Kapitel 52

553 56 12
                                    


"Mannometer, Philipp. Jetzt komm doch mal in die Hufe. Ich habe noch mehr zu tun als hier meine Zeit mit dir zu vertrödeln.", brüllte ich über den Trainingsplatz. Die anderen Spieler liefen alle zügig in Richtung Kabine, während mein ganz spezieller Freund sich in der Anschleichtechnik der Sioux übte. Das konnte doch echt nicht wahr sein. Dachte er etwa er müsste weniger machen, wenn er auf Zeit spielte? Das konnte er ja mal vergessen. Auch wenn ich mich beeilen wollte, damit ich mit Erik rechtzeitig beim Arzt war, würde ich ihm das mit Sicherheit nicht durchgehen lassen.
"Los, jetzt. Du läufst jetzt 20 Runden und wenn die fertig sind, dann hast du Schluß. Also hoppi." Bestimmt würde er jetzt den Turbo zünden, damit er schneller den Abflug machen konnte. Doch das war weit gefehlt. Er schlich immer noch auf mich zu. Na klasse, bei dem Tempo war er ja morgen zu Trainingsbeginn noch nicht fertig. Mir musste etwas einfallen, wie ich ihn zu etwas mehr Schnelligkeit motivierte.
"Pass auf, wir laufen jetzt die 20 Runden gemeinsam. Und wenn du langsamer als ich bist, dann musst du morgen eine extra Einheit nach dem Training schieben. Okay?" Ein bisschen Anreiz konnte ja nicht schaden. Kein Mensch machte freiwillig eine Extraschicht. Ich setzte mich also in Trab. So ein bisschen Bewegung würde  mir schon nicht schaden. Und letztendlich tat ich das ja auch für Kathi und Erik, damit ich ihnen pünktlich mit Sascha helfen konnte.
"Und was bekomme ich als Belohnung, wenn ich schneller bin oder anders gesagt, was musst du machen, wenn du langsamer als ich bist?" Der grinste mich dabei auch noch kackendreist an.
"Deine Belohnung ist, dass du keine Extraschicht machen musst. Und jetzt halte die Klappe und laufe. Du wirst hier nicht für's Labern bezahlt."
"Trotzdem, wenn ich schneller als du bin, dann darf ich einmal zu spät kommen und du musst meine Schuhe putzen." Der hatte doch wohl einen Vollknall. Er war schließlich zu spät gekommen und hatte Straftraining und wollte dafür noch etwas herausholen. Obwohl ehrlich gesagt fand ich das schon ziemlich schlitzohrig. Und nach der harten Trainingseinheit vorher hatte er sowieso keine Chance gegen mich. Also warum sollte ich mir den Spaß eigentlich nicht gönnen. Außerdem würde es ihn garantiert beschleunigen.
"Okay, Deal." Plötzlich sprintete er neben mir los. Na holla, woher hatte der auf einmal die Energie?  Ich zog also auch schnell meine Geschwindigkeit an. Während wir eine Runde nach der anderen zogen, sah ich nur, wie sich die anderen Spieler an den Rand setzten und uns beobachteten.
"Ay, Milli. Zeig ihr wo der Hammer hängt.", hörte ich Marius brüllen. War ja klar, dass der gegen mich schoss. So langsam war ich ziemlich ausgepumpt, aber die letzten zwei Runden würde ich noch durchziehen. Meine Blick fiel gerade zu meinem Konkurrenten, der schon eine sehr gesunde Gesichtsfarbe hatte und ziemlich verbissen schnaufte. Trotzdem war er scheinbar nicht bereit nachzugeben. Das gleiche traf aber auch auf mich zu. Das war schließlich eine Frage der Ehre.
"Los, Vicki. Beeeile dich, sonst kommen wir zu spät." Eriks Stimme feuerte mich gerade unheimlich an, denn zu spät kommen ging gar nicht und ich mobilisierte noch einmal alle Kraftreserven für die letzten Meter.
"Wuhu, ihr seid gleichzeitig angekommen. Milli, was bist du für eine Pussi, dass du nicht einmal schneller ala eine Frau bist." Was war das denn für ein dämlicher Machospruch? Also Marius ging mir ja mal dezent auf den Sender.
"Halt die Fresse, Wolf.", keuchte es neben mir nur. Ich stand da und hatte meine Hände auf den Oberschenkeln abgestützt, während ich versuchte meinen Atem wieder zu kontrollieren.
"Hier hast du was zu trinken." Erik hielt mir eine Flasche Wasser hin, die ich in einem Zug leerte, bevor ich mich schnell auf den Weg in die Umkleide machte.
Frischgeduscht sprang ich nach kurzer Zeit zu Erik ins Auto, der dort während er wartete auf seinem Handy herumtippte.
"Na los, fahr endlich. Nicht, dass wir zu spät kommen." Mein Schwager in spe grinste mich nur an "Keine Angst, wir sind pünktlich. Ich habe gerade noch mit Kathi geschrieben." Wir rollten also vom Parkplatz des Trainingsgeländes als ich meine Augen schockiert aufriss, denn wir fuhren gerade an genau so einer Nobelprollkarre vorbei, wie die, die mich zugeparkt hatte. Im Seitenblick hatte ich noch Teile des Kennzeichens wahrgenommen. Und das waren definitiv die gleichen wie an der besagten Karre.
"Weißt du, wem der Mercedes gehört?" Ich deutete auf das Auto zurück und Erik schaute in den Rückspiegel. "Nö, keine Ahnung, habe ich hier noch nie gesehen. Vielleicht einem Sponsor oder so." Erik zuckte mit den Schultern. Klar, das war garantiert irgendsoein Geldsack. Dem würde ich heute Abend noch einmal einen Besuch abstatten und eine klare Ansage machen. Zufrieden lehnte ich mich im  Autositz zurück und versuchte mich etwas zu entspannen.
"Und, was wünscht du dir?" Ich schaute zu Erik, dessen Kopf sich sofort zu mir drehte.
"Naja, egal Hauptsache gesund. Und vielleicht ein Mädchen, weil wir haben ja schon Sascha. Aber bei einem Jungen würde ich mich schon besser auskennen." Seine Wangen färbten sich leicht rot. Ich musste grinsen "Ich meinte damit eigentlich mehr, ob du dir ein Kind wünschst oder nicht."
Erik fuhr sich mit seiner linken Hand durch den Nacken "Natürlich wünsche ich mir ein Kind. Kathi und ich wollten eigentlich nur warten bis Sascha in der Schule klar kommt, also so nach der ersten Klasse. Aber dann ist das jetzt halt etwas früher." Etwas ähnliches hatte ich fast vermutet. Mir war klar, dass Sascha kein Einzelkind bleiben sollte.
"Tante Vicki. Da seid ihr ja endlich." Sascha kam auf mich zugesprungen, kaum dass ich aus dem Auto ausgestiegen war.
"Ich muss dir nachher mein Mitteilungsheft zeigen. Ich habe heute schon mein erstes Sternchen bekommen, weil ich schon meinen Namen und meine Adresse fehlerfrei alleine schreiben konnte und weil ich schon ein paar Rechenaufgaben konnte. Schule macht voll Spaß." Mein kleiner Teddy war total hibbelig vor Aufregung. Ich freute mich, dass er an seinem ersten Schultag schon ein solches Erfolgserlebnis hatte.
Meine Schwester umarmte mich auch "Na dann lasst uns mal reingehen." Gerade als wir die Tür öffneten, kamen uns Jasi und Roman entgegen. So wie die beiden strahlten, erübrigte sich eigentlich fast die Frage, die Erik aber doch stellte.
"Und, seid ihr schwanger?"
Roman grinste noch mehr im Kreis und nickte so enthusiastisch, dass ich Angst um seine Nackenmuskulatur hatte, ehe er seiner Frau liebevoll über den Rücken strich.
"Wievielte Woche?"stellte jetzt Kathi die eigentlich wirklich interssante Frage, nachdem wir die beiden umarmt und ihnen gratuliert hatten.
"6. Woche." Jasis Augen leuchteten vor Freude. "Naja, eigentlich wollten wir ja noch warten, bis Roman seine Karriere beendet, aber jetzt freue ich mich über die Überraschung unglaublich. Ich bin ja gespannt, was bei euch und bei Franzi und Marco herauskommt. Die beiden sind gerade nach uns dran. Also ihr habt noch etwas Zeit." Das war ja dann mal wieder eine halbe BVB Veranstaltung der anderen Art. Ich musste mir ein Lachen echt verkneifen. Ob es dafür einen Mengenrabatt gab?
"Na, dann euch auch viel Glück." Roman klopfte Erik zum Abschied auf die Schulter. Jasi zog ihren Mann an der Hand "Los, jetzt komm, Brummbärli. Ich habe den totalen Jeeper auf Gyros mit Käse überbacken und dazu scharfe Antipasti." Roman folgte seiner Frau sofort "Und ruf' mich nachher auf alle Fälle an.", schmiss Jasi Kathi noch schnell über die Schulter zu.
Also das erste Baby kam schon einmal im nächsten Frühjahr auf die Welt. Ob sich da wohl noch mehr dazu gesellten? Vielleicht wurde dann ja die kleine Freundeskita wieder weitergeführt.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt