Kapitel 108

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Ich drehte mich um und musste lachen. MP stocherte verzweifelt mit seinen Skistöcken im Schnee herum. "Das ist doch die volle Scheiße.", maulte er herum, während er wieder ein Stück zurück rutschte anstatt vorwärts zu kommen. Wir hatten uns heute entschieden, es einmal mit Langlauf auszuprobieren. Abfahrt war ja für ihn aufgrund seines Vertrages sowieso tabu. Langlauf konnte ich aber als Athletiktrainerin  zum Konditionserhalt und Ausbau gut in seinen Trainingsplan mit aufnehmen und die Verletzungsgefahr war normalerweise auch nicht größer als würde er eine Runde laufen. Ja, normalerweise. Bei den Versuchen von ihm sich auf der weißen Substanz vorwärts zu bewegen, war ich mir da jetzt nicht mehr ganz so sicher. Auch nicht, ob er dabei überhaupt Kondition aufbaute. Das einzige, was bis jetzt getestet wurde, war seine Armmuskulatur.
"Mensch Milli, jetzt stell dich doch nicht so dämlich an. Das ist doch ganz einfach." Silvi lief leichtfüßig auf ihren Skiern an ihrem Sohn vorbei, während er versuchte sich aufrecht hinzustellen, ohne wieder rückwärts zu rutschen. Das Lachen musste ich mir wirklich verkneifen als er mit zusammengekniffenen Augen seiner Mutter hinterherschaute, die schon wieder ein ganzes Stück weg war. Ich sah, wie er die Zähne zusammenbiss und sich wieder mit dem Skistock versucht abzustoßen.
"Du musst dich abstoßen und dann mit Gefühl gleiten. Das Gleiten ist das wichtigste." Er zwinkerte mir zu "Das gefühlvolle Gleiten ist doch immer das wichtigste." Ich schüttelte nur grinsend meinen Kopf und musste an die letzte Nacht denken. Rücksichtsvoll wie meine Eltern waren, hatten sie uns wirklich getrennte Zimmer gegeben. Glücklicherweise lagen sie wenigstens gegenüber. Es hatte gestern Abend keine halbe Stunde gedauert bis sich meine Zimmertür leise geöffnet hatte und jemand zu mir ins Bett geschlüpft war. Wenn ich ehrlich war, war ich auch gerade kurz davor gewesen mich in sein Zimmer zu schleichen. Das war schon voll komisch. Ich hatte mich so daran gewöhnt in seinen Arm eingekuschelt zu schlafen, dass ich sonst kaum einschlafen konnte. Ich fragte mich manchmal schon, wie das im Januar laufen sollte, wenn wir im Trainingslager in Marbella waren.
"Boah, ich habe keine Lust mehr auf den Mist." MP warf frustriert seine Skistöcker in den Schnee. "Wie komme ich jetzt wieder aus diesem dämlichen Scheiß?" Irgendwie zappelte er wild herum und trat sich immer auf die Skier. "Warum gehen diese Mistbindungen denn nicht auf? Sonst fliegen die doch immer ab, wenn die beim Skirennen stürzen im Fernsehn."  Ich musste lachen "Das sind Abfahrtskier."
"Skier sind Skier." ,grummelte er. "Du musst da vorne mit dem Skistock reinpieken, dann geht die Bindung auf." Ich folgte seinem sehnsüchtigen Blick zu seinen Skistöcken, die auf der Erde lagen und das dummerweise in fünf Meter Entfernung. Tja dumm, wenn man manchmal etwas impulsiv war. Da ich aber selten auch eine mildtätige Seite hatte, nahm ich meinen Stock und öffnete seine Bindung. Kaum dass seine Füße wieder den Schnee berührten, jubelte er auf und riss mich in seine Arme. Das war nur eine mittelgute Idee, denn ich hatte noch die Skier unter meinen Füßen. Den Schnee aber nicht mehr lange, jedenfalls nicht mehr unter den Füßen, sondern mehr unter meinem Hintern und zur Krönung landet Monsieur Profisportler auch noch auf mir.
"Wenn ihr kuscheln wollt sucht euch ein Zimmer." Silvi war gerade auf ihrer nächsten Runde an uns vorbeigerauscht.
MP schaute mich augenverdrehend an, ehe sich sein Gesicht meinem immer mehr näherte und seine Lippen ganz sanft meine berührten. Nach einer ganzen Zeit Knutscherei im Schnee, rollte er sich von mir "Wir sollten lieber aufstehen, ehe uns meine Mom noch einmal erwischt." Ich nickte und versuchte mich aufzurappeln. Sofort wurde ich hochgezogen "Wollen wir nicht lieber was anderes als Skifahren machen?" Bei diesem Welpenblick hätte ich niemals darauf bestehen können. Ganz abgesehen davon, dass ich ja auch eine gewisse Verantwortung hatte, dass meine Schützlinge verletzungsfrei blieben.
"Lass uns Schlittenfahren gehen." Das war doch mal ein Vorschlag, der mir auch gefiel.

Im Kamin knisterte das Holz und ich schaute wie die Flammen tanzten. Im Hintergrund lief irgendwelche klassische Musik. Ach ja, für meine Eltern wäre es ein Untergang der Kultur, wenn andere Musik laufen würde. Silvi war zusammen mit Christine und Thomas nach Innsbruck gefahren, um noch ein paar Sachen für Silvester zu besorgen und sich die Stadt anzuschauen. Und auch MP war zusammen mit Erik in den Ort gelaufen, um etwas zu erledigen und Kathi und ich durften auf gar keinen Fall mit. Dummerweise oder auch glücklicherweise hatten sie Sascha mitgenommen, den meine Schwester und ich nachher garantiert ausquetschen würden. Natürlich auf die ganz sanfte Art, aber es konnte ja wohl nicht sein, dass wir nicht wussten, was die Kerle planten. Kathi setzte sich neben mich. "Du bist total happy mit Milli, oder?" Ich drehte mich zu ihr. Was sollte das denn jetzt? Sie wollte doch wohl nicht wirklich ein Schwesterngespräch mit mir starten. Also generell hatte ich nichts dagegen, aber das Thema war doch total daneben. "Ja, wir sind halt beste Freunde." Kathi fing an zu lachen. "Glaubst du den Mist eigentlich selbst?" Ich nickte "Ja, tue ich." Kathi schüttelte immer noch lachend den Kopf "Deshalb knutscht ihr auch und sucht ständig gegenseitig eure Nähe. Nee, ist klar. Nur beste Freunde." Wieso wusste sie, dass wir knutschen? Ich schaute sie irritiert an "Tja, wenn ihr das geheimhalten wollt, solltet ihr euch nicht im Schnee rollen, wenn Spaziergänger vorbeikommen, die ihr im übrigen nicht einmal bemerkt habt. Erik und ich sind an der Loipe mit den Hunden beim Gassigehen vorbeigekommen." Na klasse. War ja klar. Ich spürte, dass mir das Blut in die Wangen schoss. "Och, ist das süß, jetzt wirst du auch noch rot." Am liebsten würde ich meiner Schwester gerade den Hals umdrehen, aber das wäre dann ja Doppelmord. "Man ja, wir sind halt beste Freunde plus.", knurrte ich also ziemlich angepisst. Kathi grinste mich an "Ich wusste doch sofort, dass da was läuft und die ganze Homogeschichte absoluter Blödsinn ist. Ihr beide seid immer so süß zusammen." Plötzlich kullerte ihr eine Träne über die Wange "Man sieht immer wie liebevoll ihr euch anschaut.", schniefte sie mit einem Lächeln Boah, warum mussten schwangere Frauen eigentlich immer so auf Hormonen sein. Das war ja furchtbar. Genaugenommen war es das stärkste Argument nicht schwanger zu werden. Dummerweise wollte ich aber irgendwann Kinder, also musste ich mich dann irgendwann wohl auch damit abfinden, dass ich so ein völlig konfuses Weib werden würde.
"Es ist und bleibt eine Freundschaft plus.", versuchte ich meiner Schwester also noch einmal klar zu machen, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob es durch ihren rosa Hormonschleier hindurchdrang.
"Ist doch egal, wie ihr es nennt. Hauptsache ist doch,ihr seid glücklich und du hast endlich einmal den mega perfekten Kerl gefunden, der es mit dir aufnehmen kann und aushält." Juhu, da war wieder mein enthormonisierte Schwester, die davon ausging, dass ich unerträglich war. Aber sie hatte Recht. MP war mir und meinem Temprament wirklich gewachsen. Und mit noch etwas hatte sie Recht. Ich war glücklich.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt