2 - Paris sehen und sterben

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Mann, dass war echt der stressigste Abend in den letzten Monaten, dachte Arnaud.
Erschöpft lehnte er sich an die nun leere Bar. Seit über zwei Stunden hatte der Club bereits geschlossen, aber er war erst jetzt mit dem Aufräumarbeiten fertig geworden.
Irgend so ein neureicher Russe hatte die ganze letzte Nacht eine Mega-Party geschmissen.
Teurer Champagner und Wodka waren in Strömen geflossen und jede Menge heiße Mädels hatten auf den Tischen und der Bar getanzt.
Das war zwar normalerweise verboten, aber der Russe hatte nur mit Geldbündeln gewedelt und schon war das für den Manager OK gewesen.

Dann kam ein Sonderwunsch nach dem Anderen.
Erst wollte er mehr Tänzerinnen. Dann sollten auf einmal Nutten für seine Gäste angekarrt werden.
Aber auch das wurde durch genügend Euroscheine geregelt.

Immerhin hatte er ordentlich Trinkgeld gegeben.

Satte vierhundert Euro hatte der Typ für jeden Angestellten rausgerückt.
Da war es schon eher zu verschmerzen, dass für ihn erst jetzt um 5 Uhr morgens der Arbeitstag zu Ende war.
Er war der letzte im Club. Selbst der Manager war schon vor einer halben Stunde gegangen.
Der hatte ihm einfach, mit einem lapidaren „Du kannst ja heute mal abschließen", den Schlüssel in die Hand gedrückt und war schneller aus der Tür raus, als Arnaud etwas darauf erwidern konnte.
Dazu war er einfach viel zu überrascht gewesen.

Dann schließ ich heute halt ab. Is ja auch egal.

Mit diesen Gedanken, ging er zur großen Eingangstür des Clubs, löschte auf dem Weg dorthin nach und nach die komplette Beleuchtung, bis nur noch eine große Lampe direkt am Eingang
ihr spärliches Licht in dem riesigen Raum verteilte.
Die zahlreichen Lounge-Ecken aus rotem Leder, die Lüster aus schwarzem, böhmischen Glas und die ebenfalls schwarzen Käfige für die Go-Go Girls verschwanden nun fast vollkommen in der Dunkelheit.
Nur noch der blasse Schein der verblieben, einzelnen Lampe wurde von den sonst weißen Wänden reflektiert und ließ die Einrichtung gerade noch erahnen, bevor es sich unter der hohen Decke schier im Nichts verlor.
Mit einem lauten Klick, war auch diese letzte Lichtquelle kurze Zeit später verloschen und Arnaud schritt durch die offene Tür nach draußen.
Dort vor der Tür des Clubs hörte er bereits das erste Vogelgezwitscher, das den nahenden Tag ankündigte.
Die ersten Autos waren bereits auf den Straßen. Ein paar Stunden vor der eigentlichen Rushhour.
Paris erwachte gerade zu neuem Leben.
Erschöpft und müde stieg Arnaud die große Freitreppe des Gebäudes hinunter, in dem sich der Club befand.
Diese Location war ein echtes Highlight. Jedes mal wenn er davor stand, war er schier überwältigt.
Ein altes, riesiges weißes Haus aus dem neunzehnten Jahrhundert, oder so. Kurzzeitig hatte es sogar mal eine kirchliche Bibliothek beheimatet.
War also im Besitz der Kirche gewesen. Das war aber schon lange her.
Die langen roten Fahnen, die die Freitreppe und die riesigen Säulen zur rechten und linken säumten, gaben diesen besonderen Touch, den der Besitzer so liebte.
Wenn es auch seiner Meinung ein bisschen Geschmacklos war einen Club wie diesen in einem Gebäude zu eröffnen, das einmal eine Verbindung zum Klerus hatte.
Denn der Besitzer hatte den Club auf den Namen „L'enfer" – die Hölle – getauft.
Aber die Leute standen wohl drauf, denn der Erfolg gab seinem Boss recht.
Der Club lief super.

Leise Fetzen von Musik drangen plötzlich an sein Ohr. 

Vom Wind wurden sie die breite Freitreppe hinauf getragen.
Seine Augen folgten den Klängen die Treppe hinunter zur Straße.

Apropos, super!

Sein Blick fiel auf eine nette Blondine im schwarzen Minikleid und Lederjacke, die sich just in diesem Moment über die geöffnete Motorhaube eines schwarzen 911er Porsches beugte.

Die Braut braucht eindeutig Hilfe!

Arnaud grinste.
Er beschleunigte seine Schritte, als er die Treppe förmlich herunter stürmte.
Die Musik wurde nun lauter.
Diese Süße würde ihm keiner vor der Nase wegschnappen!
Kaum am Fuß der Treppe angekommen, registrierte die Blondine die nahende Hilfe und lächelte ihn hilflos und entschuldigend an.

„Bon jour, Mademoissele. Kann ich ihnen helfen?", fragte er galant.

Ein flotter Anmachspruch hätte die Kleine wahrscheinlich sofort in die Flucht geschlagen, wie ein Gewehrschuss ein verschrecktes Kaninchen.
Außerdem hatte die Braut anscheinend Klasse.
Bei dem Auto, dass sie offensichtlich fuhr. Oder eben im Moment gerade nicht. Was er eindeutig als Glücksfall für sich wertete.
Die Stimme, die ihm antwortete war dunkel und sexy, passte aber zur gepflegten äußeren Erscheinung.

„Oh. Das wäre wirklich sehr nett von ihnen, mir hier behilflich zu sein, Monsieur."
Ihr Lächeln verhieß ihm ewige Dankbarkeit.

Nun nicht unbedingt ewig „ewig", aber die nächsten paar Stunden würden ihm auch schon reichen.
So angespornt lehnte auch er sich über den hinteren Kotflügel, um einen „fachmännischen" Blick auf den Motor, im Heck des Autos zu werfen.
Er wunderte sich noch etwas über die Musik, die er schon auf der Treppe gehört hatte und offensichtlich aus dem Inneren des Wagens drang.
Er hätte nicht im entferntesten gedacht, dass Creedance Clearwater Revival zu der Kleinen passen würde.
Aber es war ganz eindeutig „I put a spell on you", was er da hörte.

Das und das Geräusch des Hahnes der Waffe, die sich nun an seinen Hinterkopf drückte.
Er erstarrte in der Bewegung.
Er atmete nicht mal mehr.

„Hey, was soll das?"

Aber die Kleine antwortete nicht.
Der Druck auf seinen Kopf verstärkte sich nur.

„Wenn Jean dich schickt .... Ich zahle ihm das Geld nächste Woche zurück.
Ganz sicher!"

Aber auch jetzt kam keine Antwort.
Er hörte nur immer noch dieses verschissene Lied.

„Wir können über alles reden ... nur nimm endlich die verdammte Waffe runter, Mädchen!", schrie er.

Nun endlich antwortete sie.

„Gut sind die Waffen, ist nur die Absicht, die sie führt, ... GERECHT!"
Mit dem letzten Wort drückte sie ab und verteilte den Inhalt seines Kopfes auf dem Motor.

Ohne Hast legte sie Waffe neben den Toten und überquerte langsam die Straße.
Niemand hatte etwas gehört, dank des Schalldämpfers und niemand würde sie, falls es wirklich jemand beobachtet haben sollte, eindeutig beschreiben können.
Wenige Meter weiter bog sie in eine kleine Seitenstraße ein.
Dort entledigte sie sich der blonden Perücke, des Kleides, der Handschuhe, die sie getragen hatte und der High Heels.
Sie warf alles in einen großen Müllcontainer.

Ein Fingerschnippen und wenige Augenblicke später züngelten bläuliche Flammen daraus hervor und tauchten die unmittelbare Umgebung in einen kalten Schein.
Alle Beweise wurden so vernichtet.
Aus dem kleinen Rucksack, den sie hinter dem Container versteckt hatte, kramte sie eine Hose, ein T-Shirt und ein paar flache Schuhe hervor.
Nur wenige Minuten später verließ auf der anderen Seite eine vollkommen andere Frau die kleine Seitenstraße.
Sie summte leise ein Lied vor sich hin und zündete sich entspannt eine Zigarette an.

SeelenQual - Dark Heroes Rising || Supernatural FanFiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt