Ruperts Hand zitterte, als er die letzten Buchstaben auf das Papier brachte, das seinen nahen Tod endgültig besiegeln würde. Die Frau in Schwarz hatte die ganze Zeit schräg hinter ihm gestanden und ihm den Wortlaut diktiert.
Ihm war klar, was er mit dem letzten Strich seiner Unterschrift abschloss.
Langsam legte er den Stift beiseite. Feinsäuberlich zwischen das Papier auf der Einen und seinem Handy auf der anderen Seite.
Unvermittelt spürte er die sanfte, fast schon zärtliche Berührung einer Hand auf seiner Schulter.
Er zuckte zusammen.
„Wunderbar!", lobte Valerie. „Jetzt noch der Anruf und wir können endlich zum Ende kommen."
Als seien ihre Worte ein übernatürliches Signal gewesen, klingelte in diesem Moment Ruperts Handy.
Es war das Läuten eines alten Telefons, das aus dem modernen Gerät drang und in der Stille schier ohrenbetäubend laut klang.
Einmal.
Ein zweites Mal.
Doch Rupert starrte das Mobiltelefon nur an. Er machte keine Anstalten den Anruf anzunehmen.
„Willst du nicht ran gehen?", fragte sie neugierig. „Es wird nicht ewig klingeln!"
Rupert drehte sich zu ihr um. Sah ihr direkt in die dunkel blauen Augen.
„Wenn ich das tue habe ich meinen Zweck erfüllt und du tötest mich!"
Ihre Finger schlossen sich fester um seine Schulter.
„Oh, Rupert. Ich muss dich töten", gurrte sie. „So oder so. Es geht nicht anders. Aber ich schenke dir einen gnädigen Tod, wenn du tust, was ich von dir verlange."
Er starrte in ein paar eiskalte Augen und wusste sofort, dass sie log. Es würde jetzt Enden und er konnte es nicht mehr verhindern.
Er atmete tief ein und antwortete dann sichtlich gefasster: "Ich weiß, das wirst du nicht. Und es ist mir auch egal!"
Überrascht blicke sie ihn an.
„Ja, das ist es! Aber ... was aus Mandy wird ist mir nicht egal."
„Was soll mit ihr sein?", fragte sie, obwohl sie die Antwort sehr wohl kannte.
Auch Rupert erkannte die Lüge in ihren Worten.
„Du wirst auch deine FREUNDIN, Mandy, töten. So wie auch die ganzen anderen unschuldigen Menschen vor uns!"
Das Handy klingelte zum dritten Mal.
Valeries Gesicht wurde noch härter. Ihre Augen schienen nun aus purem Eis zu bestehen.
„Es gibt keine UNSCHULDIGEN unter euch!", donnerte sie mit einer Stimme, die aus den tiefsten Tiefen der Hölle zu kommen schien.
So gerne er auch das letzte Wort hatte und noch einmal versucht war ihr ihre Fehler aufzuzeigen, er durfte nicht. Zum Einen hätte sie es jetzt nicht mehr geglaubt und zum Anderen hätte es sie nur noch zusätzlich gereizt.
Jetzt konnte er nur noch versuchen der armen Mandy einen schnellen Tod zu erkaufen.
„Ich bitte dich sei wenigstens Gnädig zu ihr. Mehr verlange ich nicht", versuchte er sie zu beschwichtigen.
„Nichts für mich! Keine Gnade, kein .... schneller Tod!"
Es klingelte ein viertes Mal.
Unruhig blickte Valerie vom Handy zu Rupert und wieder zurück.
„So viel ... Mut und Uneigennützigkeit habe ich dir gar nicht zugetraut!" , entgegnete sie nachdenklich.
„Also gut. Ich werde ... sie nicht leiden lassen", fuhr sie fort. „Versprochen!"
Rupert nickte.
Ich hoffe inständig sie meint es ernst!
Bitte Gott, wenn es dich gibt, dann ....
Seine Hand tastete nach dem Telefon, um den Anruf entgegen zu nehmen. „Hallo, Dean!"
„Hi, Kumpel", drang aus dem kleinen Lautsprecher. „Was hat das so lange gedauert? Ist alles ok bei euch?" Dean's Stimme klang misstrauisch.
„Es is alles ... ok hier!" Rupert spulte nun den Text herunter, den Valerie ihm vorgegeben hatte. „Hab mir nur eben nen Bier geholt. Und wie sieht's bei euch aus? Wann seit ihr beiden wieder zurück?"
Der Lautsprecher übermittelte Fahrgeräusche. Sie saßen offensichtlich gerade im Impala.
„Wissen wir noch nicht. Wir haben Cas zwar noch nicht gefunden, aber wir kommen der Sache schon näher. Lange kann es nicht mehr dauern", antwortete Dean.
„Übrigens: Wie benimmt sich Val? Habt ihr sie gesehen?"
Rupert schluckte, bevor er antworten konnte. Die Schmerzen in seinem Bein wurden immer schlimmer. „Hat sich nicht an der Barriere blicken lassen. Ich denke sie schmollt in ihrem Zimmer!", antwortete er leise.
Der hohe Blutverlust beraubte ihn zusehends seiner Kraft.
„Ok!", drang aus dem Handy. „Dann bis zum nächsten Mal, Rupert!"
Dean hatte die Verbindung unterbrochen. Das Handy schwieg.
„Was meint er mit nächstes Mal?", fragte sie misstrauisch.
Die Hand auf Rupert's Schulter griff fester zu.
Ließ ihn vor Schmerz aufstöhnen.
Doch er sagte kein Wort.
Wie sehr wünschte er, Dean hätte das nicht gesagt!
„Rupert, du lässt mir keine Wahl! Entweder du sagst es mir oder ich hole mir Mandy jetzt sofort. Und das wird kein Spaß werden. Für keinen von euch!"
Entsetzt drehte er sich in dem Stuhl soweit herum, dass er in ihre kalten, blauen Augen sehen konnte!
Was könnte er jetzt noch tun, außer die Wahrheit zu sagen und zu hoffen! Zu hoffen, dass das Monster sein Versprechen hielt!
„Morgen Mittag um zwölf", presste er zwischen den blassen Lippen hervor.
Sofort entließ sie ihn aus dem schmerzhaften Griff.
„Das hast du gut gemacht!", säuselte sie.
Jetzt habe ich erst mal bis morgen Mittag Zeit für eine ungestörte Suche.
Danach ... mal sehen.
Sie bedeutete ihm aufzustehen. „Jetzt komm. Es wird Zeit!"
Rupert erhob sich quälend langsam von seinem Platz. Valerie hatte sich bereits ein paar Schritte entfernt, als er endlich auf wackeligen Beinen stand.
„Wohin gehen wir?", fragte er gefasst.
Die Frau in Schwarz blieb stehen, drehte sich zu ihrem immer blasser werdenden Opfer herum.
„Nach draußen an die frische Luft", antwortete sie gelassen.
„Ich glaube, dass wird uns beiden gut tun!" Es klang so beiläufig, als würden beide nur zu einem kurzen Spaziergang aufbrechen.
Rupert versuchte einen Fuß vor den Anderen zu setzten um Valerie zu folgen – fliehen konnte und wollte er nicht - , doch die Schusswunde behinderte ihn stärker, als er gedacht hatte.
Valerie bemerkte es und überbrückte die wenigen Meter schnell mit ein paar kraftvollen Schritten.
Angstvoll wich er vor ihr zurück und kam dabei ins Straucheln.
Doch im Bruchteil einer Sekunde war sie bei ihm und griff unter seinen rechten Arm, um ihn zu stützten.
Verwundert blickte er in ihre Augen, die ihm nun so nah waren, wie er es nie für möglich gehalten hatte. Diese Augen zeigten auch jetzt nichts weiter als Härte.
Trotzdem nahm er ihre Hilfe an und suchte seinerseits halt an ihrer Schulter.
Stumm machten sie sich auf den Weg zur Treppe.
Der massige, blutende und mittlerweile leichenblasse Rupert, gestützt von der hageren, ganz in schwarz gekleideten Valerie, gaben wahrlich ein ungewöhnliches Paar ab.
Mit ihrer immer schwerer werdenden Last, kam Valerie nur langsam voran. Jeder Schritt die Stiegen empor und durch beide Türen, war auch für sie anstrengender als der vorherige.
Ein normaler Mensch ihrer Statur hätte dies nicht bewältigen können. Aber auch an ihr ging dieser Kraftakt nicht spurlos vorüber.
Die letzten wenigen Stufen, die sie vor dem nächtlichen Bunker noch überwinden mussten, zog sie den schweren Mann mehr, als dass er sich selbst vorwärts schleppte.
Erschöpft und dem Tode näher als dem Leben, ließ er Valerie los, sobald sie die wenigen nach oben führenden Stufen hinter sich gebracht hatten und glitt ins nasse, kalte Grass.
Direkt vor dem Eingang zum Bunker.
„Nicht hier!", schalt sie ihn. „Nur noch ein kleines Stück."
Sofort zerrte sie ihn wieder auf die Beine.
Doch Rupert war so schwach, dass er kaum noch einen Fuß vor den Andern setzen konnte. Valerie brachte den Mann eilig und so gut es ging allein auf die andere Seite des kleinen Weges, der vor dem Bunker entlang führte.
Dort angelangt zog sie ihn noch ein paar Meter weiter vom befestigten Weg weg, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden war und den blassen Rupert dort ins Gras gleiten ließ.
Dieser blickte sie nun unverwandt an.
Von der anfänglichen Angst war nichts mehr zu sehen. Er hatte sich mit seinem unausweichlichen Schicksal abgefunden.
„Und jetzt?", fragte er.
„Jetzt? Jetzt kommt das Ende, das du verdient hast", antwortete sie ihm emotionslos.
„Und was hast DU ... verdient?", erwiderte er unerschrocken.
„Was meinst du?", fragte sie interessiert.
„Das, was du jetzt bist ... du warst nicht immer so, nicht war?"
Er merkte er hatten einen Nerv getroffen, denn sie antwortete nicht sofort.
Sie sah ihn nur eigenartig an. „Nein, ich ... ich war schon immer so!"
„Oh, nein." Er versucht einen Schuss ins Blaue.
"Auch du hattest mal ein anderes Leben. Warst ... menschlich. Hattest Freunde. Vielleicht sogar einen Geliebten? Gibt es keinen, zu dem du zurückkehren willst?"
Sie zuckte kaum merklich zusammen.
„Ja, das alles kann ich sehen!", antwortete er kühn. Er hatte nichts mehr zu verlieren.
Vielleicht hatte er nur noch diese eine Chance etwas in ihr wach zurütteln und damit Mandy zu helfen. Vielleicht verschonte sie sie ja doch.
"Wie kannst du das, was du jetzt bist nur ertragen? Wie kannst du dich selbst im Spiegel betrachten?"
Ihr Blick wanderte von ihm weg. Wieder schien sie in der Ferne etwas zu sehen, das nur für sie bestimmt war. Ihre Augen verloren etwas von der allgegenwärtigen Härte.
Sie bekamen einen Anflug von Traurigkeit, von Hoffnungslosigkeit.
„Ich ... kann mich nicht mehr im Spiegel betrachten. Da hast du recht!", lachte sie kurz humorlos auf.
„Im Gegenteil. Erst wenn kein Spiegel in der Nähe ist, die Stimmen in mir für kurze Zeit schweigen, dann fühle ich mich fast wieder wie ein ... Mensch", gestand sie leise, mehr sich selbst, als dem sterbenden Mann vor sich auf dem Boden.
„Nicht wie ein Freak, ein ... Monster. Denn ich weiß sehr wohl, was ich geworden bin!" Sie musste tief durchatmen, bevor sie weitersprechen konnte.
„Doch diese ... Momente sind flüchtig und sie werden immer seltener. Danach ... fühle ich nur noch den Hass, der mich antreibt weiter zu machen."
In diesem Moment sah sie ihm wieder unverwandt in die Augen.
Jegliche Trauer, jede menschliche Regung war nun daraus verschwunden.
„Den Hass, der mir die Kraft gibt zu tun, was getan werden muss. So wie jetzt."
Sie schloss die Augen, konzentrierte sich kurz und als sie sie wieder öffnete flackerte darin ein unstetes blaues Feuer.
Das sind sie also. Die eisigen Flammen, realisierte Rupert.
Kurz bevor die Flammen begannen an seinen Beinen empor zukriechen, schaffte er es dem Wesen vor sich noch ein hasserfülltes „Fahr zur Hölle!", entgegen zuschleudern.
„Ich weiß nicht, ob mich die Hölle überhaupt noch will", antwortete sie leise und begann dabei leicht zu wanken.
Augenblicke später fing Rupert an zu schreien, denn das unnatürliche, blaue Feuer fraß sich sofort bis zu seinen Knochen vor und verursachte unbändige Schmerzen.
Einige Sekunden blickte Valerie auf die brennende, sich am Boden wälzende Gestalt hinab. Wie sie vergeblich versuchte die Flammen zu ersticken. Doch die Verdammnis ließ sich nicht so leicht abschütteln.
Sein Geschrei muss man ja fast bis in den Bunker hören, dachte sie und sah zum Eingang hinüber.
Beinah erwartete sie dort die zierliche Figur Mandy's zu sehen, doch der Platz war leer.
Sie und die Flammen waren allein hier draußen in der Nacht.
Für einen Moment musste sie am Stamm des nächsten Baums Halt suchen, denn ihre Beine schienen ihr den Dienst zu versagen. Doch schon bald hatte sie sich wieder im Griff.
Ich musste ihn einfach das Feuer spüren lassen.
Auch wenn es mich wertvolle Kraft gekostet hat.
Scheinbar von ganz allein lag plötzlich der silberne Colt wieder in ihrer rechten Hand und drängte sie seinen Qualen ein Ende zu setzen. Sie hörte förmlich sein Flehen!
Unentschlossen betrachtete sie die Waffe und dann die lebendigen Flammen zu ihren Füßen.
Das kalte, blaue Glühen des Feuers erhellte die Bäume um sie herum mit einem unsteten Flackern. Stumme Zeugen des unsäglichen Grauens, das sich zu ihren Füßen abspielte.
Markerschütterndes Geschrei erfüllte die Stille der Nacht und vermischte sich mit dem Prasseln der Flammen zu einer Symphonie des Grauens.
Plötzlich hallte ein Schuss durch die Einsamkeit und übertönte kurz die letzten, kaum mehr menschlichen Laute.Danach gaben nur noch die leisen Flammen ihr Geheimnis preis.
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SeelenQual - Dark Heroes Rising || Supernatural FanFiktion
HorrorFortsetzung zu SeelenFeuer. Die Existenz eines weiteren gefährlichen Gegners wird den Winchester's offenbart, als sie noch mitten im Kampf gegen Abaddon und Metatron stehen. Überdies leidet Sam noch an den Nachwirkungen durch Gadreel's „Anwesenheit"...