon geahnt, dass es länger dauerte und ihm die Schlüssel für meine Wohnung nach dem Training zugesteckt, damit er sich um Nino kümmerte.
"Na, dann wünsche ich dir nachher noch viel Spaß.", zwinkerte mir Erik zu, als ich mich verabschiedete. Die beiden waren doch echt dämlich.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt