Kapitel 69

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Ich hörte ein leises Rascheln "Schau mal, Nino. Das sind ja zwei süße Schlafmützen." Mein Gehirn musste sich erst einmal kurz hochfahren, um die Stimme zu analysieren und zuzuordnen. Das war Silvi. Was meinte sie mit zwei Schlafmützen? Ich rappelte mich auf, wurde aber von einem Arm zurückgehalten. "Nicht bewegen, Dornröschen. Will noch schlafen.", grummelte es neben mir. Ich riss meine Augen auf. MP und ich lagen mitten im Wohnzimmer seiner Mutter aneinander gekuschelt auf dem Sofa. Nö, wir waren doch echt gestern Abend beim Filmgucken eingeschlafen. Naja, der Abend war ja sowieso etwas anders als geplant verlaufen. Nachdem wir fluchtartig zum Hundewelpen nach Hause gestürzt waren, hatten wir noch eine ganze Weile mit dem Kleinen gespielt und uns dann für einen scheinbar ziemlich langweiligen Actionfilm entschieden, anstatt doch noch ins Pearl nachzufahren. Mist, ich wurde wirklich langsam alt, wenn ich an einem Samstag Abend beim Filme gucken auf dem Sofa einschlief anstatt durch angesagte Clubs zu tanzen. Ich versuchte mich von MEINEM POLYPENARM zu befreien, was mir aber wieder nur ein stöhnendes "Nicht aufstehen, Dornröschen. Du musst schlafen bis der Prinz dich küsst." und einen noch stärkeren Klammergriff einbrachte. Hielt der mich für sein Kuschelstofftier? Außerdem warum nannte der mich immer Dornröschen? Der glaubte doch wohl nicht wirklich, dass er der Prinz wäre. Das war ja lachhaft.
"Na Prinz, dann wache mal schnell auf und küsse sie, damit wir endlich frühstücken können.", lachte Silvi. Die uns von der Tür aus beobachtet hatte. "Nino und ich waren schon Schrippen holen. Die hatten heute sogar Splitterbrötchen." Meine Laune stieg gerade ins Unermessliche als ich diese beiden S-Wörter hörte. "Dann werde ich mal den Spieß umdrehen und MEINEN PRINZEN wecken.", grinste ich und drückte ihm einen schönen schlabberigen Knutscher auf die Wange.
"Hör auf mich abzuschlabbern, Nino. Frauchen und ich wollen noch schlafen.", brummelte der Kerl. Der hatte mich doch gerade eben nicht wirklich mit einem ihn ableckenden Welpen verwechselt. Empört befreifte ich mich jetzt endgültig von den Polypenarmen und sprang auf.
"Menno, Dornröschen." MP richtete sich auch auf und rieb sich seine Augen, ehe er sich streckte. Was hatte der denn andauernd mit seinem dämlichen Dornröschen? War der Gebrüder Grimm Fan oder was sollte das?
"Kannst du mir mal sagen, warum du mich immer Dornröschen nennst?" Ich fixierte ihn mit meinen Augen. MP fuhr sich durch seine verwuschelten Haare "Ähm, naja.", druckste er herum.
"Hau das jetzt raus, oder ich mache dich erst zu Schneewittchen und dann zum Zappel Philipp.", knurrte ich. Ich hasste es, wenn mir jemand irgendwelche blöden Namen gab und ich nicht einmal wusste, warum.
"Man, jetzt chill doch mal. Eigentlich könntest du da auch selber drauf kommen, wenn du dein Gehirn ein wenig arbeiten lässt." Hatte der mich gerade dumm und denkunflexibel genannt? Ich schnaufte empört auf.
"Du hälst mich also für blöd.", schnaubte ich.
"Das habe ich doch gar nicht gesagt.", kam sofort die meckernde Antwort.
"Du hast gesagt, ich bin zu faul mein Gehirn zu benutzen." Ich konnte auch giftig werden.
"Stop, Pause.", ertönte auf einmal Silvis Stimme, die immer noch grinsend auf ihrem Platz an der Tür stand "Eigentlich würde ich jetzt gerne frühstücken. Vielleicht könntet ihr ja später damit weitermachen euch zu zerfleischen, damit ich dann mit vollem Magen in der Notaufnahme warten kann." Jetzt musste ich lachen und MP grinste auch frech, ehe er kopfschüttelnd aufstand und in die Küche schlurfte.
"Aber mich würde das mit Dornröschen jetzt auch mal interessieren.", griff Silvi das Thema wieder auf, nachdem wir mit dem Frühstücken fertig waren und den Tisch zusammen abräumten. Stimmt, da war ja noch etwas. Hatte ich fast vergessen. "Genau, was ist das mit Dornröschen.", stieg ich also auch mit ein.
"Danke, Mama." MP zog seine Nase kraus als er seine Mutter anschaute "Das hätte sie so schön vergessen."
"Also hälst du mich nicht nur für dumm, sondern auch noch für total verpeilt, oder was.", sprang ich gleich wieder darauf an. Sofort hob er beschwichtigend seine Arme. "Man, nicht schon wieder." Ein genervtes Stöhnen entwich ihm "Also gut. Wie heißt du?" Wollte der mich jetzt rollen? Oder hielt er mich für so blöd, dass ich nicht einmal meinen Namen kannte?
"Vicki.", knurrte ich also. Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn "Mit Nachnamen." Das hätte er doch auch gleich sagen können. "Dorn." Er grinste mich an "Und rattert da was?" Ich zuckte mit den Schultern "Ähm, lass' überlegen. Nö." So langsam reichte es mir wirklich. War das hier wer wird Millionär die 500 Euro Frage oder was. Vielleicht sollte ich den Telefonjoker anrufen. Oder ich fragte mal MEINEN PUBLIKUMSJOKER "Also was meinst du damit? Ich stehe gerade auf dem Schlauch."
"Das du so etwas mal von alleine zugibst.", grinste er mich an. Sofort fixierte ich ihn mit funkelndem Blick "Schon gut.", versuchte er mich gleich wieder zu beschwichtigen. "Ist doch ganz einfach du heißt Dorn." Okay, soweit waren wir schon einmal und das ist jetzt nichts, was ich nicht seit fast dreißig Jahren wusste. Während er sich mit seiner Hand durch die Haare fuhr, wedelte ich mit meiner Hand, um ihm etwas Tempo zu machen "Naja, du bist halt genauso hübsch wie ein Röschen und manchmal genauso stachelig." Der hatte mich gerade stachelig genannt. Ich fing gerade innerlich an zu brodeln. Nur weil ich meine Meinung sagte, war ich doch nicht stachelig.
"Och, dass ist aber süß, der Kosename. Du bist genauso ein Charmeur wie es dein Vater war und genauso kreativ." Silvi zog ihren Sohn in ihre Arme und drückte ihm einen Schmatzer auf die Wange "Du hast vollkommen recht. Sie ist wirklich so hübsch wie eine Rose. Weißt du noch wie dein Vater mich immer genannt hat?"
"Mama, ist gut. Das gehört jetzt hier nicht hin." Da wollte jetzt aber jemandem schnell das unangenehme Thema wechseln, denn MEINE PEINLICHKEIT hatte eine ordentlich Gesichtsfarbe bekommen. Ich ließ mir noch einmal das durch den Kopf gehen, was er gesagt hatte. Er fand mich also hübsch. Wow, da hatte ich überhaupt nicht mit gerechnet. Klar hatte ich das schon öfter gehört, dass Männer mich hübsch fanden. Aber mit einer Rose hatte mich noch niemand verglichen. Und irgendwie hatte seine Mutter auch recht. Kreativ war das ganze in Verbindung mit meinem Namen wirklich. Ich musste grinsen. Eigentlich gefiel mir Dornröschen ganz gut.
"Aber wehe, du nennst mich jemals beim Training oder vor den anderen so, dann hast du so viel Straftraining, dass du nicht einmal mehr nach Hause fahren brauchst zwischen den einzelnen Trainingseinheiten."
"Geht klar, Dornröschen." Plötzlich rieb er sich nachdenklich das Kinn "Obwohl, du musst ja mich dann die ganze Zeit beaufsichtigen.", zwinkerte er mir frech zu. Warum stieg mir jetzt Hitze in die Wangen? Und warum setzte sich ein Kopfkino in Bewegung?
"Was ist denn an Schnulli so verwerflich. Und wenn ich es richtig sehe, ist das auf alle Fälle ein rotes Röschen." Sylvi schaute erst mich an und dann ihren Sohn "Und du hast auch eine gesunde Gesichtsfarbe."
"Mensch, Mama."
"Mensch Silvi.", kam es von uns beiden wieder gleichzeitig. Irgendwie mussten wir jetzt aber doch alle drei lachen.
"Und noch einen kleinen Ratschlag von einer alten Frau. Bei euch beiden ist ganz schön Dampf auf dem Kessel. Ihr solltet echt mal nach dem Ablassventil suchen." Sylvi zwinkerte uns frech zu, bevor sie uns einfach stehen ließ.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt