Kapitel 70

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Ich schaute aus der Seitenscheibe. Wir waren gerade von der B236 abgefahren. Keine fünf Minuten und wir waren wieder zu Hause. Obwohl, war Dortmund überhaupt mein zu Hause? Oder war es Berlin? Ich lebte hier ja nun schon seit über 6 Jahren und fühlte mich auch eigentlich wohl, aber Berlin war halt doch Berlin. Und auch da fühlte ich mich wohl. Ich hatte die zwei Tage dort mehr als nur genossen. Die Berliner hatten schon ihre eigene Mentalität, obwohl die in ganz Deutschland wohl der Ruhrpottmentalität am ähnlichsten war. Hier fiel man als Berliner jedenfalls kaum auf, ganz anders als in Bayern oder Schwaben, wo man schon bei der Sprache herausstach wie ein rosa Elefant mit Blinkepfeil auf dem Kopf. Ich schaute zu MEINEM PROFIRENNFAHRER, der die 500 Kilometer in unter vier Stunden gefahren war.
"Was?", er blickte kurz zur Seite, ehe er sich wieder auf den Verkehr konzentrierte. "Boah, fahr doch an die Seite bis die Narkose wieder nachlässt, du Affensack. Ich hasse diese Mercedes-Sonntagsfahrer mit Hut." Okay, da fuhr wohl auch jemand Auto, damit er seine Schimpfwörter-Vokabular nicht vernachlässigte.
Ich musste lachen "Du weisst aber schon, dass du auch einen Mercedes fährst?"
"Das ist was ganz anderes. Ich trage ja keinen Hut und ich fahre auch nicht nur Sonntags."
"Stimmt, aber du trägst ein Cap." So leicht ließ ich ihn nicht davon kommen.
MP fing an zu lachen "Siehst du, ich sage doch, das ist etwas ganz anderes." Er schaute wieder kurz zu mir und grinste immer noch. Von der Rückbank war ein leises Schnaufen und ein noch leiseres Bellen zu hören. Mein Nino schien wohl zu träumen. Ich drehte mich um und sah, wie er im Schlaf mit den Pfoten zuckte.
"Der Kleine ist wirklich süß." MEIN PUPPIELIEBHABER schien meine Gedanken lesen zu können. "So, da sind wir wieder." Ich schaute raus. Tatsache, wir standen schon auf unserem Parkplatz und wie sollte es auch anders sein, hatte MEIN PARKHELD wieder halb meine kleine Möhre zugeparkt. Irgendwie war mir das aber gerade total egal.
"Ich.", fing ich an zu sprechen. Gleichzeitig kam genau das gleiche Wort von meinem Gegenüber. Wir mussten beide lachen. "Ladies first.", grinste er mich an und zwinkerte mir zu. Ich schluckte kurz  "Ich wollte mich bei dir für das tolle Wochenende bedanken." MP nahm sein Cap ab und fuhr sich mit seiner Hand durch seine Haare "Mir hat es auch Spaß gemacht. Sollten wir bei Gelegenheit mal wiederholen." Ehe ich weiter darauf eingehen konnte, wurde die Beifahrertür neben mir aufgerissen und an mir gezerrt.
"Kannst du mir mal sagen, was der Scheiß soll?" Lisa baute sich vor mir auf und Dogan, der hinter ihr stand, schaute mich finster an. Was war den beiden denn in ihrem Mittag nicht bekommen? MP kam um das Auto gelaufen und stellte sich neben mich, während ich mit Blicken erdolcht wurde.
"Ich finde das echt Scheiße, dass du nicht einmal Bescheid gesagt hast, wo du bist. Dogan und ich waren in totaler Panik. Wir dachten schon, du liegst irgendwo ermordet im Straßengraben, stattdessen macht sich die Prinzessin ein schickes Wochenende mit ihrem Lover." Ich schaute Lisa schockiert an. Warum um alles in der Welt war sie so sauer? Ich hatte doch meinem Bruder Bescheid gesagt.
"Jetzt gucke nicht auch noch so blöde. Ich habe dir jede Menge Nachrichten geschrieben. Aber Madam muss ja nicht antworten und dann habe ich dumme Kuh es auch noch mit anrufen versucht. Das hat euch ja scheinbar so gestört, dass du mich einfach weggedrückt und dann auch noch dein Handy ausgemacht hast. Ich habe echt gedacht, es wäre etwas passiert. Aber jetzt ist mir das klar. Ihr wolltet euch ungestört vergnügen, wer kümmert sich da schon um seine besorgten Freunde. Wäre wir nicht bei Erik vorbeigefahren, damit er uns zur Polizei begleitet, um eine Vermisstenanzeige zu machen, hätten wir uns da zum Gespött gemacht. Glücklicherweise hat uns dein Bruder dann ja aufgeklärt, dass du dich mit dem da in Berlin vergnügst." Lisa schüttelte empört den Kopf und schnaufte abfällig "Ich hätte echt nie gedacht, dass du so eine Schlampe bist, die einfach mit dem nächstbesten Kerl durchbrennt und ihren Freund zum Gespött macht." Jetzt reichte es mir aber langsam. Was sollten denn diese ganzen Vorwürfe. Ich sah, wie MP genau wie ich gerade den Mund öffenen wollte, als jetzt Dogan anfing "Weißt du eigentlich, wie du mich auf der Hochzeit blamiert hast? Alle haben sich darüber lustig gemacht, dass du einfach abgehauen bist. Ich stand da wie der größte Depp. Und sich dann auch noch anhören zu müssen, dass du mit den ganzen Kerlen geflirtet hast. Es war doch wohl nicht zu viel verlangt sich dort vor meiner Familie vernünftig zu benehmen. War es so schwer sich einfach nur angemessen zu verhalten und bei den anderen Frauen zu bleiben?" Auch Dogan schüttelte seinen Kopf "Und dann auch noch mit dem durchzubrennen." Er zeigte angewidert auf MP "Aber wen wundert es. Du bist genauso wie dein Bruder. Das wird meine Schwester auch noch merken, dass man sich auf euch nicht verlassen kann." Dogan funkelte mich an "Und ich habe auch keinen Bock dich und deinen Kötter in der Wohnung zu sehen. Bestimmt bietet dir dein Lover gerne einen kuscheligen Platz in seinem Bett an. Morgen kannst du dir ja deine Klamotten holen, wenn ich auf Arbeit bin. Die WG ist Geschichte." Stürmisch drehte er sich um und zog Lisa an ihrer Hand mit. Beide stolzierten erhobenen Hauptes nach ihren Schimpftiraden los, ehe ich überhaupt zu Wort kam. Ich schaute zu MP, der genau wie ich mit offenem Mund dastand. Das war doch eben nicht wirklich passiert? Fassungslos schüttelte ich den Kopf "Das habe ich doch hoffentlich gerade nur geträumt."
"Sind die immer so drauf? Lisa macht doch auf Arbeit sonst einen ganz vernünftigen Eindruck. Dass das Krümelmonster nicht ganz sauber krümelt war mich schon immer klar. Komm', wir nehmen jetzt erst einmal die Sachen und Nino aus dem Auto und gehen zu mir." MP legte kurz seinen Arm um meine Taille und zog mich an seine Brust, ehe er mir mit seiner anderen Hand über den Rücken strich. "Das wird schon wieder."

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt