Kapitel 96

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"So, und jetzt wird getaaaanzt.", jubelte mein Bruder wie eine billige Kopie von John Travolta. War der eigentlich schon immer so gestört oder hatten die Liebeshormone sein Hirn zum Durchschmelzen gebracht?
"Pass' mal auf Patrick Swayze für Arme. Jetzt tanzen erst einmal die Hauptpersonen des Abends." Franzi bremste meinen Bruder ein und Marco schob Erik und Kathi zur Tanzfläche als auch schon die ersten Töne von Ed Sherans "Perfect" zu hören waren. Ich schaute zu Jasi, die sich verschämt eine Träne wegwischte. Bei ihrer Hochzeit hatten die beiden auch genau zu diesem Lied getanzt. Eigentlich hätte es damals schon allen klar sein sollen, dass sie einfach zusammengehörten, aber damals gab es ja noch Marco Bürki. Glücklicherweise hatte er ja jetzt zum dritten Mal seine Alexia geheiratet. Seit der Geburt ihres Sohnes ließ er Gott sei dank meine Schwester und vor allem Sascha in Frieden. Kathie und Erik tauchten gerade in ihre ganz eigene Welt ab, so verliebt wie sie sich anschauten. Bei dem Anblick wurde mir wieder ganz eng in der Brust. Irgendwie hätte ich so etwas schon ganz gerne. Ein Kerl, der förmlich dahin schmolz, wenn er dich nur anschaute. Man, was war denn heute nur mit mir los? Ich wollte keinen Kerl. Ich wollte meine Freiheit. Außerdem verarschten die Kerle einen doch sowieso nur. Sie taten so als würden sie dich auf Händen tragen, in Wirklichkeit wollten sie dich nur konditionieren, damit sie eine willige und billige Haushaltskraft hatten. Naja gut, die Männer meiner Freundinnen waren jetzt alle nicht so und Erik sowieso nicht, aber auf den Rest der Männerwelt traf das garantiert zu. Ich spürte eine Hand an meiner Taille.
"Na, über was grübelst du schon wieder, Dornröschen?", flüsterte mir MP in mein Ohr. Ich drehte mich zu ihm  "Nichts besonderes. Ich freue mich nur, dass meine Schwester so glücklich ist." Boah, ich hatte doch jetzt nicht wirklich wie so eine Heulsuse geschnieft. Sanft streifte seine Hand über die Wange. Nö, da hatten doch meine Augen jetzt nicht wirklich eine Träne kullern lassen.
"Ist ganz schön warm hier, sogar deine Augen schwitzen schon.", zwinkerte er mir zu. Ich musste grinsen. Der Idiot wusste doch immer, was ich gerade brauchte. Und jetzt brauchte ich definitiv einen dummen Spruch, bevor ich hier noch den ganzen Saal unter Wasser setzte.
"So, jetzt wird aber getaaanzt." Kaum, dass der letzte Ton verklungen war, war mein Bruder wieder am Start und zog Helin mit sich auf die Tanzfläche. Auch Robert brachte sich sofort in Position. Jackie sah nur medium glücklich aus, als er anfing sie wild durch die Gegend zu schieben. Ich konnte sie da verstehen, denn das ganze sah irgeendwie nach einer neuen Unterart eines asiatischen Kampfsports aus.
"Können wir erst bei einem langsamen Lied tanzen? Du weißt doch, das ist nicht so meine Spezial-Disziplin." Ich grinste Meinen Profitänzer an "So lange du den Matratzen Mambo nachher beherrschst, ist alles okay." Sofort wurde ich in die Seite gezwickt. "Bis jetzt hast du dich noch nie beschweren können." Ehe ich weiter darauf eingehen konnte, hörte ich Jasi neben mir rumzischeln "Man Brummbärli, der Junge ist gerade einmal zehn Jahre alt. Was soll denn das jetzt?" Was hatte Jasi denn? Ich schaute zu Roman, der am Rand der Tanzfläche mit zu Fäusten geballten Händen stand und knallrot im Gesicht war. Der stand ja kurz vor der Explosion. Neben ihm stand Maxi und schaute mit zusammengekniffenen Augen und zusammengepressten Lippen auch in die gleiche Richtung. Ich folgte den Blicken der beiden auf die Tanzfläche. Was konnte es denn da so schreckliches geben, dass sie so reagierten. Das erste, was ich sah, war mein Teddy, der zusammen mit Tessa und Maja im Polkagalopp durch die Gegend hüpfte. Das war doch jetzt nichts schlimmes. Aber Jasi hatte von einem zehnjährigen Jungen gesprochen, dann konnten sie Sascha ja nicht meinen. Der war ja gerade erst sechs geworden. Ich ließ also meinen Blick weiterschweifen. Oha, jetzt war mir das  Problem klar. Leo Weidenfeller hatte Leokardia wie die Erwachsenen in Tanzhaltung und bewegte sich mit ihr mehr oder weniger im Takt.
"Ach Maxi, schön, dass du gerade hier bist.", hörte ich Romans erleichterte Stimme "Du würdest mir doch bestimmt einen Gefallen tun." Der Reus Bengel nickte nur ohne seinen Blick abzuwenden "Das ist ja prima. Dann gehst du jetzt zu Leokardia und klatschst ab und tanzt mit ihr weiter." Na, das hatte sich der liebe Herr Bürki ja fein ausgedacht. Aber so wie Maxi sofort lospreschte und sich neben dem älteren Leo Weidenfäller aufbaute, war das wohl auch genau in seinem Sinne.
"Roman, du hast doch jetzt nicht echt den Sohn meiner Freundin in deine völlig übertriebene und überflüssige Eifersucht mit hineingezogen.", meckerte Jasi ihren Mann an. "Aber mei Sunneschii, der Junge ist doch schon viel älter und erfahrener als unsere Kleine. Sie ist doch noch ein Kind und er schon fast ein Mann." Das hatte der jetzt nicht wirklich gesagt. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen
"Wir sprechen hier von einer Sechsjährigen und einem Zehnjährigen. Meinst du wirklich, er wird ihr seine Stickersammlung zeigen und dann über sie herfallen?" Jasis Stimme überschlug sich fast. Naja, Roman benahm sich ja auch wirklich mehr als albern. Was sollte da erst abgehen, wenn Leo dann wirklich in dem entsprechenden Alter war? Würde er sie einschließen?
"Und Maxi ist da ungefährlicher?" Jasi schüttelte nur noch mit dem Kopf.
"Aber natürlich, mei Sunneschii. Maxi ist erst sieben und außerdem ist er fast wie ein Bruder." Na, das waren ja mal wirklich ziehende Argumente.
"Er ist fast acht und nicht im geringsten mit ihr verwandt.", kam die prompte Antwort seiner Frau. Romans Gesicht war anzusehen, dass er zu grübeln begann. "Du hast Recht, ich sollte einfach mit Leo tanzen." Gerade als er zu seiner Tochter marschieren wollte, hielt Jasi ihn am Arm fest "Nichts da, du tanzt jetzt mit mir."  Wie gut, dass Leokardia wenigstens eine Mutter hatte, die da nicht so verrückt spielte.  Die Musik wechselte zu einem langsamen Titel und das Licht im Saal wurde ein wenig gedimt.
"Wollen wir jetzt auch mitmischen, Dornröschen?" Und ob ich mitmischen wollte. Nur immer rumstehen, war ja auch langweilig. MP griff meine Hand und führte mich zur Tanzfläche. Sofort schlang er seine Arme um mich und wir bewegten uns ganz langsam zur Musik. Irgendwie fühlte sich das richtig gut an. Wir harmonierten wirklich super.
"Nur Freundschaft plus.", ertönte auf einmal Lexis lachende Stimme an meinem Ohr als er mit Helin an uns vorbeitanzte. Man, der war doch echt blöd.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt