Kapitel 111

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Nachdem die Küchenfeen fertig waren, saßen wir alle im Wohnzimmer vor dem Kamin. Sascha zergelte mit Nino und Emma an einem Spielzeug herum. "Menschenskinder, wir haben ja noch gar nichts geschmückt." Christine sprang hektisch auf und lief zu ihrem Zimmer. Ich schaute ihr skeptisch hinterher. Was und vorallem wie wollte sie schmücken? Wenn sie  mit irgendwelchen Luftschlangen ankam, würde meine Mutter sie wahrscheinlich hochkant rausschmeißen, weil sie damit ihre teure Einrichtung verschandelte. Meine Schwester schaute ihrer Schwiegermutter auch skeptisch nach, während die Männer in ein Gespräch über hochmotorisierte Autos vertieft waren und überhaupt nichts mitbekamen.
"Los, jetzt mal alle den Hintern hoch und schmücken." Christine schmiss jedem von uns ein Paket Luftschlangen zu.
"Auja, Oma. Ich möchte auch welche haben." Sascha kam sofort flankiert von zwei Hunden angesprungen. Natürlich bekam er sogar sofort zwei Pakete von seiner Oma in die Hand gedrückt. Ich wartete gerade auf den Empörungssturm meiner Mutter, die das Paket in ihrer Hand hin und her drehte. 
"Mensch , macht doch mal Musik an, damit wir besser in Stimmung kommen." Silvi schaute ihren Sohn auffordernd an, der sich aber lieber mit den Luftschlangen beschäftigte. Mein Vater griff aber zu der Fernbedinung und das Soundsystem startete. So wie plötzlich Mozart aus jeder Ecke scholl, waren garantiert unzählige Lautsprecher in jedem kleinsten Eckchen des Raums verbaut. Ich wollte gar nicht wissen, was das gekostet haben mochte. Auf alle Fälle war es ein echtes Klangerlebnis. Jedenfalls, wenn man auf diese klassische Musik stand und es einen nicht störte, dass Papagena einem die Ohren wegbließ.
"Doch nicht solche, sondern so klasische Silvestermusik, die für gute Stimmung sorgt. Habt ihr nicht was von Helene Fischer oder so etwas ganz Altes von Gottlieb Wendehals oder wenigstens ein bisschen Neue Deutsche Welle?", mischte sich nun auch Christine ein. "Dazu kann man ja nicht einmal tanzen." Ich erwartet einen Empörungsschrei meiner Mutter, aber nichts passierte. Wieso schockierten sie die Musikwünsche nicht und bei dem Gedanken, dass in ihrem edlen Wohnzimmer zu Hauduckenmusik getanzt wurde, müsste sie doch fast in Ohnmacht fallen. Ich schaute also zu ihr. Sie war total auf diese Luftschlangen fixiert und beäugte sie immer noch wie ein wissenschaftlich höchstkompliziertes Präparat.
"Oma, warum verteilst du deine Luftschlangen nicht?" Sascha war es scheinbar auch aufgefallen, dass sie immer noch wie angenagelt dastand, während alle anderen durch das Wohnzimmer liefen und die Teile verteilten.
"Ähm, na ja." Schon wieder stotterte meine Mutter herum und zuckte kurz zusammen als auf einmal Atemlos aus den Lautsprechern knallte. Ich sah nur, wie Silvi ihr Handy an die Anlage meiner Eltern angeschlossen hatte. Jetzt würde meine Mutter garantiert gleich platzen. Aber wieder passierte nichts. Sie schaute nur verzweifelt zwischen Sascha und den Luftschlangen hin und her. "Ich habe sowas noch nie gemacht." Das konnte doch nicht wahr sein, dass meine Mutter noch nie solche Teile in den Fingern hatte. Obwohl eigentlich war das mit Sicherheit wahr. Früher zu unseren Kindergeburtstagen hatte sie immer eine Partyplanerin bestellt, die sich um alles gekümmert hatte. Und auch sonst wenn Feiern anstanden, gab es dafür Personal. Ganz abgesehen davon, dass es dort nie so billige Deko gab.
"Schau mal, Oma." Sascha friemelte den ersten Ring ab und pustete hinein. Meine Mutter beobachtete ihn total gebannt. Dann friemelte sie auch einen Ring ab und pustete auch mit ihren perfekt geschminkten Lippen. Sascha klatschte in seine kleinen Hände "Das hast du supi gemacht, Omi." Und dann passierte etwas noch viel unglaublicheres. Meine Mutter lächelte und beugte sich zu ihrem Enkel und drückte ihm einen Kuss auf das Haar. Ich stand mit offenem Mund da "Mache den Mund zu, sonst fängst du Fliegen." MP stand plötzlich neben mir "Ich finde deine Mutter macht sich langsam unter dem Einfluß von Christine und meiner Mutter." Da musste ich ihm allerdings recht geben. Trotzdem war mir noch nicht ganz klar, warum. Schließlich hätte sie sich ja auch früher ein Beispiel an anderen Eltern nehmen können, aber das hatte sie nie interessiert.
"Wir brauchen aber noch Luftballons.", krähte auf einmal Sascha. "Milli, hast du auch die bunten Luftballons mit Geschmack mit?" Der Kleine stand auf einmal vor uns und schaute MP neugierig an, der mich sprachlos anschaute. Was sollte ich ihm denn jetzt sagen? Er kannte ja die Geschichte mit den Kondomen und die Folgen waren ihm ja auch nicht unbekannt.
"Sascha, die Luftballons haben nur Paare, die zusammen im Bett schlafen.", versuchte Christine dem Kleinen zu erklären. Der nickte verstehend "Dann muss Milli ja welche haben, denn er hat ja heute Morgen in Tante Vickis Bett geschlafen." Grinsend schaute er wieder MP an.
"Da musst du dich irren. Die beiden haben getrennte Zimmer." Sascha schüttelte vehement mit seinem Kopf und ich spürte wie mir das Blut ins Gesicht schoss. "Nein, ich habe ganz genau vier Füße gesehen und Tante Vickis Kopf lag auf seiner Schulter." Jedenfalls war mir jetzt klar, dass es das Türenklappen war, was mich heute früh geweckt hatte.
"Die beiden haben sich auch im Schwimmbad ins Gesicht gebissen." So lieb ich meinen Neffen hatte, könnte ich ihn jetzt doch auf den Mond schießen.
"Ach ja?" Erik schaute uns mit hochgezogegnen Augenbrauen an "Das ist ja interessant."
"Ja, Milli, dann sage uns doch mal, ob du diese wunderbaren Luftballons mit hast?" Silvi grinste ihren Sohn an, der garantiert gerade die gleichen Gedanken zu seiner Mutter hatte, wie ich zu Sascha. Ich schaute zu Mister Peinlich, der auch eine ziemlich gesunde Gesichtsfarbe hatte. Boah, wie sollten wir denn jetzt reagieren? Scheinbar hatte es Meinem Plappermaul, jedenfalls war er das ja sonst immer, die Sprache verschlagen, während die Aufmerksamkeit aller auf uns lag. Mir musste einfach eine geniale Antwort einfallen.
"Wir sind nur beste Freunde.", platzte es aus mir heraus.  Na, das war doch mal so richtig genial. Nicht.
"Ja, genau." Erik klatschte sich auf die Schenkel "Mit einem Additionszeichen, oder was?" Sofort bekam er den Ellenbogen von meiner Schwester zwischen die Rippen. "Autsch. Na ist doch wahr. Die haben doch mit dem Mist angefangen.", schmollend rieb er sich seine Seite.
"Papa, was ist ein Additionszeichen?" Sascha schaute seinen Vater mit seinen großen dunklen Kulleraugen an.
"Das ist ein Plus. Das bedeutet, dass die Freundschaft noch viel größer ist als eine normale." Danke, Thomas, dass du das deinem Enkel erkärst. Konnte hier nicht einfach mal jemand das Thema wechseln?
"Dann habe ich auch so eine Freundschaft plus mit Tessa, Maja und Leo. Wir sind auch viel mehr befreundet als alle anderen." Christine und Silvi gaben eigenartige Geräusche von sich und auch meine Schwester sah so aus, als würde sie gleich vor lachen platzen. "Das sollte er mal lieber nicht Roman und Marco hören lassen.", grunzte Mega Plump neben mir, der sich scheinbar von seinem Schock erholt hatte.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt