C•99 eine Weile oder eine Ewigkeit

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Sekunden.
Minuten.
Stunden.
Tage.
Und ich fühlte mich leerer denn je. Lag es an der Tatsache, dass ich endlich an eines meiner Teilziele angelangt bin? Oder eher an der Nervosität, die mich immer wie ein Galge aufgehängt hat?

Mit einem Mal schlug ich meine Augen auf und entfernte meine Hand von meinem Bauch, auf die sie zuvor lag. Erst jetzt bemerkte ich wieder, dass ich den Umschlag fest umklammert in meiner Hand hielt. Bei jedem Anblick rutschte mir das Herz in die Hose und mein Körper produzierte massenweise Schweiß.

Sie hatten es endlich zugelassen. Ich durfte bei Basti und Jens leben. Ich hatte endlich seinen Namen angenommen.

Tim Elias Schwetter

Ok, das „Elias" hätten die auch weglassen können. Meine Mutter hatte mir den Namen gegeben, weil mein Opa mütterlicherseits so hieß und sie wollte, dass ich seinen Namen in Ehren trug.

Trotz der Tatsache mit einem Zweitnamen grinste ich, breiter als ein Türsteher. Nie wieder musste ich zu meinem Rabenvater! Nie wieder musste ich auch irgendwas für ihn machen! Was hätte wohl meine Mutter davon gehalten? Hätte sie sich für mich gefreut oder wäre sie sauer? Aber wäre sie sauer auf ihren einzigen Sohn, der behandelt wurde wie Dreck und schlimmer? Wohl kaum.

„Ich kann es nicht glauben.", murmelte ich, als ich bemerkte, dass sich Basti an den Türrahmen gelehnt hat. „Das macht mich richtig glücklich.", sagte ich und grinste noch breiter. Ich fragte mich, wie bescheuert ich wohl gerade aussah. „Und mich erst!", rief er und kam auf mich zu, „Jetzt sind wir wie Brüder!". „Waren wir das nicht vorher schon?", fragte ich völlig perplex und schaute ihn an. „Natürlich, aber jetzt ist es....offiziell.". Wir umarmten uns und ich konnte seinen Herzschlag spüren. Sofort musste ich lächeln und sah Jens an dem Türrahmen lehnen, der ebenfalls lächelte.

„Danke.", murmelte ich und löste mich von Basti, „Für alles.". Ich lief auf ihn zu und umarmte ihn fest. „Das ist doch selbstverständlich.", entgegnete er, nachdem wir uns lösten und ich hätte schwören können, dass ich Tränen in seinen Augen aufblitzen sah. „Lasst uns diese Gelegenheit ausnutzen und feiern gehen!", entfuhr es Jens stolz und er blickte in die Runde. Verwirrt, aber dennoch belustigt schaute ich rüber zu Basti, der meinen Blick erwiderte und einige Minuten später fanden wir uns im Auto, auf dem Weg zum nächstgelegenen Club, wieder. Jens hupte manchmal wie verrückt, wenn jemand zu lange an der Ampel stehen blieb oder einfach, seiner Meinung nach, zu langsam fuhr. Ich jedoch fand, dass, wenn man mit 180 durch eine 70er Zone fuhr, man auf jeden Fall nicht mehr als „Irrer" bezeichnet werden sollte. Die Angst vor einem Unfall klammerte mich so fest an meinen Sitz, dass meine Fingerkuppen schon weiß wurden. Gleichzeitig biss ich meine Zähne zusammen und meine Augen quollen stark hervor.
Blitz.
Genau in diesem Moment wurden wir geblitzt und ich hoffte inständig, dass der Beifahrer, in dem Falle ich, nicht auch daran glauben musste und auf dem Bild erschien. Bitte lieber Gott, falls du meiner Bitte nachgehst, dann lass mich nicht auf diesem Foto erscheinen.

„Oh", sagte Jens, nachdem er geblitzt worden ist und hielt abrupt an. Für einen kurzen Moment hatte ich schon die Befürchtung, dass der Airbag aufplatzen würde oder das Auto hinter uns direkt in uns hineinfahren würde, aber Gott sei Dank ist keines dergleichen passiert und wir ratterten dann mit satten 30 km/h durch eine Schnellstraße.

Dann, nach gefühlt 10 Jahren, bogen wir rechts auf einen Parkplatz ein und vor uns befand sich der Club. Lichtstrahlen ragten aus den Fenstern und die Musik dröhnte hinaus auf den Platz.
„Kinder, wir sind da.", rief dann Jens, als er anhielt und seinen Schlüssel aus dem Auto nahm. „Dir sollte echt mal der Führerschein genommen werden. Für immer.", brach ich aus meinen klirrenden Zähnen hinaus und er fing an, zu lachen. „Er ist so. Mach dir keinen Kopf.", kam es von hinten von Basti, der kurz darauf die Augen verdrehte und versuchte, die Tür aufzubekommen. „Kindersicherung, mein lieber.", jaulte dann Jens und sprang aus dem Wagen, doch bevor er die Tür für Basti aufmachte, tanzte er eine Runde und sprang energiegeladen und glücklich in die Luft. Verwirrt und gleichzeitig beschämt schauten wir uns an, weil draußen vor dem Club welche standen, die rauchten o.ä. und die leise lachten. Irgendwann war es mir leid und ich erlöste mich von meiner Starre, um Basti aufzumachen. „Peinlich.", entfuhr es dem bleich gewordenen Basti und er schaute mich traurig an. Einerseits tat er mir leid aber andererseits fand ich die Aktion von Jens lustig und berührend zugleich. Er freute sich nämlich, dass ich offiziell seinen Nachnamen angenommen hab und sozusagen sein 2. Sohn war.

It hurts. | #stexpert ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt