„Und wo fahren wir jetzt genau hin?", drang es von der Rückbank des Impala.
Dean verdrehte die Augen.
„Nach Kansas, Mandy. Immer noch!", antwortete Sam ruhig.
„Ja, das hast du schon gesagt, SAM. Aber Kansas is groß!", gab sie schnippisch zurück.
„Wird euer durchgeknallter Freund auch da sein? Was soll ich überhaupt da?", fuhr sie fort ohne auf eine Antwort zu warten.
„Gibst du Ruhe, wenn ich's dir noch mal erkläre?"
Mandy überlegte kurz.
„Jaaa, OK!", antwortete sie genervt.
Sam bemerkte Dean's genervten Gesichtsausdruck, der sagte: „Wenn die nicht bald die Klappe hält, kleb ich 'n Pflaster drüber!"
Und ausnahmsweise konnte er ihn auch verstehen.
Seit sie vor sechs Stunden in Knoxville aufgebrochen waren, hatte die Kleine kaum Ruhe gegeben.
Als müsste sie ganze Jahre des Schweigens aufholen, hatte sie einfach darauf los geplappert. Sam war allerdings aufgefallen, dass sie dabei nie auch nur das kleinste Detail über sich selbst verraten hatte.
Außer vielleicht, dass sie ins Plappern geriet, sobald sie nervös wurde.
Und nervös war sie.
Denn sie spielte unablässig mit ihren immer noch verdreckten Haaren.
„Also gut! Jetzt zum 10ten Mal! Unser DURCHGEKNALLTER FREUND ist ein Engel. Du bist ein zukünftiger Prophet und wir bringen dich in Sicherheit, damit dir nichts geschieht.", antwortete Sam.
Für einen Augenblick verstummte die Kleine auf der Rückbank.
„KLAR! Er ist ein Engel und ich ein Prophet! Ich hab's ja schon beim ersten Mal kapiert. Also Jungs, dass Zeug, das ihr einschmeißt hätte ich auch gerne."
„Es ist die Wahrheit, Mandy!", versuchte es Sam noch mal.
„ABER SICHER DOCH! Und warum müsst ihr mich noch mal in dieses ... ähm Haus bringen?
Ich mein, nen bisschen Spaß hätten wir drei zusammen auch in der Nähe haben können. Dafür müssen wir nich nach Kansas gurken."
Sam schüttelte verzweifelt den Kopf.
„Erstens: es ist kein HAUS, Mandy, es ist ein BUNKER. Und zweitens ...", Sam sah durch den Rückspiegel in ihr Gesicht.
Und es machte nicht den Eindruck, als würde sie irgendetwas, das er sagte auch nur ansatzweise glauben.
„ ... ach, vergiss es einfach!"
Mandy öffnete gerade wieder den Mund, als Dean sie anfuhr.
„HALT DIE KLAPPE, KLEINE. SONST STOPF ICH SIE DIR!"
Mit einem geharnischten Anpfiff hatte Sam schon früher gerechnet. Diesen jetzt allerdings mit so harten Worten und einem bösen Funkeln in den Augen seines Bruders zu hören ließ ihn überrascht zu ihm blicken.
Was ist nur in letzter Zeit mit ihm los?
Ist es doch das Kains-Mal?
Doch anscheinend wirkte es, denn Mandy schloss ihren Mund wieder. Ohne auch nur einen Ton daraus entweichen zu lassen.
Beleidigt verzog sie sich in die hinterste Ecke der Rückbank.
Möglichst weit weg von Dean.
In dieser paradiesischen Stille verlief glücklicherweise auch noch die restliche Fahrt. Selbst wenn Dean mal an einer Tankstelle anhielt, traute sich Mandy keinen Ton mehr zusagen.
Irgendwann hatte sie ihre Jacke ausgezogen, sie zusammen gelegt und es sich in der Ecke, hinter Sam gemütlich gemacht. Ihren Rucksack, der ihr einziges Hab und Gut beherbergte, hielt sie stets fest umklammert.
Sie blieb stumm bis sie mitten in der Nacht am Bunker ankamen.
Sie war fest eingeschlafen, als Dean den Wagen anhielt.
„Hey, Schneewittchen! Aufwachen!", rief er barsch nach hinten.
Langsam öffnete Mandy die Augen und gähnte herzhaft, bevor sie interessiert aus dem Fenster sah.
„Hey, das is ja wirklich nen Bunker!", rief sie aus.
Dean rollte nur mit den Augen und schüttelte den Kopf.
„Die ist jetzt dein Problem, Sam! Ich hau mich auf's Ohr", erklärte er seinem Bruder und stieg aus.
Sam folgte Dean's Beispiel.
Er wollte sich schon an ihren neuen Gast wenden, als er bemerkte, dass sie, natürlich zusammen mit ihrem Rucksack, bereits den Wagen verlassen hatte und mit weit offenem Mund vor dem Eingang zum Bunker stehen geblieben war.
Dean war bereits im Gebäude verschwunden ohne auf die beiden zu warten.
Sam trat neben Mandy.
„Wollen wir?", fragte er und machte andeutungsweise einen Schritt in Richtung Eingang.
Die junge Frau brachte nur ein undeutliches „Mhm" zustande, blieb aber wie angewurzelt stehen.
Sam reichte ihr die Hand.
Zögernd legte sie Ihre schmalen Finger in seine und folgte ihm vorsichtig die Treppen hinunter zur Eingangstür.
So unscheinbar die erste Tür war, so überwältigend war für Mandy das, was sie dahinter entdeckte.
Hinter der äußeren Tür befand sich nur ein kleiner, kaum beleuchteter Raum, der eher einer Schleuse in einem Schiff glich.
Besonders, da die zweite Tür, die augenscheinlich in die eigentliche Anlage führte, aus Stahl zu sein schien.
Als Sam diese Tür öffnete und Mandy hindurchführte, eröffnete sich für sie eine komplett andere Welt.
Der steinerne Boden öffnete sich rechts hinter der Tür in einen kleinen freien Platz mit zwei Sesseln, die um einen Tisch standen, der gerade noch groß genug war für ein Schachspiel.
Fast direkt vor ihr verwandelte er sich in einen Treppenabsatz der von schwarzem Metall eingerahmt wurde und in eine Treppe aus dem selben Material, die sich ein komplettes Stockwerk in die Tiefe wand.
Den ganzen Weg nach unten krallte sich ihre Hand in Sam's und mahnte ihn sie nicht loszulassen.
Fast spürte er auch so etwas, wie ein leichtes Zittern darin.
Sie hat Angst.
Warum auch nicht!
Zwei fremde Männer bringen sie in einen alten Bunker, nach dem ihr wenige Stunden zuvor ein Freak eröffnet hat, dass sie Schutz braucht, weil sie ein Prophet ist.
Da wäre ich auch etwas nervös!
Die hellgrau gekachelten Wände, sowie die Lampen an der Wand und der Decke schienen ihr schon ziemlich alt zu sein.
Genauso wie das, was da unten am Ende der Treppe stand.
Es sah aus wie ein riesiger Tisch mit einer Landkarte darauf. Doch alles wirkte irgendwie eigenartig. Der Tisch schien aus Metall und Glas zu sein und erweckte den Eindruck, als könne man ihn von innen beleuchten.
Dahinter, führten wieder einige Stufen hinauf und sie konnte noch einen weiteren Raum ausmachen.
Je weiter sie die Stufen, immer noch an Sam's Hand, hinunter schritt, desto mehr enthüllte sich ihrem Blick.
In dem zweiten Raum befanden sich alte Schreibtische auf denen ebenso alte Lampen ihren Platz gefunden hatten.
Die Wände wurden gesäumt von Regalen, vollgestopft mit Büchern und allerlei kuriosen Gegenständen, deren Zweck sie sich nicht einmal vorstellen wollte.
Von lauter neuen Eindrücken schier überwältigt, hatte sie nicht bewusst wahrgenommen, dass sie am Fuße der Treppe angekommen war und nun direkt vor dem fremdartigen Tisch stand.
Sam löste vorsichtig seine Hand von ihrer und trat einen Schritt beiseite, so dass sie einen besseren Blick auf alles erhielt.
„Willkommen im Bunker, Mandy!"
„ ... "
„Du möchtest dich jetzt bestimmt etwas frisch machen. Ich zeig dir dein Zimmer, ok?"
Doch Mandy nickte nur und folgte Sam stumm die wenigen Stufen vor ihr hinauf, in den Raum mit den Schreibtischen und von dort aus eine weitere, kurze Treppe zu ihrer rechten wieder hinunter.
Diese führte beide in einen Gang, der ebenfalls die allgegenwärtigen hellgrauen Fliesen an den Wänden aufwies und von dem anscheinend mehrere Räume abgingen, denn sie gingen an einigen dunklen Holztüren vorüber.
Nachdem sie mehreren Abzweigungen gefolgt waren und gefühlte 100 Türen hinter sich gelassen hatten, blieb Sam an einer stehen die offen stand.
„So, Mandy. Hier ist es", erklärte Sam.
Mandy ging langsam an Sam vorbei und lugte stumm ins Zimmer hinein.
Es war nichts besonderes.
Nur ein Bett, ein Schreibtisch und eine Kommode.
Doch für sie war es der Himmel auf Erden.
Es war trocken, sauber und stank nicht.
Aber das wichtigste: sie fühlte sich sofort geborgen und beschützt.
Das erste mal seit langer, langer Zeit wieder.
„Ich hoffe es ... gefällt dir?", fragte der große, junge Mann mit den langen Haaren skeptisch.
Oh nein, er denkt doch nicht etwa ich mag es nicht, nur weil ich bis jetzt nichts gesagt habe?
„Oh, es ... es ist wundervoll! WIRKLICH, Sam!", antwortete Mandy gerührt.
Von ihren Gefühlen überwältigt, umarmte sie Sam und stürmte dann sofort ins Zimmer.
Der Rucksack flog im hohen Bogen auf das Bett und sie folgte ihrem Schatz unverzüglich hinterher.
„Na, da bin ich aber beruhigt, denn das wird jetzt fürs erste dein neues Zuhause sein!", sagte Sam.
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SeelenQual - Dark Heroes Rising || Supernatural FanFiktion
HorrorFortsetzung zu SeelenFeuer. Die Existenz eines weiteren gefährlichen Gegners wird den Winchester's offenbart, als sie noch mitten im Kampf gegen Abaddon und Metatron stehen. Überdies leidet Sam noch an den Nachwirkungen durch Gadreel's „Anwesenheit"...