Kapitel 22

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"Mensch, Maxi. Du musst den Ball schon richtig mit der Seite treffen.", meckerte Marco mit seinem Sohn, der ziemlich bedröppelt aussah.
"Jetzt du, Phili. Und gib dir mehr Mühe als eben. Du sollst das Tor treffen und nicht den Apfelbaum da drüben." Naja, motivierend war Marco nicht wirklich, wenn er da so ran ging. Vielleicht sollte er erst einmal dafür sorgen, dass es den Jungen überhaupt Spaß machte gegen den Ball zu treten. Erik hatte da mit Sascha irgendwie ein besseres Händchen, denn die beiden hatten einfach Spaß zusammen beim Fussball spielen. Natürlich versägte Phili den Ball wieder völlig und er kam nicht einmal in die Nähe des Tores, sondern rollerte über die Wiese .
"Was sollte denn das? Du hast den Ball ja völlig falsch getroffen." Marco schüttelte seinen Kopf. "Jeder noch einen Schuss und dann müssen wir sowieso mit den Mädels zum Ballett los. Jetzt gebt euch aber noch einmal Mühe."
"Tante Vicki, was ist Ballett überhaupt für ein Ballspiel? Ich kenne nur Handball umd Fussball. Kann ich das als Junge auch spielen?" Sascha schaute mich neugierig an. Wie kam er denn jetzt darauf?
"Ballett ist kein Ballspiel. Beim Ballett tanzt man. Das können Jungens aber auch." Sascha schüttelte den Kopf und kratzte sich am Kinn "Das ist doch aber blöd. Warum nennt man es dann Ballett, wenn es da gar keinen Ball gibt. Dann will ich das aber nicht machen. Tanzen ist doof." Ich musste grinsen. Ich liebte die einfache Logik meines Neffen.
"Habt ihr eigentlich die janze Zeit jepennt, oder wat?" Chris kam in den Garten gelaufen und schaute uns vorwurfsvoll an, während er Leokardia vor sich herschob, die sich mit ihrem Rücken an sein Bein presste. Wo kam der denn jetzt her und vor allem, warum war der so sauer? 
Auch Erik kam in den Garten gelaufen und zog an seinen Händen Maja und Tessa hinter sich her, die protestierten. Mein Blick fiel auf ihre Haare. Ach du liebes Lieschen. Ich schaute zu Leo, die wie zu erwarten einen ähnlichen Anblick bot.
Marco und Roman stürzten auf ihre Töchter zu und schauten sie schockiert an, während sie sie hin- und herdrehten.
"Prinzessin, was ist mit deinen Haaren passiert?" Sämtliche Gesichtsfarbe war aus Romans Gesicht verschwunden.
"Ich habe den Zopf abgeschnitten. Der hat gestört.", grinste seine Tochter und ihre Augen strahlten stolz.
"Und eure Zöpfe haben euch auch gestört?", stöhnte Marco und schaute sich die Köpfe seiner Töchter an. "Das Balett können wir canceln, Bro. So können wir mit den Mädels da nicht hin." Also nach meinem persönlichen Eindruck strahlten die Mädels gerade noch mehr. Es fehlte nur, dass sie die Siegerfaust in den Himmel reckten.
"Ist das dein einziges Problem? Jasmin wird mich köpfen, wenn sie Leo so sieht.", verzweifelte Roman.
"Zurecht.", knurrte Chris. "Ihr könnt die Mädels doch nicht mit Scheren alleine lassen. Da hätte sonst was passieren können. Scheiß doch auf die Haare." Marco und Roman zuckten etwas zusammen und schauten sich panisch an.
"Was machen wir denn jetzt?" Roman fuhr sich mit seiner Hand durch den Nacken. "Wir müssen zum Friseur."
"Das geht nicht, wenn das irgendein Reporter sieht. Wir müssen einen Friseur hierher bestellen." Marco lief auf und ab. "Ich könnte Carsten anrufen."
"Der ist doch Männerfriseur.", gab Roman zu bedenken.
"Na, mehr Haare haben die drei ja jetzt auch nicht mehr." Marco beugte sich zu Tessa und schaute sich die Haare noch einmal genau an. Die drei hatten ihre Haare wirklich am Nackenansatz abgeschnitten.
"Kann Carsten ihnen nicht Extensions reinmachen? Dann fällt das vielleicht gar nicht auf und Jasi und Franzi merken es nicht.", grübelte Roman und wischte sich Schweiß von seiner Stirn.
"Bro, jetzt spinnst du aber total." Erik schüttelte ungläubig den Kopf "Du kannst die Mädels doch nicht mit so einem Mist quälen, weil du Schiss vor der Abreibung von deiner Frau hast. Steht wenigstens zu dem Müll, den ihr gemacht habt. Einfach einen Haarschnitt jetzt und gut ist. Die Lotteln wachsen doch von alleine wieder."
"Wir haben überhaupt meinen Mistt gemacht.", meckerte Marco los "Wer kommt denn auf die Idee, dass die Mädels so, so" Da fehlten ihm wohl die Worte.
"So kreativ sind.", sprang ihm Roman zur Seite. Erik und Chris schüttelten nur den Kopf, während Marco zu seinem Telefon griff und im Haus verschwand.

"So, jetzt habt ihr alle den gleichen Haarschnitt wie eure Papas.", lachte Marcos Friseur, der wirklich sofort hier angetrabt war, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Ich fragte mich, was ihm Marco dafür versprochen hatte. Mindestens ein paar VIP Tickets, vermutete ich. Alle drei Mädels hatten anrasierte Nacken und das Oberhaar etwas länger und gegelt. Also ich musste sagen, die Haarschnitte standen ihnen irgendwie, auch wenn sie jetzt wie kleine Marcos und Roman aussahen. Witzigerweise könnte man die Reuskinder jetzt fast für Vierlinge halten.
Nachdem sich dieser Carsten verabschiedet hatte, saßen wir alle zusammen im Garten als Franzi zusammen mit Jasi und Kathi ankam.
Man konnte fast den Eindruck haben, dass Marco und Roman beim Anblick ihrer Frauen schrumpften.
"Na, hattet ihr so viel Spaß beim Ballett, dass euch gleich die Haare abgebrochen sind.", grinste Franzi ihre Töchter an. Und auch Jasi wuschelte ihrer Tochter über den Kopf "Schicker Haarschnitt." Roman und Marco rissen ihre Augen auf "Mehr...mehr habt....habt ihr nicht zu sagen?", stotterte Roman und schaute Jasi verunsichert an.
"Was soll das? Und stören euch die kurzen Haare gar nicht?" Marco musterte seine Frau verwirrt.  "Nö, kurze Haare sind doch viel praktischer und machen nicht so viel Arbeit." Nicht wirklich überzeugt, aber scheinbar erleichtert grinste der Rotblonde seine Frau an "Und was haben meine Söhne angestellt, schließlich haben sie das Reus Gen."
Franzi rieb sich das Kinn "Naja, sie sind so gut in der ersten Klasse, dass man uns nahe legt sie eine Klasse überspringen zu lassen, damit sie sich nicht langweilen. Ob das jetzt wirklich das Reus Gen ist, bezweifele ich."
Marco grinste schief "Klaro, sind das meine Gene. Ich habe schließlich auch einen sehr guten Abschluss gemacht." Franzi fing an zu lachen "Joa, genau. Du bist mit Ach und Krach durch die Hauptschule gekommen, nachdem du die Realschule nicht mehr gepackt hast, weil du nur ständig gegen dieses runde Ding treten musstest."
"Boah, ist ja gut  Dann sind es halt deine Gene, Schweinstein." Uih, da war wohl jemand in seiner Ehre gekränkt. "Aber trotzdem haben sie meine Gene und werden geniale Fussballer, wenn sie etwas mehr trainieren." Also, wenn ich an vorhin dachte, bezweifelte ich das stark.
"Marco, wir haben bei der Aufregung ganz vergessen das Ballett abzusagen." Roman sprang wie vom wilden Skorpion gestochem auf "Wir müssen da schnell anrufen und einen neuen Termin ausmachen."
"Da können wir aber mit kurzen Haaren nicht mehr hin, hat Saschas Oma gesagt.", schrien die drei Mädels im Kanon auf. Dann war das also kein Unfall mit den Haaren, sondern Absicht. Das waren doch echt kleine Biester.
"Habt ihr euch deshalb die Haare abgeschnitten?", fragte Roman schockiert seine Tochter, nachdem er sie auf seinen Schoß gezogen hatte. Leokardia nickte und schaute ihren Papa traurig an "Ich will nicht zum Ballett." Sie ließ sogar eine Träne über ihre Wange rollen, die ihr Roman sofort sanft mit seinem Daumen wegwischte. Wow, das Mädel war wirklich mit allen Wassern gewaschen, um ihren Papa weich zu kochen, denn der sah wie ein getretener Hund aus.
"Wir auch nicht.", krähten Maja und Tessa sofort.
"Dann müsst ihr da auch nicht hin." Roman zog seine Tochter sanft an sich und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, ehe er zu Marco schaute, der auch seinen Töchtern zunickte
"Dann dürfen wir jetzt auch Fussball spielen." Leo sprang auf und rannte zu Tessa und Maja und umarmte die beiden, die auch sofort mit ihr im Kreis hüpften.
"Halt, stop. Mädels.", griff Marco ein "Das mit dem Fussball haben wir euch doch jetzt schon ein paarmal erklärt."
Roman nickte "Fussball ist einfach zu gefährlich, aber wenn ihr nicht zum Ballett  wollt, dann gehen wir eben mit euch reiten."
Diesmal nickte Marco "Ich rufe da gleich einmal im Reitstall an."
"Und morgen gehen wir die Reitsachen kaufen." Roman strahlte seine Tochter genauso wie Marco seine an. Irgendwie hatte ich das Gefühl, das auch hier wieder die Freude einseitig war.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt