Nach diesen wundervollen Erfahrungen, trottete ich also erst einmal neben meinem Bruder her. Das konnte ja nicht falsch sein.
"Da seid ihr ja.", Helin kam freudestrahlend auf uns zu. "Kommt, wir suchen uns unseren Tisch. Gleich gibt es Essen." Gut, dann trottete ich also jetzt den Beiden hinterher. Ehrlich gesagt fragte ich mich gerade immer mehr, warum ich überhaupt auf dieser blöden Hochzeit war. Von Dogan hatte ich bis jetzt noch nicht viel gesehen, also warum hatte er mich zur Unterstützung unbedingt mitnehmen wollen?
"Kinder, setzt euch." Dogans Mutter winkte uns aufgeregt an einen Tisch und strahlte meinen Bruder an, der Helin den Stuhl zurecht rückte.
"Vicki, du hast ja schon Alex kennengelernt, wie ich sehe. Ich freue mich, dass Helin so einen netten und aufmerksamen Mann gefunden hat. Er hat sogar extra für sie türkisch gelernt.", wandte sie sich mir zu, als sie mich auf den Stuhl neben sich zog. "Willst du nicht auch türkisch lernen? Dogan würde sich bestimmt freuen und es würde doch einiges erleichtern." Ihr erwartungsvoller Blick lag auf mir.
"Meine Schwester tut sich mit Fremdsprachen etwas schwer.", griff Alex sofort ein. Na toll, jetzt hielten sie mich hier auch noch für sprachbeschränkt.
"Ihr seid Geschwister?" Dogans Vater schaute verwirrt zwischen uns hin und her "Das erleichtert das ganze ja noch mehr." Keine Ahnung, was er damit meinte. Viel mehr interessierte mich aber mal die Frage, wo sich Dogan herumtrieb und wann er hier endlich mal aufschlug, denn der Platz neben mir war noch leer.
"Sorry, ich war noch in ein Gespräch verwickelt.", ertönte auf einmal genau diese Stimme hinter mir und Cookiemonster flutschte auf den Stuhl neben mir. "Und gefällt es dir? Hast du dich schon amüsiert?" Wow, er wusste doch noch, dass er mich hier mit hergeschleppt hatte. Die Frage war nur, was sollte ich darauf antworten. Also nickte ich nur ganz wortgewaltig.
"Du kannst dich nicht immer nur bei deinem Männervolk herumtreiben. Du hast jetzt Verantwortung." Seine Mutter schaute ihn vorwurfsvoll an "Dogan, du musst dich mehr um deine Freundin kümmern, so wie Alex um Helin." Das war dann der Moment, in dem er seinen Kopf hochriss. Okay, das war dann wohl auch der Moment der Wahrheit. Ich schaute zu Helin, die mit ihren Fingern angespannt mit dem Messer herumspielte, während mein Bruder eher gechillt aussah. Gut, der Rest der Familie, der ihn scheinbar schon ganz gut kannte, schien ihm ja auch wohlgesonnen. Ich schaute zu Dogan und hatte Angst um seine Augen. So wie er sie aufriss, fielen sie ihm wahrscheinlich gleich aus dem Kopf. Seine Brille würde aber glücklicherweise dafür sorgen, dass sie nicht über den Tisch kullerten.
"Was macht der hier?", fragte er ziemlich unfreundlich und wischte sich mit seiner Hand über seinen Nacken, während er meinen Bruder eindringlich musterte.
"Dogan, was soll denn das? Das ist Helins Freund. Und ich erwarte, dass du ihn auch in unserer Familie herzlich willkommen heißt." Dogans Mutter schaute ihren Sohn auffordernd an.
"Wie Freund? Das ist doch lächerlich, Ana. Das kann nicht euer Ernst sein." Gut, mit einer ähnlichen Reaktion hatte ich gerechnet. Was seine Schwestern anging, war er wie jeder Bruder etwas eigen.
"Mensch Dogan, wir kennen uns doch schon so lange.", mischte sich mein Bruder jetzt ein "Ich liebe deine Schwester und werde mich gut um sie kümmern."
Dogans Kopf wurde knallrot "Genau, wir kennen uns schon lange. Und genau das ist das Problem. Ich weiß genau, was du unter gut kümmern verstehst. Meine Schwester ist nicht so eine. Ich will, dass du jetzt hier verschwindest und meine Schwester niemals wiedersiehst." Wow, der war ja auf 180. Damit hätte ich jetzt nun auch nicht gerechnet.
"Cookiemonster, Lexi hat sich geändert.", versuchte ich mich also für meinen Bruder einzusetzen.
"Genau, der Alex ist ein absoluter Traummann. Er trägt Helin auf Händen.", mischte sich Dilan auch ein, während Helin ihren Bruder mit einem finsteren Killerblick fixiert hatte und aussah als würde sie gleich hochgehen.
"So ein Kerl ändert sich nie und der ist garantiert meilenweit entfernt von einem Traummann."
"Ja stimmt. Du bist da ja der Experte. Deshalb musste ich meine Schwester auch vor ein paar Machos retten, die sie angebaggert haben, während du dich nicht einmal ansatzweise um deine Freundin gekümmert hast. Also halt mal lieber deine Klappe.", kam es aufgebracht von meinem Bruder. Das war dann wohl der Moment, an dem mein Bruder nicht mehr still bleiben konnte. Das weitere Gespräch wurde jetzt ziemlich hitzig, aber in türkisch weitergeführt und alle am Tisch folgten dem interessiert und mischten sich teilweise nur aufgebracht ein. Klasse, nur ich saß da und verstand nichts, außer ab und zu ein paar Namen, darunter auch meinen. So langsam reichte mir das ganze Theater hier echt. Mein Handy vibrierte gerade in meiner Tasche. Da ich ja sowieso nichts verstand, zog ich es also aus der Tasche. Natürlich war es wieder eine Nachricht von MEINEM PUPPIESITTER.
Unter einem zuckersüßen Foto stand "Und, vermisst du mich?"
Wenn die beiden wüssten, wie sehr sogar. Ich schaute hoch und stellte fest, dass immer noch fleißig gezofft wurde.
"Ich wäre jetzt viel lieber bei meinem Nino. Hier ist gerade die totale Katastrophe ausgebrochen oder anders gesagt ich fühle mich wie auf einem anderen Planeten ausgesetzt und habe Heimweh.", schrieb ich also schnell zurück. Gerade als ich das Handy wieder in der Tasche verschwinden lassen wollte, vibrierte es wieder
"Sollen Nino und ich unser Raumschiff starten und dich abholen?" Ich musste grinsen, der Typ hatte doch echt einen Knall.
"Ich bin aber in der Nähe von Köln." Wieder ließ ich meinen Blick über den Tisch gleiten. Immernoch war ein hitziges Gespräch in Gang.
"Egal, wir reisen gerne durch die Galaxy. Schicke uns einfach die Adresse und wir fliegen los. Mit Worpgeschwindigkeit sind wir ganz schenll da und retten dich vor den Aliens." Ein Lachen entwich mir. Erschrocken schlug ich mir mit der Hand vor den Mund, während ich alle Blicke auf mir spürte.
"Schön, wenn du Spaß hast, während dein Bruder meine Schwester ausnutzt.", zickte mich Dogan an und sprang auf. Sein Stuhl schepperte auf den Boden und er lief wütend los. Mein Blick folgte ihm bis er den Saal verlassen hatte. So hatte ich ihn ja noch nie erlebt. Obwohl, das war falsch. Ganz früher, bevor wir uns angefreundet hatten, war er öfter so. Aber ehrlich gesagt, war er heute sowieso irgendwie komplett anders, so als würde er sich plötzlich verwandeln. Scheinbar hatte hier die türkische Kultur wesentlich mehr Einfluß auf ihn als sonst in unserem normalen Leben. Irgendwie fand ich diesen Dogan alles andere als sympathisch. Wo war mein verständnisvolles und bemühtes Cookiemonster geblieben? Ich hatte ehrlich keinen Bock mir das ganze hier noch länger zu geben.
Ich tippte also schnell eine Nachricht mit meiner Adresse und stand auf.
"Wo willst du hin?" Alex lief hinter mir her.
"Ich gehe meine Sachen holen und fahre nach Hause. Du kannst ja Dogan Bescheid sagen, falls er mich wider Erwarten vermisst." So glorreich wie er die ganze Zeit bei seinen Kumpels war, würde ihm mein Fehlen frühestens beim Auschecken auffallen.
"Ihr seid doch aber mit Dogans Auto hier. Komm' ich gebe dir Geld für das Taxi. Das dürfte teuer werden." Ich fragte mich woher mein Bruder das mit dem Auto wusste. War ja auch egal. Aber er kannte mich gut und wusste, dass ich garantiert nicht genug Geld dabei hatte.
"Brauchst du nicht, ich werde abgeholt." Mein Bruder musterte mich eindringlich. "Kathi oder Erik fahren um diese Zeit garaniert nicht die ganze Strecke freiwillig."
"Ich habe ja auch nicht von denen gesprochen. Man, Milli kommt mich mit meinem Nino abholen." Ein freches Grinsen schlich sich auf das Gesicht meines Bruders "Ich verstehe. Das gefällt mir auch viel besser als wenn meine Schwester etwas mit so einem idiotischen Macho hätte und dann auch noch gleichzeitig meine Schwägerin würde." Was meinte er denn damit? Mein Kopf fing an zu rattern. Ach, nö. Nicht schon wieder dieses leidige Thema.
"Milli und ich..."
"Sind nur gute Freunde.", wurde ich sofort unterbrochen "Hör doch auf mit dem Scheiß. Kein Mensch kutscht dafür durch die Gegend und rennt ständig mit einem noch nicht stubenreinen Welpen durch seine Designerbude." Genaugenommen waren wir ja nicht einmal gute Freunde sondern eher sympatisierende Feinde, die Goldie Welpen liebten. Das war aber etwas, was mein Bruder sowieso nie verstehen würde. Ich lief also weiter zu meinem Zimmer und drehte mich dabei noch einmal kurz zu meinem Bruder um, um ihm freundlich meine ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen und zuzurufen "Glaube doch was du willst."
"Das tue ich sowieso. Und dir noch viel Spaß.", kam die prompte Antwort verbunden mit einem Zwinkern. Der hatte doch echt so einen an der Klatsche. Ehrlich gesagt hatten heute alle Kerle hier mächtig einen an der Klatsche. Keine Ahnung, was mit denen passiert war als sie den Feiersaal betreten hatten. Vielleicht lag es ja auch daran, dass die Krawatten ihnen die Blutzufuhr zum Gehirn abschnitten. Wenn ja, dann konnte mein Abend ja nur besser werden, dachte ich, während ich schnell meine ganzen Sachen im Hotelzimmer zusammenkramte. MP würde ja den Saal nicht betreten und auch garantiert keine Krawatte tragen. Obwohl so ein bisschen ballaballa war der sowieso immer. Aber irgendwie auf eine doch ziemlich nette Art. Zumindest wenn ein Hundewelpe in der Nähe war. Ich lief grinsend zur Rezeption und gab meine Zimmerkarte ab, ehe ich hinaus in die laue Abendluft trat und auf MEINEN PRIVATCHAUFFEUR wartete.
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Ein Schuss, ein Volltreffer ✔Teil 4
FanficEndlich das Studium fertig und den perfekten Job gefunden. Vicki ist rundum zufrieden mit ihrem Leben. Wären da nur nicht immer die ständigen Turbulenzen und Herausforderungen mit ihrem besten Freund Dogan und ihrem Hassfreund Mister Protz. Alle die...