C•98 füreinander bestimmt

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Es waren schon Stunden vergangen, als ich einfach gegangen bin und mich nicht mehr bei Stegi gemeldet habe.

Ich war einfach ein beschissenes Arschloch. Ich war es einfach schon immer gewesen. Die Zeiten, als ich Mädchen wie Sexpuppen behandet habe und mich gegenüber Stegi unmöglich verhalten habe. Es stecke einfach in meinem reinrassigen Blut. Obwohl...so reinrassig wie meine Eltern war ich echt nicht. Die braunen Haare...die braunen Augen...das komplette Gegenteil von einem wirklich echten Arier. Mein Vater stammte aus einer wahren arischen  Familie und die Normen und Werte aus der Familie wurden auf ihren Sohn übertragen. Gab es überhaupt bei einer wahren reinrassigen arischen Familie Normen und Werte, die tragfähig waren? Die Frage beantwortete sich schon fast von selbst: nein. Wenn ich mich an meine Vergangenheit erinnerte, bekam ich schon den übelsten Kotzreiz. Vergessen, einfach alles vergessen., versprach ich mir immer und immer wieder. Kein Erfolg.
Zurück zu meiner Familie: einen echten deutschen Arier heiraten, hieß es immer bei meinen Großeltern väterlicherseits. Mein Vater gehorchte und heiratete meine Mutter, nicht, weil er in sie verliebt war, sondern weil sie aus genau der besten arischen Familie stammte, die meinen Vater und Großvater zutiefst ehrten.
Aber wieso war ich kein Arier?
Gute Frage, trotzdem auch leicht erklärt: meine Großmutter väterlicherseits hatte braunes Haar und meine Mutter hatte braune Augen, jedoch nur manchmal...sie änderten sich immer ihrer momentanen Stimmung anpassend, was echt faszinierend war. Meine Großmutter väterlicherseits hatte braune Haare und blaue Augen und wurde zwangsverheiratet...nachdem mein Vater meine Mutter kennengelernt hatte, wurde meine Großmutter verstoßen und ich konnte sie nie kennenlernen. Heimlich hatte sich meine Mutter mit ihr getroffen und sie waren fast wie beste Freunde, das ging immer und immer weiter...bis ich geboren wurde. Das Ereignis hatte jeden schockiert...das Kind des berühmt berüchtigten Jonas Bergmann, der einen Sohn als erstgeborenen hatte, aus einer „reinrassigen" Familie stammte und eine reinrassige Frau heiratete, hatte braunes Haar und Teddybäraugen.
Eine Tragödie.
Zuerst wollte er mich verstoßen aber meine Mutter hatte ihm gedroht, auch zu gehen und da er seinen Vater und alle anderen nicht enttäuschen wollte, dass die reinrassigste Familie Europas sie verließ, gehorchte er. Das hinderte ihn aber nicht daran, mich zu schikanieren und sogar wegzusperren und dabei zu foltern. Mich, sein eigenes Fleisch und Blut. Mir hat er das alles angetan, ohne Reue oder Scham...nein, es gefiehl ihm.

Eine Träne kullerte meine Wange hinunter und ich setzte mich auf eine Bank in meiner Nähe.

Ich hasste ihn. Diesen Typen, der vor seinen Freunden und Arbeitern als guter Vater erschien.

Ungewollt ballte ich meine Hände zu Fäusten und ignorierte dabei den Schmerz, als sich meine Fingernägel in mein Fleisch krallten. Dieser miese, beschissene....mir fiel kein passendes Wort ein, um ihn zu beschreiben. Einfach ein Arschloch!
Und ich machte es ihm auch noch nach.
Super.
Es musste wirklich in meinem Blut sein.

Ich verstand immer noch nicht, warum ich einfach gegangen bin. War es die Tatsache, dass Stegi mir nicht die Wahrheit sagte, oder weil er mich nicht in seiner Nähe haben wollte? Aber wir haben uns doch geküsst, da hat er doch Zuneigung gezeigt....oder nicht?

Immernoch in Gedanken versunken starrrte ich vor mich hin und nach einigen Minuten stand ich dann auch auf und machte mich auf dem Weg zu Basti, bzw. zu meinem neuen Zuhause.

Dort angekommen öffnete ich die Haustür, stieg in den Aufzug und fuhr in den 5. Stock. Mit einer Umdrehung des Schlüssels und einem Klick öffnete sich die Tür fast schon von selbst und ich trat hinein. Unsicher und unwissend ruhte meine Hand auf der Türklinke, bis ich die Tür unbemerkt schloss und der Schall in der Wohnung widerhallte. Durch den architektonischen Baustil der Wohnung hatte man vom Flur aus einen perfekten Blick in das offne Wohn- und Esszimmer inkl. Küche. Das Sonnenlicht flutete durch die Fenster auf den sorgfältig gedeckten Tisch, wobei das Licht in den Gläsern und in der großen, blauen Vase in der Mitte des Tisches schimmerte. Ich blickte mich behutsam um. Diese Totenstille machte einem Angst und war jederzeit zum Brechen bereit. Langsam und vorsichtig tapste ich den Flur entlang, bis ich an der Tüschwelle ankam. Mein Atem beschleunigte sich....es war wie in einem Horrorfilm: der unschuldige Teenager geht einen Flur entlang und irgendwann erschreckt irgendeine Kreatur die Person und alle hinter den Bildschirmen bekommen fast einen Herzinfarkt.
Wow, seit wann so lustig unterwegs?
Während ich das dachte, lächelte ich in mich hinein. Niemand konnte hier sein. Die Tür war abgeschlossen und alles war an seinem Platz. Eigentlich war ich froh darüber, dass keiner zuhause war, denn Gesellschaft hätte ich momentan echt nicht vertragen.

It hurts. | #stexpert ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt