Kapitel 31

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Ich fragte mich wirklich so langsam, wo diese blöde Hochzeitsplanerin blieb. Nervös schaute ich wieder auf meine Uhr. Wieso war die nicht wie abgesprochen zum Ankleiden und zur Abfahrt der Limosine da gewesen? Nach ziemlich vielen Tränen und Gezeter hatten Lucys Mutter und ich sie irgendwie in ihr Kleid bekommen. Im Geiste dankte ich noch einmal der Schminkblume, dass sie wasserfeste Schmiere verwendet hatte, sonst wäre Lucy jetzt ein Fall für eine Sanierung gewesen. So saß sie jetzt aber freudestrahlend neben ihrem Vater und fuhr zu ihrer Hochzeit nach Schloss Diedersdorf. Glücklicherweise hatte sie noch gar nicht bemerkt, dass ihr Brautstrauß genauso wie ihre Weddingplanerin fehlte, was ja nur logisch war, wenn sie ihn hätte mitbringen sollen. Ich wollte gar nicht daran denken, was passierte, wenn es Lucy auffiel. Der Anblick der geschmückten Limo hatte sie aber abgelenkt. Wo blieb nur diese blöde Jenny? Neben mir saß Lucys Mutter im Auto und trommelte auch auf dem Sitz. Wenigstens wusste sie, wo der Strauß bestellt war und wir konnten ihn hoffentlich abholen, bevor die Braut etwas merkte.
"Bestimmt muss Jenny bei Joshua dafür sorgen, dass er pünktlich am Standesamt ist.", grübelte die Brautmutter als wir dann endlich in Diedersdorf ankamen. Ein Blick sagte mir, dass wir es noch rechtzeitig vor der Limo geschafft hatten. Begeistert stellte ich auch fest, dass Joshua und MISTER PROTZ schon artig in ihren Anzügen auf die Ankunft der Braut warteten. Wir sprangen also aus dem Auto und liefen zu Joshua.
"Was macht ihr denn mit dem Brautstrauß hier? Wieso hat den nicht Lucy?" Verständnislos schaute uns der Bräutigam an.
"Weil Jenny den nicht gebracht hat und wir ihn jetzt schnell abgeholt haben. Wieso habt ihr sie überhaupt die ganze Zeit aufgehalten?", fragte ich aufgebracht. Die Jungens ahnten wahrscheinlich nicht einmal welchen Stress sie damit verursacht hatten. Bestimmt musste mein spezieller Freund den verwöhnten Fussballerpopo noch einmal extra gepudert bekommen.
"Wieso sollten wir Jenny aufgehalten haben? Die war doch gar nicht bei uns."
"Nicht?", quietschte ich schockiert auf. Wenn die nicht bei denen war, wo trieb sie sich dann verflucht noch einmal rum? Gerade als die Limosine um die Ecke bog, vibrierte mein Handy. Ich schaute auf das Display. Unbekannte Nummer. Das konnte dann doch nur Jenny sein. Wütend nahm ich also das Gespräch an.
"Jenny, verflixt noch einmal, wo treibst du dich rum. Bewege jetzt gefälligst deinen Arsch hier her. Was soll der Scheiß. Wie kann man nur so unzuverlässig sein.", meckerte ich sofort los.
"Ähm, ist dort Dorn?", ertönte eine zögerliche Männerstimme, die definitiv nicht Jenny gehörte.
"Ja, wer will das wissen?" Ich war immer noch tierisch genervt, dass diese Hochzeitstante hier einfach nicht auftauchte und sich nicht einmal meldete. Ganz bestimmt hatte ich jetzt noch Lust auf so einen  Callcenteridioten, der mir die neusten Mobilfunk-, Strom- oder was weiss ich für Verträge aufschwatzen wollte.
"Gut. Ich bin Pfleger Michael aus dem Wenckebach Krankenhaus und ich wurde von Frau Jenny Schulze beauftragt sie unbedingt anzurufen, um Ihnen Bescheid zugeben, dass sie leider nicht zur Hochzeit zur Verfügung steht, da sie gerade auf dem Weg in den OP ist mit ihrem akuten Blinddarm. Ich sollte Ihnen auch noch ausrichten, dass Sie sich nur an den Plan halten müssten, dann würde alles funktionieren. Ich wünsche Ihnen dann noch einen schönen Tag" Das nächste was ich hörte, war das Tuten in der Leitung. Mein Hirn fing an zu rotieren. Das konnte doch wohl nicht Jennys Ernst sein, dass sie uns hier einfach im Stich ließ, nur wegen ihres blöden Blinddarms. Der hätte doch wohl noch bis morgen warten können.
Was sollte ich denn jetzt machen? Mich nach dem Plan richten. Sehr witzig. Als hätte ich das Ding für Ernst genommen und eingepackt. Dafür war doch Jenny zuständig. Plötzlich tippte mir jemand auf die Schulter.
"Kommst du. Wir müssen jetzt unserer Pflicht nachkommen. Also ab ins Standesamt." Natürlich war das MEINE PLAGE, die mich gutgelaunt angrinste. Dem würde das Lachen auch gleich vergehen.
"Wir haben ein riesiges Problem.", meckerte ich los.
"Was denn? Drücken deine Schuhe und ich soll dich tragen, oder was?" Ach, war der Idiot lustig.
"Nee, wir haben dein Gehirn immer noch nicht gefunden, um es dir wieder einzusetzen." So lustig konnte ich auch sein. Warum durchlöcherte er mich denn jetzt mit seinen Augen? Egal. "Jenny liegt gerade im OP und lässt sich den Blinddarm rausschnippeln und wir sollen jetzt hier einfach alles nach ihrem Plan beaufsichtigen und abarbeiten. Lucy dreht frei, wenn sie es mitbekommt, dann wird Berlin von einem Tränenmeer überflutet und weggespült." Okay, das klang jetzt vielleicht doch etwas dramatisch. "Ich habe diesen verschissenen Plan zu Hause im Altpapier meines Bruders entsorgt. Und jetzt bist du dran." Warum kam da jetzt keine Reaktion? Hatte ich das Erbsenhirn mit meinem zusammengefassten Bericht überfordert?
Auf einmal fing MP an hin und herzulaufen "Also, erst einmal kann ja bei der Trauung nicht viel schief gehen. Wenn die Ringe der beiden am Finger stecken, sind die schon erst einmal so glücklich, dass sie das alles gar nicht mehr mitbekommen." Er klopfte sich mit seinem Finger ans Kinn. "Der blöde Plan müsste noch in meinem Auto liegen."
"Vicki und Milli kommt ihr dann jetzt.", erscholl der Ruf von Lucys Vater.
"Sind gleich da, muss nur noch die Ringe aus dem Auto holen.", brüllte letzterer zurück und zog mich mit sich in Richtung Prollschleuder.
"Du hast doch jetzt nicht echt die Ringe im Auto liegen lassen. Was bist du denn für ein Trauzeuge.", meckerte ich sofort los. Das war doch mal so leichtsinnig. Wusste der nicht wie oft gerade diese Protzkarren in Berlin aufgebrochen oder geklaut wurden.
"Nee, habe ich nicht." Er tippte auf seine Anzugtasche "Aber da dürfte die Liste sein." Keine Minute später drückte er mir einen zeknitterten fleckigen Wust Papier in die Hand. Ich hoelt ihn mit spitzen Fingern von mir weg.
"Was zum Henker hast du damit gemacht?" Das Papier sah total versifft aus.
"Man, da waren vielleicht ein oder zwei Apfelgriebsche drin eingewickelt und sie steckte in dem leeren Kaffebecher." Igitt, war das ekelig.
"Kannst du mit so etwas wichtigem nicht mal ordentlich umgehen?" Ich verzog mein Gesicht und schaute ihn sauer an.
"Klar, hätte ich sie auch ordentlich im Altpapier ablegen können wie du. Dann würden wir jetzt aber noch blöder dastehen. Also höre jetzt auf rumzuzicken und sei gefälligst dankbar, dass ich sie wenigstens noch habe.", wurde ich angemault. Was mich gerade am meisten ärgerte, war dass der Idiot damit leider sogar Recht hatte. Ohne die Liste wären wir verloren.

Ein Schuss, ein Volltreffer    ✔Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt