Kapitel 23

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Ich schreckte aus dem Schlaf hoch und saß aufrecht im Bett. Was sollte schon wieder dieser scheiß Baulärm. Mein Blick fiel zu meinem Handy. Gerade 7:05 und die stemmten irgendwelche Wände weg. Das konnte doch nicht die ihr verschissener Ernst sein. Ich sprang wütend aus meinem Bett. Den würde ich jetzt gleich einmal meine Meinung geigen. Ich stürzte also mit meinem Handy in der Hand aus der Wohnung und stampfte drei Etagen tiefer ins Erdgeschoss. Mein Finger vergewaltigte die Klingel, jedoch ohne Wirkung. Na super, war ja kein Wunder, dass niemand die Klingel hörte, bei dem Lärm. Ich nahm also noch meine eine Faust dazu und bummerte gegen die Tür, als sich wirklich etwas tat. Die Tür wurde aufgerissen und jemand stürzte heraus und rempelte mich an, ohne stehen zu bleiben, lief derjenige einfach weiter. "Sorry, ich habe es eilig.", war alles was ich über die Schulter zugeworfen zu hören bekam, als auch schon die Eingangstür wieder zu fiel. Also so wie der an mir vorbei gesaust war, hätte ich der Polizei nicht einmal eine Personenbeschreibung als Zeuge abgeben können. Kopfschüttelnd lief ich also in die Wohnung, deren Tür ja wenigstens jetzt offen war, um den Handwerkern eine Ansage zu machen.
"Hallo, schöne Frau. Können wir helfen?", zwinkerte mir ein Typ in Latzhose im mittleren Alter zu, während aus der anderen Ecke ein Pfiff ertönte. Wollten die mich hier gerade verarschen? "Ja, sie könnten den Lärm reduzieren.", giftete ich also ganz freundlich.
"Das würden wir ja gerne für so eine Schönheit tun, wenn Sie uns mit Frühstück und Kaffee versorgen, lassen wir unsere Maschinen schweigen und widmen Ihnen unsere Aufmerksamkeit.", grinste mich der doch jetzt echt an. Was sollte denn der Mist. Ich schnaubte wütend "Ach leckt mich doch." und drehte mich um. Für so einen Scheiß hatte ich definitiv weder Zeit noch Lust, sonst würde ich die schon zusammemhupen, aber ich musste noch meinen Koffer fertig packen und dann zum Flughafen. Schließlich wollte ich ja nicht den Flieger nach Berlin verpassen.
" Ich lecke dich jeder Zeit gerne, Süße. Sag mir nur Zeit und Ort ", hörte ich den anderen mir noch hinterher rufen und lachen. Mein erster Impuls wollte mich wieder umdrehen lassen. Meine absolute ruhige und besonnene Seite brachte mich dann nur dazu ihm den ausgestreckten Mittelfiger zu zeigen und ein freundliches "Fick dich" als Abschiedsgruß hinzuzufügen. Ich stampfte also galant zur Tür als ich noch ein "Das ist kein Einzelsport. Also wann hast du Zeit." hinter mir hörte. Ich feuerte wütend die Tür zu. Das war doch wohl echt nicht wahr. Einmal tief durchatmen würde sicher zum Frustabbau helfen und der Gedanke, dass ich heute noch meine Freundin Lucy treffen würde, trug auch zur Verbesserung meiner Stimmung bei als ich wieder ins Dachgeschoss stiefelte.  Das schlug aber sofort wieder um als ich jetzt vor meiner verschlossenen Tür stand. Scheiße, ich hatte meine Schlüssel nicht mitgenommen als ich aus der Tür gestürzt war. Ich atmete noch einmal tief durch bevor ich völlig entspannt gegen das Treppengeländer trat. Klasse. Dogan war heute ganz früh zu seinem Seminar nach bayrisch Kongo gefahren, also auf irgendsoein abgelegenes Kaff in der bayrischen Provinz. Der fiel also aus und konnte nicht mal schnell vorbei kommen und mich in die Wohnung lassen. Lisa war vor dem Radau in den Urlaub geflüchtet und entspannte sich in der Ruhe des Ballermanns. Wen sollte ich denn anrufen, während ich noch grübelte, hörte ich Absatzgeklapper auf den Treppen und hob meinen Blick.
"Was stehst du hier halb nackt im Hausflur herum.", grinste mich meine Schwester an. Man, was freute ich mich sie zu sehen.
"Hab' mich ausgeschlossen als ich die Handwerker zusammembrüllen wollte wegen des Lärms." Kathi schaute mich von oben bis unten an und schüttelte den Kopf "Du bist doch nicht allen ernstes so zu denen runter marschiert." Ich schaute jetzt auch an mir herunter. Okay, mein Schlafshorty war wirklich ziemlich knapp.
"Aber du hörst ja, jetzt ist es still, also hat es geholfen." Ich klopfte mir innerlich auf die Schulter.
"Ja, aber wahrscheinlich nur so lange sie sich einen von der Palme wedeln." Meine Schwester griff in ihre Tasche und holte unseren Wohnungsschlüssel heraus, als auch wieder der ohrenbetäubende Lärm einsetzte "Na die sind ja von der schnellen Truppe." Ach nein, wie witzig. Seit wann war meine Schwester so humorvoll und vor allem versaut? Das war eindeutig mein Part und  nicht ihrer.
"Was wolltest du eigentlich hier?" Meine Schwester tauchte ja doch eher selten hier auf. Ich war da schon öfter bei ihr.
"Ich wollte dir noch dein Kleid vorrbeibringen. Oder wolltest du ohne fliegen?" Gerade schaute sie mich genauso an wie sie Sascha anschaute, wenn er irgendetwas verpeilt hatte. Ich schlug mir mit der Hand vor die Stirn. Das hatte ich ja völlig vergessen, dass sie es mit zu sich genommen hatte. Jetzt bemerkte ich auch erst den Kleidersack in ihrer Hand.
"Außerdem hat mich gestern noch Dogan angerufen und bekniet dich zum Flughafen zu bringen, damit du nicht mit den Öffis fahren musst, weil er nicht da ist." Meine Schwester schob sich an mir vorbei "Dann mache ich uns mal schnell ein Frühstück. Du hast doch garantiert noch nichts gegessen." Ich tapste ihr also hinterher in die Küche.
"Wow, sieht das lecker aus. Und sogar Muffins sind da.", meine Schwester schaute begeistert auf den für zwei Personen gedeckten Frühstückstisch und setzte sich, bevor sie auch gleich zugriff. Seit wann war die denn so verfressen? Das war doch auch mehr mein Part. Ich plumpste also auch auf meinen Stuhl und wollte mir einen Muffin auf meinen Teller legen, als ich den kleinen Teddybären darauf entdeckte unter dem noch ein Briefumschlag lag.  Ich zog den Umschlag vor und öffnete ihn.
"Uih, ein Liebesbrief.", quietschte meine Schwester und griff nach dem Teddy "So einen habe ich von Erik auch zum Valentinstag bekommen.", strahlte sie und strich über das Herz, das der Teddy in seinen Pfoten hielt.
"Dogan ist ja mächtig in dich verschossen. Wann macht ihr es eigentlich endlich einmal offiziell?" Kathi schaute mich neugierig an. Diese Frage nervte ja mal wieder. "Wir sind nur beste Freunde.", knurrte ich. Warum konnten das alle nicht einfach mal akzeptieren. Ich lenkte mich also mit Dogans Brief ab, ehe ich meiner Schwester doch noch etwas an den Kopf knallte.

Hallo Muffin,
leider musste ich ja schon so früh weg, dass wir uns nicht mehr gesehen haben. Es tut mir so leid, dass ich dich nicht zum Flughafen bringen kann. Vielleicht trösten dich ja die Muffins ein wenig. Wenn du wiederkommst hole ich dich aber garantiert ab, versprochen. Der Teddy soll im großen bösen Berlin auf dich aufpassen und dich beschützen. Und wenn du mich vermisst, kannst du ihn ja knuddeln und an mich denken. Ich werde dich auf alle Fälle vermissen.
Hdl Dogan

Ich fragte mich echt, wann er es geschafft hatte noch extra Muffins für mich zu backen. Obwohl, wenn ich mich nicht ranhielt, würde ich keine mehr abbekommen. Ich drückte den Teddy an meine Brust. Irgendwie würde ich mein Cookiemonster garantiert auch vermissen. Und das mit dem Frühstückstisch, den Muffins und dem Brief mit Teddy war ja schon irgendwie voll süß.
"Ja, genau nur beste Freunde. Du hättest deinen Blick sehen müssen als du den Brief gelesen hast und jetzt knuddelst du den Teddy. Ihr belügt euch doch selber. Kein Mann backt nur für seine beste Freundin Muffins und deckt mitten in der Nacht den Frühstückstisch. Ganz zu schweigen von Liebesbriefen und Plüschtieren. Du solltest Dogan endlich aus der Friendzone lassen. Ihr seid das perfekte Paar." Kathis Augen schauten mich fordernd an "Eigentlich seid ihr schon wie ein altes Ehepaar. Ihr müsst nur mal dazu stehen." Meine Schwester hatte doch einen Vollknall. Altes Ehepaar. Das ich nicht lachte. Wir waren nur ein eingespieltes WG Team und beste Freunde. Da würde sich auch nichts dran ändern. "Wann hattest du denn das letzte Mal ein Date mit jemandem der nicht Dogan war?" So langsam nervte meine Schwester echt. Ich überlegte kurz.
"Siehst du ist schon so lange her, dass du dich nicht einmal mehr daran erinnern kannst.", zwinkerte sie mir zu. Na gut, dass war wirklich schon ziemlich lange her. Vielleicht sollte ich in Berlin in der Woche ein wenig aktiv werden, dann konnten die mich auch alle mal mit ihren blöden Sprüchen.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt