Ein herablassendes Schnauben von der Frau, die er gerettet hatte - die er immer noch liebte? - war die einzige Antwort auf seine Reaktion.
Das und ein süffisantes Grinsen.
„Was ist Sammy? Willst du etwa durch sie hindurch schießen?"
Mandy rührte sich in Valerie's Armen, schlug irritiert die Augen auf.
„Was sagst du da?"
„Nichts, meine Liebe. Nichts!", erwiderte Valerie und strich dem Mädchen beruhigend über das brünette, lange Haar ohne den Blick von Sam zu wenden.
Doch Mandy wollte der älteren Frau in die Augen zu sehen und dort eine Antwort finden. Sie versuchte sich den nackten, sehnigen Armen zu entwinden.
Doch die hielten sie fest an sich gedrückt.
Gaben ihr keinen Zentimeter Raum für Bewegung.
„Valerie lass mich los", bat Mandy.
Aber die Muskeln und Sehnen hielten sie weiterhin an Ort und Stelle. Pressten sie weiterhin unnachgiebig an ihre flache Brust. Unfähig sich zu rühren, bekam Mandy's Stimme einen flehentlichen Unterton.
Sie ahnte, dass etwas nicht stimmte.
„Bitte. Du tust mir weh! Val!"
Val?
Bis jetzt hat mich nur einer so genannt!, durchfuhr es sie schmerzlich.
Plötzlich gewährten Valerie's Arme dem Mädchen doch etwas Spielraum.
Allerdings nur kurz, denn nun wollte die schwarzhaarige Frau ihrerseits einen kurzen Blick in die Augen des Mädchens werfen.
Sie löste sich von ihr, schob sie einige Zentimeter von sich und sah das Flehen und das Unverständnis in den braunen Rehaugen.
„Was ist mit dir?", fragte Mandy, erhielt aber keine Antwort.
Sie sah nur in dunkelblaue Augen. Augen, die sie so dunkel noch nie gesehen hatte und die direkt in ihre Seele zu blicken schienen. Nein, sogar darüber hinaus. Fast schienen sie ein Loch in ihren Hinterkopf zu brennen.
Und war da nicht auch kleines Flackern zu sehen?
Wieder strich Valerie's Hand sanft über ihr Haar.
Immer und immer wieder wiederholte sie diese Geste.
Wie um ein kleines Kind zu beruhigen.
Dann, vollkommen unvermittelt, drehte sie das Mädchen herum.
Immer noch durch die beiden starken Arme festgehalten, stand sie nun mit dem Rücken zu Valerie – im festen Griff ohne Chance zu entkommen - und blickte Sam an.
Den Schmerz und die Angst, die sie darin erkannte schnürte ihr die Kehle zu und hinterließ sie Unfähig zu sprechen.
Als sie realisierte, dass es die Angst um sie selbst war, versteifte sich ihr Körper.
Etwas stimmt hier gewaltig nicht!
„Sam?", kam dann doch noch, kaum vernehmbar wispernd über ihre Lippen.
Das Spannen eines Hahnes durchbrach die Stille.
Valerie sah zu Sam hinüber, der immer noch die Waffe auf sie gerichtet hatte.
„Du weißt, DAS wird mich nicht töten ..." antwortete sie ruhig und vervollständigte ihren Satz noch mit einem zuckersüßen „LIEBLING!"
Sam schluckte schwer. „Nein, aber vielleicht hält es dich lang genug auf, bis ..."
„Bis ...was, Sammy?", fiel sie ihm gereizt ins Wort.
„Der Einzige, der möglicherweise eine winzige Chance hätte mich aufzuhalten, ist noch Meilenweit weg. Also warum tust du uns nicht allen einen riesigen Gefallen und versuchst nicht den Helden zu spielen, ok?
Lass es mich jetzt zu Ende bringen und vielleicht, aber nur vielleicht, bleibst DU dann am Leben!"
Wen meint sie?
Dean?
Sicher. Er ist auf dem Weg hierher!
Das Kains-Mal? Die Erste Klinge?
Ist sie so mächtig?
Oder will sie mich täuschen?
Ich muss versuchen Zeit zu gewinnen!
Der Colt in Sam's Hand, wie auch seine Stimme begann leicht zu zittern, als er sich vorstellte, dass sie es tatsächlich gewesen war, die diese grauenvollen Morde begannen hatte.
„Wie viele hast du schon ... getötet, Valerie? Wie viele?"
Die hagere Frau mit den schwarzen, kurzen Haaren sah dem jüngeren Winchester gefasst in die traurigen Augen und ignorierte Mandy's hoffnungslose Versuche sich aus ihrem Griff zu befreien.
„Viele! Zu viele!", antwortete sie mit einem bitteren, kleinen Grinsen.
„Und ich sehe jedes ihrer Gesichter vor mir. Egal ob Mensch, Monster oder Dämon, denn ich habe sie zur ewigen Einsamkeit in der Finsternis verdammt!" In ihrer Stimme schwang plötzlich ein Anflug von Angst mit, als sie fortfuhr.
„Es sind meine dunklen Kinder, Sam! Ich weiß sie warten dort auf mich, bis ich eines Tages zu ihnen hinab steige. Ihr Zorn wird über mich kommen, wie eine alles vernichtende Flutwelle. Sie werden mich in Stücke reißen!
Immer und immer wieder!" Ein eisiger Schauer lief ihren Rücken entlang, jetzt da sie aussprach, was sie seit Langem in sich trug.
„Doch noch ist es nicht so weit! Noch nicht, Sammy."
Sie lächelte den Mann, dessen Colt zitterte, kalt an.
Sie hatte sich wieder vollkommen unter Kontrolle.
Mit einer fließenden, blitzschnellen Bewegung griff sie hinter ihren Rücken und hielt plötzlich die doppelläufige Pistole in der freien rechten Hand.
Sam trat instinktiv einen Schritt zurück, obwohl er im selben Moment erkannte, das es sinnlos war. Für den Bruchteil einer Sekunde senkte sich der Lauf seines Colts.
Mandy, die immer noch versuchte sich aus Valerie's Griff zu befreien, bemerkte die riesige Waffe, als sie schräg nach unten sah. Ihre Augen weiteten sich vor Angst und ihr Puls beschleunigte sich.
Sam hatte seine Pistole wieder auf sein Ziel gerichtet. Genau zwischen Valerie's Augen. Seine Brust hob und senkte sich schnell. Er konnte es immer noch nicht ganz glauben.
Und Valerie?
Sie drückte ihre kalte Wange fast zärtlich an Mandy's warme Schläfe und flüsterte ihr ein kaum hörbares „Verzeih mir!", ins Ohr, drückte dem Mädchen den Lauf der Waffe in Höhe des Herzens schräg an die Seite und drückte ab.
All das Geschah innerhalb weniger Sekunden.
Sam zuckte durch den lauten Knall zusammen.
Mandy, immer noch einen überraschten Ausdruck auf dem Gesicht, sackte in sich zusammen.
Valerie hielt die leblose Gestalt noch einen Augenblick in den Armen, bevor sie sie vorsichtig auf die kalten Fliesen legte und ihre immer noch weit aufgerissenen Augen mit einer zärtlichen Berührung schloss.
Als sie sich wieder aufrichtete, hielt sie kurz inne.
Verwundert strich sie in der Höhe Ihres Bauches über ihr T-Shirt und betrachtete danach ihre Hand.
Sie war blutverschmiert!
Ein Querschläger meiner eigenen Waffe!, registrierte sie und wankte kurz.
Verdammt!
Sam nutzte die Gunst des Augenblicks und entleerte fast das gesamte Magazin seines Colts in Valerie.
So trieb er sie Schritt für Schritt zurück in den Korridor, aus dem sie gekommen war.
Die wenigen Stufen hinab, an denen sie fast strauchelte und bis an die gegenüberliegende Wand, an der sie mit einem verwunderten Gesichtsausdruck zum Stehen kam.
Nie hätte er gedacht so viel Hass für diese Frau, die er geliebt hatte - und möglicherweise auf eine unnatürliche Art und Weise immer noch liebte - empfinden zu können.
Einen wahren Sturm widerstrebender Gefühle in sich tragend, schritt er auf die blutende Gestalt zu.
Die Waffe in ihrer Hand ignorierte er.
Noch vor wenigen Stunden hatte er alles gegeben, um ihr Leben zu retten. Hatte unzählige Wunden verbunden, nur um jetzt so viele neue zu verursachen.
Kein Zentimeter ihres Oberkörpers schien nicht von seinen Kugeln getroffen worden zu sein.
Die wenigen unversehrten Stofffetzen ihres schwarzen T-Shirts standen im krassen Kontrast zu den Einschusslöchern, die den Blick auf rotes Fleisch und blasse Haut freigaben.
Unmengen von Blut quollen daraus hervor, tränkten den Stoff, flossen auch an ihren nackten Armen entlang und tropften von dort auf die Fliesen.
Die rote Flüssigkeit verteilte sich in ihrer rechten Hand, umhüllte den Griff der Waffe und erschwerte es ihr sie festzuhalten.
Laut polternd entließen ihre kraftlosen Finger schließlich die schwere doppelläufige Pistole.
Er sah, dass sie mit dem letzten Rest ihrer schwinden Kraft versuchte aufrecht an der Wand zu stehen. Sie kämpfte tapfer gegen ihre fortschreitende Schwäche, bot ihrem unausweichlichen Ende trotzig die Stirn.
Unter keinen Umständen wollte sie vor ihm auf die Knie fallen.
Langsam schritt er auf die blutende Gestalt zu und als er endlich direkt vor ihr stand, den Colt immer noch in der zitternden Hand, blickte sie zu ihm hoch.
Doch kein Flehen um Vergebung lag in ihren dunklen Augen.
Er sah darin ... nichts.
Außer grenzenloses Unverständnis.
Zögernd hob er die Waffe, in der noch eine letzte Kugel im Lauf verblieben war und zielte damit zwischen ihre Augen.
„Wie ... kann das ... sein?", krächzte sie verwirrt.
Bis eben war sie sicher gewesen, dass kein Geschoss ihr ernsthaft etwas anhaben konnte. Aber die aus Sam's Waffe hatten tatsächlich etwas bewirkt.
„Es sind ... spezielle Kugeln, Liebes!" antwortete Sam sanft und ohne den Hass, den er bis eben noch empfunden hatte.
Er wollte ihr noch so viel mehr sagen, aber schluckte es herunter.
Er wusste, er würde es dann nicht mehr zu ende bringen können.
Einen letzten Schritt musste er noch machen, dann lag der Lauf des Colts direkt auf ihrer Stirn auf.
Ein letztes Mal strich seine linke Hand zitternd aber liebevoll über ihre nun blutverschmierte Wange.
Sie schloss die Augen.
Ein schmales rotes Rinnsal entwand sich ihrem Mund.
Dem Mund, den er bereit gewesen war bis in alle Ewigkeit zu küssen und sogar mit seinem Bruder zu teilen.
Ganz Offen oder ins Geheim.
Doch jetzt war es nicht mehr wichtig!
Er spannte den Hahn.
Atmete durch.
„Es tut mir Leid!", flüsterte er.
Tränen füllten seine Augen.
Trotz allem!
Dann ... drückte er ab!
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SeelenQual - Dark Heroes Rising || Supernatural FanFiktion
HorrorFortsetzung zu SeelenFeuer. Die Existenz eines weiteren gefährlichen Gegners wird den Winchester's offenbart, als sie noch mitten im Kampf gegen Abaddon und Metatron stehen. Überdies leidet Sam noch an den Nachwirkungen durch Gadreel's „Anwesenheit"...