Kapitel 34

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Wer war eigentlich auf die dämliche Idee gekommen, dass man nach diesem fünf Gänge Menü tanzen sollte. Meine Lust mich zu bewegen tendierte gegen null. Trotzdem wurde ich gleich nach dem Eröffnungswalzer, den Lucy und Joshua wirklich sehr gefühlvoll auf das Parkett gebracht hatten, von genau diesem auf die Tanzfläche gezerrt.
Joshua tanzte wirklich gut und meine Zehen, die sich schon auf das schlimmste eingestellt hatten, atmeten erleichtert auf.
"Du hättest Tänzer und nicht Fussballer werden sollen.", grinste ich ihn an "Da hättest du mehr Erfolg." Sofort wurde ich einmal kräftig um meine eigene Achse gewirbelte und dann weiter über das Parkett geführt. "Ich danke für dein wirklich liebevolles Kompliment, aber leider muss ich mein Talent jetzt noch an Lucys Mutter ausleben." Und schon drückte er meine Hand in eine andere Hand und verschwand. Ich schaute direkt in die blauen Augen des Handbesitzes, der mir auch sofort zuzwinkerte. Okay, dann wollten wir doch mal sehen, ob er sich auch genauso graziös bewegen konnte wie sein Kumpel. Ehe ich mich versah, wurde ich eng in den Arm gezogen und spürte Hände, die sich ziemlich deutlich auf meinem verlängerten Rückrat breit machten. Was sollten die Griffel auf meinem Knackarsch? Und wieso befand ich mich hier in Klammerbluesposition? Die Musik hörte sich eher nach einer flotten Samba an und ich stand hier umklammert und bewegte meine Füsse millimeterweise.
"Ähm, tanzen ist jetzt nicht so meins." Wow, der konnte ja sogar mal kleinlaut.
"Merkt man fast gar nicht." Ich liebte Ironie. Innerlich bedankte ich mich aber im Namen meiner Zehen für seine unerwartete Einsicht. Wenn wir hier jetzt aber schon so zusammen abstanden, konnte ich ja mal nachfragen, was da mit der Rezeption war. Bisher war ich nämlich noch nicht dazu gekommen. "Hast du das mit dem Einchecken klären können?"
"Klar, null problemo." Wieso beruhigte mich diese Antwort jetzt eigentlich nicht? Vielleicht weil das auch die Antwort bei der Rede war, die dann ja auch mal völlig in die Hosen gegangen war.
"Was kommt jetzt eigentlich als nächstes?" Ich fing an zu grübeln.
"Ähm naja erst das Feuerwerk und ganz zum Schluß der Brautstrauß, der geworfen wird." Glücklicherweise hörte sich das jetzt nicht mehr so aufwendig an. Obwohl so wie der Tag heute verlaufen war, würde es mich nicht wundern, wenn bei dem Feuerwerk halb Brandenburg mit weggesprengt wurde. Vielleicht sollten wir noch einmal kurz bei dem Pyroteam nachfragen, ob alles so weit in Ordnung war.
"Dann haben wir es ja bald geschafft.", atmete auch MEIN PROFITÄNZER auf, während wir immer noch mehr oder weniger auf der Tanzfläche herumstanden und alle anderen Paare um uns herumsausten.

"So, jetzt mal alle bitte auf die Terrasse.", hörte ich MPs sonore Stimme durch den Saal brüllen, während der Pyrotechniker nur auf mein Handzeichen wartete, um den Zauber zu starten. Lucy und Joshua tauchten neben mir auf, genau wie die Brauteltern und auch der Rest der Feiergesellschaft. Ehe ich dazu kam zu überprüfen, ob auch wirklich alle einen Platz gefunden hatten, wurde ich unsanft von der Seite angerempelt und mein Arm flog in die Höhe. Keine Sekunde später tauchten die ersten Feuerblumen am Himmel auf und die Feuerwerksmusik ertönte im Hintergrund. Manno, welcher Depp hatte mich denn da angerempelt. Ich schaute zur Seite. Okay, das war ja eigentlich klar. Den Blick hätte ich mir auch sparen können.
"Schade, jetzt haben wir den Anfang verpasst.", hörte ich es mehrfach hinter mir. War ja klar, dass auch das Feuerwerk nicht ohne Panne ablaufen würde. Aber ein Blick auf das begeisterte Brautpaar sagte mir, dass sie davon wieder einmal nichts mitbekamen. Ich versuchte noch einmal mich kurz zu entspannen und durchzuatmen während ich das Feuerwerk beobachtete, bevor es gleich mit dem Brautstrauß weiterging.
Innerlich machte ich drei Kreuze, dass Brandenburg noch heil war als wir wieder im Saal ankamen.
"So jetzt bitte alle Junggesellinnen auf die Tanzfläche zum Brautstraußfangen." MP hatte mal wieder seinen Job als Sprachrohr übernommen. Ich schaute wie sich eine kleine Traube bildete.
"Du auch, Vicki.", blökte jetzt natürlich Lucy los, als ich keinerlei Anstalten machte mich dazuzugesellen. Wozu auch? Was sollte ich das Gemüse fangen und damit eine potenzielle Braut um ihr Vergnügen bringen sich ein baldige Hochzeit zu erhoffen. Schön war auch immer mitanzusehen, wie dem dazugehörigen Partner plötzlich der kalte Schweiß auf der Stirn stand. Für mich war klar, dass ich mich niemals an irgendsoeinen Vollpfosten binden würde. Also warum in drei Teufelsnamen sollte ich mich zu diesen total verblendeten und an Irrsinn grenzenden Weibern dazustellen. An Lucys Blick konnte ich aber festmachen, dass sie keine Ruhe geben würde bis ich auch dort stand. Also stellte ich mich an den äußersten Rand der Tanzfläche.
"Du hast ja Angst davor wie der Teufel vor dem Weihwasser." Diesen dämlichen Spruch hätte  sich der Knallkopf ja mal wieder echt sparen können. Ich drehte mich also zu ihm, um ihm ganz freundlich meine Meinung kundzutun, als etwas an meinem Kopf vorbeistreifte und halb auf meinem und halb auf seinem Kopf liegen blieb. Ich schüttelte mich kurz als auch schon dieses Gemüse in den Händen von einem völlig schockierten MISTER PARTYSCHRECK landeten. Fast als würde dieser Strauß aus Brennnesseln bestehen, warf er ihn mir gegen den Bauch und dusselig wie ich war reagierte ich natürlich und hielt das Grünzeug jetzt in meinen Händen.
Lucy kam sofort zu mir gerannt und umarmte mich quietschend "Dann seid ihr beide die nächsten." Joshua, der ihr gefolgt war, klopfte seinem Kumpel auf die Schulter "Ich werde mich mit einer ebenso geilen Trauzeugenrede bei eurer Hochzeit revanchieren." Was bitte hatten die für Pillen geschluckt?
"Ich habe hier übrigens euren Zimmerschlüssel. Den hat die Dame vom Hotel eben zusammen mit unserem gebracht." Joshua hielt uns grinsend einen Schlüssel vor die Nase. Wieso nur einen Schlüssel? Ich drehte mich wieder zu MEINEM PROBLEM
"Was soll das? Du hast gesagt null Problemo. Wieso haben wir jetzt ein Zimmer?" Ich war kurz vor dem Ausrasten. Wieso hatte ich mich auf diesen Halbprimaten verlassen und mich nicht selber darum gekümmert?
"Naja, es gab einfach ein Zimmer zu wenig und das ist doch kein Problem. Wir sind doch zwei vernünftige erwachsene Menschen. Also hab' dich nicht so." Gerade fragte ich mich, ob überhaupt einer dieser Begriffe auf ihn zutraf, denn ich konnte weder das Wort erwachsen noch vernünftig mit ihm in Einklang bringen und bei Mensch zweifelte ich auch. Wütend stampfte ich also hinter ihm her in unser Zimmer und ließ mich erschöpft rücklings mit den Blumen in der Hand auf das Bett fallen als ich auch schon wieder erschrocken Aufsprang, weil mich etwas in den Rücken piekste. Ich schaute schockiert auf das Bett. Wieso lagen dort Rosen und jede Menge Rosenblätter? Mein Hirn fing an zu rattern. Nö, das war doch jetzt nicht wahr. Hatte der Idiot von Bräutigam die Schlüssel verwechselt und wir waren in der Hochzeitssuite gelandet. War ich denn hier nur von Chaoten und Unfähigen umgeben? Lucy würde ausrasten.
"Los, wir müssen die beiden schnell hier reinlotsen, bevor sie merken, dass sie im falschen Zimmer sind.", hechelte ich aufgeregt, während ich versuchte die Deko wieder schnell zurechtzurücken.
"Chill dich und trinke erst einmal was." Mir wurde eine Champagnerflöte in die Hand gedrückt. War der jetzt total bescheuert? Wir konnten dem Brautpaar doch nicht auch noch den Champus wegschlirfen. Ich erwartete jede Minute den hysterischen Aufschrei meiner Freundin, der  mindestens bis Moskau zu hören war.
Gerade als ich meinen Mund aufmachte, um meine Schimpftirade loszulassen, landete eine Zeigefinger auf meinem Mund.
"Das ist nicht die Honeymoonsuite. Das ist nur die Entschädigung, die ich ausgehandelt habe für die Unanehmlichkeiten mit dir das Zimmer teilen zu müssen. Also nicht rummeckern, sondern genießen.", grinste mich der Scheißkerl zwinkernd an.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt