Kapitel 39

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"Nun stehen Sie doch hier nicht so im Weg herum. Meine Tochter ist schwer verletzt." Roman schubste eine Frau, die gerade mit einem Baby auf dem Arm an der Anmeldung stand, beiseite.
"Ja, was ist es denn diesmal, Herr Bürki? Hat Leo einen Splitter im Finger?", lächelte uns die Schwester an der Anmeldung entgegen. Tja, so hatte ich mir meinen freien Nachmittag nicht vorgestellte gehabt, aber nachdem Marco mit seinen Mädels verschwunden war und mir die Jungs auf's Auge gedrückt hatte, war Leo auf noch vom Pferd gefallen. Das war ja auch kein Wunder, so wie sie darauf gezappelt hatte. Dumm war nur, dass sie auf ihren Arm gefallen war. Ich tippte mal schwer auf einen Bruch. Roman war total am Durchdrehen vor Panik. Ich konnte ihn gerade noch abhalten sofort den Notarzt zu rufen. Aber Autofahren konnte ich ihn auch nicht lassen, also war ich gefahren und stand jetzt mit drei Jungen im Schlepptau hinter ihm, wobei Maxi die ganze Zeit versuchte Leokardia zu trösten. Wahrscheinlich boten wir ein Bild für Götter.
"Na dann kommen Sie mal mit." Die Schwester lief los. Also würde ich mich erst einmal ins Wartezimmer pflanzen und die Kiddies beschäftigen. Gerade als ich abdrehen wollte, zog mich die Schwester am Ärmel "Nee, nee Sie kommen mal schön mit. Ich brauche jemand, der den Kerl ablenkt, sonst lässt er uns wieder kaum an seine Tochter ran. Sie glauben ja nicht, letztes Mal hatte Frau Bürki ordentlich zu tun als wir Blut abnehmen mussten, ist er uns echt aus den Latschen gekippt. Und bei der Impfung als seine Tochter angefangen hat zu heulen, wollte er meine Kollegin verklagen." Ach du heiliger Samariter. Auf was hatte ich mich da eingelassen? Na toll, jetzt musste ich mich um drei halbwegs zivilisierte Jungs und ein Riesenbaby kümmern. Erleichtert sah ich Marco mit den beiden Mädels, die jede strahlend einen Lolly in der Hand hielten auf uns zukommen.
"Was macht ihr denn hier?" Marco schaute von einem zum anderen "Warum hyperventiliert der Große denn fast?" Mir war jetzt nicht klar, ob er Maxi oder Roman meinte, denn es traf irgendwie auf beide zu.
"Leo ist vom Pferd gefallen. Kannst du die Jungs mitnehmen?"
"Ach, du Schei..... ähm" Marco schaute zu seinen Mädels und nickte "Scheinwerfer " Hä, was meinte er denn damit. Erst da fiel mir wieder das Schimpfwortverbot in der Nähe der Mädels ein und ich musste grinsen.
"Papa, siehst du, reiten ist viel zu gefährlich.", erklang es zweistimmig. Die beiden Biester waren ja mal so helle.
"Kommen Sie jetzt bitte. Ich kann sonst für nichts garantieren." Unsanft wurde ich weiter in das Behandelungszimmer gezogen.
"Hallo, ich bin Doktor Anders.", stellte sich mir ein älterer Herr vor. "Und Leo, was ist den passiert?"
"Das blöde Pferd hat mich runtergeworfen.", meckerte Leo.
"Ja, meine Tochter ist auf ihren Arm gefallen und hat dann aufgeschrien. Ich wollte ja eigentlich den Notarzt rufen. Man weiß ja nicht, ob sie innere Blutungen hat.", Roman quaselte wie ein Wasserfall und der Arzt schaute mich an und zog seine Augenbrauen fast bis zum Ansatz "Wie groß war denn das Pferd?" Als ich an das kleine Shettlandpony dachte, musste ich mir ein Lachen verkneifen und zeigte bis zu meinem Oberschenkel.
"Na, da ist ja dann nicht viel zu befürchten.", grinste auch der Arzt und nahm sich Leos Arm vor. Als die Kleine einmal aufquietschte musste ich Roman zurückziehen "Was machen Sie denn da. Lassen Sie sofort meine Tochter los, Sie Rohling." Er wollte allen ernstes auf den Arzt losgehen.
"Ja, also das ist ein glatter Bruch würde ich sagen. Aber wir röntgen das noch zur Sicherheit. Und dann bekommst du einen Gips.", wandte er sich an Leo "Wenn du möchtest bekommst du auch einen pinken." Leo schüttelte sofort den Kopf "Ich will aber einen schwarzgelben." Der Arzt lächelte zur Schwester "Meinst du, das bekommst du hin Petra?" Auch die Schwester schmunzelte "Na klar, das ist doch eines meiner einfachsten Übungen."
"Und Sie kommen dann nachher noch einmal kurz zu mir, damit wir besprechen können wann Sie wieder kommen müssen.", verabschiedete er sich erst einmal von Roman und mir.
"So, Herr Bürki. Es ist also ein glatter Bruch, wie ich es erwartet hatte." Der Arzt deutete auf die Röntgenbilder vor uns.
"Sind Sie sich sicher, dass es nicht komplizierter ist und vielleicht doch irgendwo noch ein Knochensplitter steckt?" Ich schaute zu Roman, der ein ganz besorgtes Gesicht machte. Also jeder Laie konnte diesen glatten Bruch auf dem Bild sehen. Wie hielt es Jasi eigentlich mit diesem Kerl aus?
"Und sollte meine Tochter nicht zur Sicherheit lieber mindestens eine Nacht im Krankenhaus überwacht werden?" Na, die würden sich ja freuen. Der Arzt schüttelte nur schmunzelnd den Kopf.  "Das ist nicht nötig." So ruhig wie der blieb, hatte der bestimmt vorher von der Schwester etwas Baldrian bekommen. Ich sollte sie mal danach fragen, damit ich Roman für die Heimfahrt ruhig stellen konnte.
"Aber dann machen Sie wenigstens zur Sicherheit noch einen Ultraschall, nicht dass sie doch noch innere Verletzungen hat." Der Arzt zwinkerte mir zu und deutete mit seinem Kopf zum Fenster. Ich folgte seinem Blick und konnte meinen Augrn kaum trauen.
"Das hat Schwester Petra schon gemacht. Glauben Sie mir, Ihrer Tochter geht es schon wieder richtig gut. Schauen Sie doch." Diesmal zeigte er raus in seinen Garten und Roman schaute auch aus dem Fenster, ehe er schockiert nach Luft schnappte. Das nächste was ich mitbekam war aufgewirbelter Staub und eine knallende Tür.
"Leokardia, vorsicht, bleib wo du bist." Roman sprintete brüllend durch den Garten zu dem Baum in dem Leo fröhlich mit ihrem Gipsarm herumkletterte.
"Es ist immer wieder erstaunlich, wie übertrieben die Väter ihre Töchter verhätscheln. Ich hatte eben schon so einen Fall, da war der Vater allen ernstes der Meinung seine Tochter würde dem Wundstarkrampf zum Opfer fallen, wenn wir ihr nicht sofort eine Tetanusspritze wegen ihres aufgescheuerten Hackens geben würden." Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, da ich mir ziemlich sicher war, diesen Vater zu kennen. "Ich verstehe nicht, warum die Väter nicht einfach zufrieden sein können, dass ihren Töchtern nichts schlimmeres passiert ist. Aber wehe ihre Söhne heulen, weil sie etwas wirklich schlimmes haben. Es war wirklich noch viel einfacher für mich in den guten alten Zeiten, als es noch die Aufgabe der Mütter war, sich um die Kinder zu kümmern. Bevor man auf den Mist mit dieser Elternzeit auch für Väter kam. Da hat niemand an uns und unsere erschwerte Arbeit gedacht. Hoffentlich kommen  heute nur noch Mütter in die Sprechstunde, sonst gehe ich wirklich bald in den vorgezogenen Ruhestand.", stöhnte er leicht genervt, bevor er sich verabschiedete. Ich schaute noch einmal aus dem Fenster, wo Roman gerade sein widerstrebendes Töchterchen aus dem Baum pflückte und auf sie einredete.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt