54 - Project Brainstorm

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Einsame Schritte hallten in dieser Nacht durch den Bunker, führten die Gestalt an mehreren geschlossenen Türen vorbei, bevor sie vor einer davon halt machte.

Vorsichtig öffnete sie die nur angelehnte Tür und spähte hinein.

Auf dem Bett lag Mandy und schlief einen unruhigen, anscheinend von Alpträumen geplagten Schlaf.
Der Schatten in der Tür sprach leise einige Worte in einer uralten Sprache und sofort entspannte sich die junge Frau und entglitt in einen tiefen und traumlosen Schlaf.
Lächelnd zog er die Tür wieder ins Schloss und setzte den Weg fort.

Ihr Ziel war erneut das Archiv der Männer der Schriften. Dort würde sie mit Hilfe ihrer Notizen bestimmt Antworten auf einige Ihrer Fragen finden. Und diesmal konnte sie ungestört suchen.
Zumindest für einige Stunden oder sogar fast einen ganzen Tag. Je nachdem wann die beiden Brüder wieder im Bunker eintreffen würden.

Ihr Weg führte sie durch mehrere Korridore und an zahllosen Türen vorbei, denen sie aber keine Beachtung schenkte.
Bis sie an dem Raum mit der Nummer 11 vorbei kam. Dort verlangsamte sie ihre Schritte und blieb stehen.
Es war Dean's Quartier.
Mit einem Lächeln erinnerte sie sich an die leidenschaftlichen Stunden in seinem Bett. Aber auch an die schrecklichen Momente, die sie dort drin mit ihm durchlebt hatte.
Trotzdem suchten ihre Fingerspitzen den Kontakt mit dem Aquariusstern, der in die Tür eingelassen war. Sanft strich sie darüber.
Niemand würde ihr die schönen Stunden je nehmen können.

Doch das Lächeln und die damit einhergehende Wärme in ihren Augen verschwanden, als sich ihr Auftrag, ihr höheres Ziel, wieder in ihr Bewusstsein drängte.
Wie eine mahnende Stimme zerrte es sie wieder in die bevorstehende, schmerzliche Zukunft der beiden Brüder.

Das Ziel!
Mein Ziel!
Er hat mich gewarnt, es würde schwer werden.
Doch so?


Mit einem beherzten Schritt riss sie sich von Dean's Quartier los und setzte
zielstrebig ihren Weg zum Archiv fort.

Aber am Ende tue ich der Menschheit einen Gefallen, wenn ich die Winchester-Linie beende. Der Tod beider ist einfach unvermeidbar!

Weit war sie nicht gekommen, nur noch wenige Meter trennten sie vom Eingang, als sie erneut ein eigenartiges Gefühl der Schwäche in sich wahrnahm.

Wie letztens bei Dean, dachte sie.
Konnte der INU dort im Archiv sein?
Warum habe ich es beim ersten mal ...
Sie lächelte anzüglich.
Nun ich denke wir waren einfach... zu sehr mit uns beschäftigt.

Neugierig beschleunigte sie ihre Schritte und stand so innerhalb weniger Augenblicke vor der Tür zum Archiv. Dieses Gefühl der Schwäche hatte sich noch weiter verstärkt.

Er muss hier sein!

Hastig zog sie den bewährten Dietrich aus ihrer Hosentasche und hatte innerhalb weniger Sekunden das Schloss geknackt.
Freudig erregt drückte sie die Klinke herunter und schritt durch die nun offene Tür, lehnte sie hinter sich nur wieder an und tastete mit ihrer linken Hand nach dem Lichtschalter.
Heimlichkeiten waren jetzt nicht nötig.
Zahlreiche Deckenlampen erhellten gleichzeitig das nun wieder aufgeräumte Archiv. Überrascht blickte sich Valerie um.
Dean hatte anscheinend alles wieder so hergerichtet, wie es vorher gewesen war. Nichts deutete mehr auf den hier stattgefunden Kampf hin. Oder auf die Aktivitäten danach.
Ohne länger ihren Erinnerungen nach zu hängen begab sie sich wieder an den Schreibtisch, nahm sich das Verzeichnis vor und machte sich mit Hilfe des Codes, den sie in dieser besonderen Nacht gefunden hatte, auf die Suche nach handfesten Hinweisen.

Wie lange sie dort schon gesessen hatte, bevor sie endlich mit Hilfe dieses neuen Codes wirklich Verweise auf die vier Elementarwaffen fand, wusste sie nicht.
Aber sie musste schon lange dort gesessen haben, denn sie fühlte sich müde und ausgelaugt, als hätte sie Tage und nicht erst wenige Stunden dort verbracht.
Der Eintrag in der Akte die nun dechiffriert vor ihr lag, verwies auf eine Kiste und deren Standplatz im Archiv.
Erleichtert und doch unendlich müde schleppte sie sich in die hinterste Ecke des Archivs. Dort, wohin auch die hellen Deckenlampen kaum ihr Licht ausreichend warfen.
Der unterste Boden des Regals, direkt an der Wand zur Rechten, sollte die gesuchte Kiste beherbergen, doch der Stellplatz war leer!
Ungläubig ging sie davor in die Knie.

Vielleicht steht sie ja weiter links, dachte sie und zog den nächsten Karton aus dem Regal. Neugierig öffnete sie ihn.
Doch der Inhalt war mehr als enttäuschend!
Zwei Ausgaben des „Grand Grimoire" , von denen sie auf Anhieb wusste, dass es plumpe Fälschungen waren und ein Report, der eben das bestätigte.
Auch der zweite und dritte Karton in dieser Reihe enthielten nur uninteressante Berichte, die in keiner Weise mit ihrem Ziel zutun hatten.

„Das kann doch nicht sein. Verdammt!"

Verzweifelt tastete sie auf dem leeren Platz an der Wand ziellos umher, bis sie ein warmes Kribbeln der Hand spürte. Immer dann, wenn sie der Wand näher kam.

Ein Zauber?

Neugierig kniete sie sich direkt vor die Wand und berührte sie vorsichtig. Ihre Fingerspitzen fühlten keine kalten Steine, wie sie sie in jener Nacht mit Dean in ihrem Rücken gespürt hatte, sondern warme und pulsierende.
Fast schienen die Steine zu leben.
Plötzlich wurde aus der annehmen Wärme eine unangenehme Hitze. Sie war versucht ihre Hand zurückzuziehen, doch eine leise Stimme in ihrem Kopf flüsterte dies gerade nicht zu tun.
Also ließ sie die Hand wo sie war und ertrug es.
Zuerst nur ein leichtes Brennen, wie wenn man einer Kerzenflamme zu nah kam.
Doch sehr bald wurde daraus ein heftiger Schmerz, als würde ihre komplette Hand in Flammen stehen. Doch die Augen geschlossen, hielt sie es aus. Bilder ihrer von Flammen umhüllten Hand tanzten vor ihren Lidern.
Auch als das Feuer ihr Fleisch verkohlt abfallen ließen und die Knochen selbst zu glühen begannen, ließ sie ihre Hand an der Wand liegen.
Dann, urplötzlich war der Schmerz verschwunden und die Bilder ihres malträtierten Fleisches verblassten.
Dafür tauchte ihre Hand in den Stein ein und ertastete dort etwas.
Nur noch mit großer Mühe konnte sie sich aufraffen dieses etwas, von dem sie hoffte es sei die gesuchte Kiste, aus der Wand zu ziehen.
Das, was sie dann heraus zog und auf dem Regal abstellte, war tatsächlich eine Kiste.
Eine ungewöhnlich schwere Kiste, denn im Gegensatz zu den Anderen war sie nicht aus leichtem Karton, sondern aus schwerem Holz gemacht. Dementsprechend mühsam war für sie der lange Weg zurück.

Schwer atmend setzte Valerie die Kiste auf dem Schreibtisch ab und betrachtete sie neugierig im hellen Licht.
Das dunkle Holz war mit den Symbolen der vier Elemente verziert. Hier würde sie garantiert endlich die so wichtigen Hinweise oder sogar mehr finden.
Verschlossen war die Kiste eigenartigerweise nicht mit einem schweren Schloss, wie sie es erwartete hatte, sondern nur eine einfache rote Kordel hielt den Deckel auf der Kiste.

Nun, bei der magischen Sicherung hielten sie war wohl ein zusätzliches Schloss nicht für nötig.

Aufgeregt löste sie den Knoten, ließ sie das rote Band achtlos auf den Tisch fallen und öffnete vorsichtig die Kiste. Die alten Scharniere knirschten laut.
Der Staub und Dreck von Jahrzehnten, vielleicht sogar Jahrhunderten, hatte den eisernen Beschlägen stark zugesetzt. Der Deckel ließ sich deshalb nur unter großer Kraftanstrengung öffnen.
Doch der Inhalt des Kastens entschädigte sie für ihre Mühe. Bereits die erste Schriftrolle, die sie aus ihrem dunklen Grab zog, war schon auf den ersten flüchtigen Blick äußerst vielversprechend.
Sie trug auf der Außenseite das Zeichen des Elementes Luft.
Vorsichtig rollte sie das Pergament auf dem Tisch aus und begann es intensiv zu studieren.
Immer wieder machte sie sich dabei Notizen in dem kleinen Ringbuch, welches sie mitgebracht hatte und fotografierte sie zur Sicherheit auch noch mit ihrem Handy.

Auf diese Art und Weise arbeitete sie sich durch alle vier Schriftrollen. Zu allen vier Elementarwaffen fand sie dort eindeutige Hinweise.
Das alte Pergament, das vom Stab handelte überflog sie nur flüchtig, denn es bestätigte im wesentlichen nur das, was der Orden bereits mühsam über Jahrhunderte zusammengetragen hatte.
Nämlich, dass es sich dabei um den Stab des Moses handelte und dieser sozusagen in der himmlischen Waffenkammer aufbewahrt wurde. Ein Grund dafür, dass sie Metatrons Hilfe benötigte.

Die restlichen Schriften musste sie eindringlicher studieren. So konzentriert in ihre Arbeit vertieft merkte sie nicht, wie spät es bereits geworden war.
Dass die Sonne schon lange wieder aufgegangen war und sich der Zeiger unablässig auf 12:00 Uhr Mittags zu bewegte.
Doch die Erschöpfung, die sie seit dem Betreten des Raums immer deutlicher gespürt hatte, forderte nun ihren Tribut.
Während der Übersetzung der letzten Zeilen der letzten Schriftrolle fiel es ihr immer schwerer sich zu konzentrieren. Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Mal zu ihrer Tante Marie, zu ihrem Freund Eric oder zu Constantin, ihrem Mentor und Lehrer. Zum Schluss standen ihr sogar äußerst lebhafte Bilder der beiden Winchester Brüder vor Augen.
Das war der Augenblick in dem ihr die Augen endgültig zu fielen und sie in einen unruhigen Schlaf abdriftete.

* * *


„Valerie!", rief eine Stimme in der Dunkelheit.

Doch sie erhielt keine Antwort.

„VALERIE! WACH AUF!"
Wieder kam keine Antwort.

„VALERIE, ER IST AUF DEM WEG!"

Mit vor Schreck geweiteten Augen und einem wie wild klopfenden Herzen, hob sie ruckartig den Kopf, der auf ihrem Arm geruht hatte.

Metatron?, fragte sie sich.
Verdammt! Ich bin eingeschlafen!
Wie spät ist es?


Panisch sah sie auf die kleine Uhr an ihrem Handgelenk und zog überrascht die Luft ein.

Scheiße, schon Nachmittag!

Hastig rollte sie die Schriftrollen zusammen, verpackte sie erneut in den dafür vorgesehenen Vertiefungen und wollte den Kasten gerade wieder schließen, als ihr auf der Innenseite des Deckels etwas auffiel.
Ein Teil des dunklen Holzes schien heller zu sein als der Rest. Vorsichtig strich sie mit dem angefeuchteten Zeigefinger darüber und legte so eine leider beschädigte Intarsie aus Elfenbein frei.
Sie drehte den hölzernen Deckel ins Licht und erkannte die Form eines Auges.
Interessiert berührte sie die einzelnen Elemente. Als sie an der Iris des Auges angelangt war, hörte sie ein leises Klicken und direkt neben der Intarsie öffnete sich im Deckel ein kleines Geheimfach.
Neugierig drückte sie das leicht geöffnete Fach ganz auf. Kaum das die Öffnung groß genug war, fiel daraus ein metallener Gegenstand in ihre Hand.
Diese Box maß kaum 5 x 5 cm und trug ebenfalls das Symbol des Auges, inklusive einer kleinen Inschrift.

Die Box für den INU!

Sie öffnete ihren Schatz vorsichtig, musste aber feststellen, dass die Box leer war.

War ja klar!, seufzte sie enttäuscht.
Jetzt muss ich ihn nur noch finden.

Enttäuscht legte sie das Kästchen beiseite, schloss die Kiste wieder und befestigte die rote Kordel erneut darüber. Niemand konnte erkennen, dass sie je geöffnet wurde.
Ebenso gewissenhaft verstaute sie sie wieder in der Wand der dunklen Ecke des Regals, in der sie Jahrzehnte unberührt zugebracht hatte.
Sie war sicher, dass hier noch mehr kostbare Geheimnisse auf sie warteten, die sie zu einem späteren Zeitpunkt enthüllen würde. Dann, wenn sie vollkommen sicher war, dass sie dafür keinen der Brüder lebendig brauchte.
Ihre Aufzeichnungen, die sie im Geheimen genauer studieren und mit ihren anderen Quellen vergleichen würde, wanderten in die Tasche ihrer Hose.

Erleichtert über ihren Erfolg hatte sie fast schon die Klinke der Archivtür in der einen und den Lichtschalter in der anderen Hand, als ihr aus den Augenwinkeln ein blaues Glimmen oberhalb der Tür auffiel.

Sie hob den Kopf und sah in das eisige blaue Leuchten des INU.

SeelenQual - Dark Heroes Rising || Supernatural FanFiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt