Schnaufend ließ ich mich auf meinen Platz fallen. Wir hatten es endlich geschafft anhand des Saalplans jeden auf seinen vorgesehenen Sitzplatz zu manövrieren.
"Man, man, man, diese ältere Dame wollte sich wirklich nur schwer davon überzeugen lassen, dass sie als frühere Trainerin von Lucy zwar viel in ihrem Leben bewirkt hatte, aber trotzdem nicht am Familientisch sitzt." MISTER PLATZANWEISER ließ sich auch stöhnend neben mich auf den Stuhl fallen. "Warum seid ihr Weiber eigentlich immer so anstrengend."
"Wir sind nicht anstrengend. Ihr seid nur nicht sehr belastbar.", grinste ich zurück "Wie hast du sie denn überzeugt bekommen?" Das würde mich ja doch einmal interessieren. Wahrscheinlich war sie letztendlich vor seiner Überheblichkeit eingeknickt.
"Natürlich mit meinem herausragenden Charme.", war sofort die Antwort.
"Du meinst wohl eher mit deinem nicht existenten Charme. Und jetzt die Wahrheit." Ich durchleuchtete ihn mit meinen Augen.
"Boah, na gut. Ihr Alter kam und hat sie einfach weggeschleppt." war die grummelige Antwort. Vor Lachen verschluckte ich mich fast, bis meine Augen zu kleinen Kuchentellern heranwuchsen, denn die Hochzeitstorte wurde in den Saal geschoben. Das war ein Riesenteil, verziert mit frischen Rosen. Das Wasser lief mir im Mund zusammen und mein Magen gab Bescheid, dass er erfreut wäre heute auch endlich einmal gefüttert zu werden. Toll, jetzt standen dort schon alle an. Ich hatte echt keinen Bock da auf das Stück Kuchen zu warten. Ich behielt also nur alles im Auge und wartete ab, später war bei der Größe garantiert noch ein Stück für mich übrig. Außerdem sollte ich mich schon einmal um die blöden Luftballons kümmern. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass MP schon wieder aufgestanden war. Jetzt sah ich wie er sich einfach an allen mit einem überheblichen Lächeln im Gesicht vorbei nach vorne zum Brautpaar schob und seinen Teller hinhielt. Wie kackendreist konnte eigentlich ein einzelner Mensch sein? Der dachte auch die ganze Welt gehörte nur ihm und alle anderen Individuen hatten sich nach ihm zu richten. Wenn der an den Tisch zurückkam, würde ich ihm erst einmal einen Vortrag über Egoismus und Rücksichtslosigkeit halten. Gerade als ich aufstehen wollte, um investigativ tätig zu werden und nach den Ballons Ausschau zu halten, wurde ich wieder zurück auf meinen Stuhl gedrückt und ein Teller mit Torte vor mir abgestellt. Erschrocken schaute ich zu dem edlen Spender. Das war doch jetzt eine Halluzination.
"Wieso stellst du mir dein Stück Kuchen hin?" MEINE PLAGE wollte sich doch wieder nur einen Spaß damit machen und mich sabbern sehen, ehe er mir dann den Teller wegzog.
"Das ist dein Stück Kuchen. Ich habe doch gesehen wie du die Torte angehimmelt hast. Für mich ist Kuchen Tabu. Ich muss mich an meinen neuen Ernährungsplan halten, sonst bekomme ich nächste Woche beim Fitnesstest noch Probleme mit dem Trainer." Oh, wie Recht er da hatte. Ich würde ihm seinen Arsch von hinten nach vorne verlegen, wenn er sich nicht an meine Ernährungspläne hielt. Aber ich könnte ihn ja mal etwas auf die Probe stellen.
"Ach so eine kleine Sünde ist doch bestimmt kein Problem." Das Biest in mir teilte ein Stück Kuchen ab und hielt ihm die Gabel vor den Mund.
"Vergiss es. Der neue Trainer soll ein echt mieser Schleifer sein. Da habe ich keine Lust gleich abzukacken. Der Arsch muss echt kein eigenes Leben haben. Selber hat er es gerade mal zum Athletikcoach gebracht und neidet uns deshalb unseren Erfolg und quält uns als Rache." Uih, fein. Dann eilte mir ja schon ein gewisser Ruf voraus. Mein lieber MISTER PROFISPORTLER, du wirst dich wundern wie sehr du damit Recht hast. Ich freute mich schon auf unsere erste Begenung beim BVB. Ich war nicht im geringsten neidisch, sondern stolz auf meinen Studienabschluss, aber eine leicht sadistische Ader in mir, flüsterte mir gerade zu, dass ihm diese Aussage ein paar extra Einheiten einbringen würde, wenn er nicht wirklich mehr als topfit wäre. Innerlich rieb ich mir schon die Hände, der würde garantiert dämlich aus seinem Trikot gucken, wenn er realisierte, wer ich war.
"So, dann sollten wir uns jetzt um die Ballons kümmern." Ich sprang auf, kaum dass ich das letzte Stück Torte inhaliert hatte. "Und du hast die Rede gelernt oder liest du sie nachher ab?" Diese ganzen Reden standen ja auch noch auf dem Plan.
"Klaro, kann ich auswendig. Null Problemo." Mit der Antwort hatte ich so nicht gerechnet. Ich hätte ihm echt nicht zugetraut, dass er eine ganze Seite freiwillig auswendig lernte. Genau genommen hätte ich ihm nicht einmal zugetraut, dass er das geistige Aufnahmevermögen dafür hatte. Aber andereseits hätte ich ihm auch nicht zugetraut, dass er mir unaufgefordert völlig selbstlos ein Stück Kuchen holt. Das Wort selbstlos und MP waren eigentlich total konträr. Aber damit hatte er mich auch überrascht, also würde ich einfach an ein weiteres Weltwunder glauben.
"Entschuldigen Sie bitte, wir haben da mit den Zimmern einige Probleme beim Einchecken. Könnten Sie uns da kurz unterstützen?" Die Dame von der Hotelrezeption sah uns freundlich, aber leicht verzweifelt an. Gab es heute eigentlich nur Probleme? Sollte ich mich jetzt zerteilen? Ich musste mich um die Luftballons kümmern, bevor Lucy etwas mitbekam.
"Kein Problem, ich komme mit.", zwinkerte mein Sitznachbar der älteren Dame freundlich zu. Hatte der irgendwie einen Mutterkomplex? "Und du kümmerst dich um die Ballons." Ich wurde nur mit einer gegrinsten Anweisung bedacht. Was bildete sich der Kerl eigentlich ein mir Anweisungen zu erteilen? Okay, er hatte ja Recht. Wir mussten ja nicht alles gemeinsam regeln. Grummelig trollte ich mich also und suchte den Ballonfredie, der auch schon vor der Tür wartete.Zufrieden lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und schaute zu Joshua, der gerade eine mehr als rühernde Rede gehalten hatte. Ein Blick zu Lucy, die gerade emotional schniefte, sagte mir, dass diese Schminknelke wirklich gut daran getan hatte das wasserfeste Make up zu benutzen.
"So, dann sind jetzt die Trauzeugen an der Reihe ihre Rede zu halten." Joshua grinste bösartig in unsere Richtung. Nachdem MEIN PARTNER keine Anstalten machte aufzustehen, rammte ich ihm meinen Ellenbogen in die Seite. Stöhnend rieb er sich diese und stand auf. Gut, vielleicht hätte ich etwas zartfühlender sein können.
"Ich wurde gebeten stellvertretend für uns Trauzeugen eine Rede zu halten." MISTER PROTZ räusperte sich kurz und fuhr sich mit seiner Hand durch den Nacken. Scheiße, der hatte doch jetzt garantiert einen Hänger. Ich hatte also doch recht, dass das mit dem auswendig Lernen nicht funktioniert hatte. Mist, warum hatte ich denn jetzt keinen Entwurf für ihn griffbereit zum Ablesen. Ich hoffte, er konnte wenigstens etwas improvisieren. War ja egal, ob es geschliffen formuliert klang, hauptsache er brachte wenigstens den Inhalt rüber. Als Profifussballer, der ständig Interviews gab, sollte das doch wohl kein Problem sein. Als er jetzt wieder ansetzte zu sprechen, atmete ich erleichtert auf
"Man hat mir gesagt, ich soll die Rede so lange halten, wie der Bräutigam im Bett durchhält. Die Braut hat sich sicher eine lange Rede erhofft, aber wir wollen sie ja auf die Realität vorbereiten." Was wurde denn das jetzt bitteschön? Das stand mit Sicherheit nicht in unserer Rede und selbst absolut frei interpretiert hatte das nicht einmal ansatzweise Berührungspunkte mit dem Inhalt. Ich fixierte MEIN PROBLEM mit den Augen als er auch schon weitersprach "In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit." Das war doch nicht sein verschissener Ernst. Ich schaute zu Joshua, der sofort grinste "Ay, du Wichser ich halte garantiert länger durch. Meine Frau hat sich noch nie beschwert. Aber naja, bei dir gibt es ja nicht einmal eine, die sich beschweren könnte." Lucy schniefte kurz und boxte ihrem Mann gegen die Schulter. Das war doch typisch für Kerle. Konnten die nicht einmal sich vernünftig benehmen.
"Kannst du mir mal sagen, was der Mist sollte.", zischte ich MISTER PROLL an "Ich habe doch nicht stundenlang an der Rede gesessen, damit du jetzt so einen Scheiß zusammen laberst. Hättest du nicht einfach ablesen können, wenn du in deinem Erbsenhirn nicht so viel Text abspeichern kannst." So langsam kam ich echt in Fahrt.
"Erstens hast du gerade einmal eine Stunde an dem Blabla geschrieben und zweitens will niemand so einen Quatsch hören. Über meine Rede haben wenigstens alle, so wie ich es geplant hatte, gelacht. Und jetzt chill dich mal wieder." Das hatte der jetzt nicht wirklich zu mir gesagt. Ich hatte also die ganze Zeit mit dem Arsch völlig umsonst investiert. Und der hatte das sogar so geplant. Wie überheblich konnte eigentlich ein einziger Mensch sein?
"Unglaublich.", war alles, was mir dazu als Antwort einfiel.
"Ich weiß, dass ich unglaublich bin.", zwinkerte er mir dreist zu.
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Ein Schuss, ein Volltreffer ✔Teil 4
FanfictionEndlich das Studium fertig und den perfekten Job gefunden. Vicki ist rundum zufrieden mit ihrem Leben. Wären da nur nicht immer die ständigen Turbulenzen und Herausforderungen mit ihrem besten Freund Dogan und ihrem Hassfreund Mister Protz. Alle die...