16 - Tupelo Theater Terror - 1. Akt

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„ ... Nimm etwas Wasser und wasch von deiner Hand das garst'ge Zeugnis ...."

„Amber!"

„Was brachtest du die Dolche ..."

„AMBER! STOP!"

„ ... "

Die junge Schauspielerin auf der Bühne hielt endlich den Mund und der Regisseur der Inszenierung kam zu guter Letzt doch noch zu Wort.

„Was ist denn, Stephen?", fragte sie unschuldig und warf dabei aufreizend ihre langen blonden Haare durch die Luft.

„Kindchen, ich weiß das hier ist nicht der Broadway, aber vielleicht könntest du dich bei deiner Verkörperung der Lady Macbeth etwas mehr an das halten, was ich dir vorhin in der Garderobe erzählt habe, ja?"

Amber's Stirn legte sich in Falten.
Man sah ihr an, dass sie sich angestrengt versuchte daran zu erinnern. Es war ja immerhin schon eine halbe Stunde her!
Dann plötzlich erhellte sich ihr Gesicht. Ein verschmitztes Lächeln lag auf ihren Lippen.
„Stepho, meinst du wirklich DAS würde mir dabei helfen?"

Der Regisseur verdrehte genervt die Augen und schüttelte den Kopf.
„Doch nichts DAS, Amber. Das ... danach!"

Wieder dachte sie konzertiert nach.
Sowohl der Darsteller des Macbeth ließ einen tiefen genervten Seufzer hören, als auch der Regieassistent, der neben Stephen saß.

Also, wenn unser Geldgeber nicht darauf bestanden hätte, würde sie hier nicht mal den Boden wischen. Geschweige denn eine der Hauptrollen spielen!
Sie ist wirklich schrecklich!, dachte Stephen.

In diesem Moment lehnte sich der Regieassistent zu ihm herüber und flüsterte ihm mit vorgehaltener Hand zu: „Sie ist schrecklich!"

„Ach, Nein!", war alles, was Stephen genervt antwortete.
Verzweifelt schlug er die Hände vor sein Gesicht.
Die Ellbogen stützte er dabei auf dem kleinen Tisch vor sich ab, der nur das Skript und eine große Tasse Kaffee beheimatete.
Das arme Möbelstück ächzte unter dem zusätzlichen Gewicht verdächtig auf.

Genauso würde es nun Shakespeare ergehen, würde er noch leben.
Nun zum Glück für ihn, tut er es nicht mehr!

Er atmete tief durch, bevor er von seinem Sitz in der ersten Reihe aufstand und auf die Bühne zuging.
„Amber, Lady Macbeth ist hier die treibende Kraft der Morde. Sie ist die Starke der Beiden. Sie ist kein ... verschrecktes Reh mit Kulleraugen!"

Amber sah ihn nur verständnislos an.
Wie ein verschrecktes Reh mit Kulleraugen eben.

Oh Mann!

„Ok, Leute. Es ist schon spät. Wir machen Feierabend!", rief er in die Runde.

Augenblick wurde es im Theater geschäftig.
Die Schauspieler auf der Bühne verließen die ihnen angewiesenen Plätze und machten sich auf den Weg zu den Garderoben.
Die Beleuchter löschten einen Großteil der Lampen und auch Stephens Assistent erhob sich.
Alle warteten schon seit Stunden auf diese Worte und konnten es kaum noch erwarten endlich nach Hause zu kommen.

„Wir treffen uns alle morgen früh um neun ... nein, besser um sieben Uhr wieder hier!", rief er in die allgemeine Aufbruchsstimmung hinein.

Wir haben noch viel zu tun.
Noch sehr viel!

Er seufzte hörbar bei dem Gedanken an die bevorstehende Herausforderung in der kürze der Zeit aus der hübschen Amber doch noch eine halbwegs respektable Lady Macbeth zu machen.

„Was ist mit ihnen, Sir?", fragte sein Assistent, der sich ebenfalls bereits seine Sachen unter den Arm geklemmt hatte.

Stephen hatte es sich nun auf dem Rand der Bühne gemütlich gemacht und ließ seinen Beinen baumelnd freien Lauf.
So konnte er besser nachdenken.
„Ich ... ähm, werde mir noch mal ein paar Gedanken über das Stück machen, Roger", antwortete er.
Als er den Gesichtsausdruck seines Gegenübers sah, setzte er noch hinzu: "Allein. Ich brauche Sie nicht mehr. Gehen sie ruhig auch nach Hause. Sie haben es verdient!"

Roger nickte nur dankbar und ließ ein „Ok. Dann bis morgen" hören, bevor auch er allen anderen in den wohlverdienten Feierabend folgte.

Die Geräusche abnehmender Geschäftigkeit, die anfänglich noch durch den leeren Zuschauerraum hallten, wurden nun langsam leiser.

Alle packen zusammen.
Das Theater leert sich, dachte er.

Stephen Rohdes war noch immer tief in Gedanken versunken, als bis auf eine Rest-Beleuchtung an der Bühne, kaum noch Licht den großen Zuschauerraum erhellte.
Nur noch die ersten drei Reihen wurden beleuchtet, der Rest verlor sich fast gänzlich in einer vertrauten Dunkelheit.
Seit einigen Wochen saß er so noch öfter allein auf der Bühne und überlegt, wie er die immer näher rückende Inszenierung noch retten konnte.
Manchmal blieb er bis spät in die Nacht noch allein im Theater und grübelte. Der Geruch des Holzes und der alten Polster – nach Mottenkugeln - half ihm beim Denken.

Er ist schon etwas besonderes; dieser Geruch eines alten Theaters. Und die Geräusch, die die Bühne macht, auch wenn niemand darauf steht ...

Er war sich nicht bewusst, wie lange er dort schon gesessen hatte, als er überrascht andere Laute wahrnahm, die die stumme Zwiesprache zwischen ihm und dem Theater störten.
Laute, die er hier nicht mehr erwartetet hatte.
Jedenfalls nicht mehr vor morgen früh.

Verwundert öffnete er die Augen und sah sich um.
Über den hinteren Bühnenabgang kamen zwei Schauspieler - Amber und der Darsteller des Macbeth - sowie die Garderobiere aufgebracht murmelnd auf ihn zu.
Die zwei Beleuchter und ein paar Bühnenarbeiter hatten gerade ebenfalls wieder den Raum betreten. Über eine kleine Tür rechts neben der Bühne, in der Nähe des vorderen Zuschauerganges.
Auch sie sprachen leise miteinander.
Kurz dahinter folgte auch Roger mit einem verwunderten Gesichtsausdruck.

„Was ist denn los?", fragte Stephen überrascht.

Als hätte er damit eine Lawine losgetreten, plapperten alle mit einmal lautstark durcheinander. Stimmlich konnte sich allerdings Amber durchsetzen, denn sie zeterte am lautesten.
Und das jetzt auch noch genau neben seinem Ohr.
„Stepho, was soll der Scheiß?", keifte sie.

Wie sehr er es hasste, wenn sie ihn so nannte!
Er rutschte von der Kante der Bühne herunter, damit er keinen Hörsturz erlitt.
„Von was redet ihr denn bitte alle?", fragte er.

Und wieder war es „Lady Macbeth", die alle übertönte.
„Von was wir reden?"

„ ... "

„Wir reden davon, dass alle Türen nach draußen verschlossen sind, Stepho!"

„Alle?", fragte er verwundert und blickte dabei in Richtung seines Assistenten.
Der ebenfalls verwundert nickte.

„Alle! Sogar der Notausgang, der ja immer offen sein müsste, lässt sich beim besten Willen nicht öffnen, Boss!"

„Scheiße! Wir werden hier nie wieder rauskommen!", schluchzte Amber.

Auch die anderen begannen nun leise ihren Unmut zu äußern.

„Kein Grund zur Panik, Leute! Wir rufen einfach den Hausmeister an. Der wird uns schon helfen", beruhigte Stephen die Menge.
Er versuchte es jedenfalls.
Und es gelang ihm für ungefähr ... zehn Sekunden.

„Ähm, das haben wir schon versucht. Aber die Telefone sind tot", antwortete Roger.
Erneut erhoben sich die Stimmen der Menge.
Jetzt aber lauter.
Und nun mischte sich auch hier und da bereits etwas Panik unter.

Genervt griff Stephen zu seinem Mobiltelefon.
„Dann rufen wir ihn eben seine Notfallnummer über das Handy an. Du meine Güte ist das denn so schlimm mal eben ein paar Minuten zu warten. Es wird sich schon alles aufklären!"
Er wählte die erwähnte Nummer an und erhielt ... keine Verbindung.
Er versuchte es erneut.
Aber sein Handy buchte sich nicht einmal in ein Netz ein.
Überrascht betrachtete er das Display, als könne er es so dazu bringen die gewünschte Nummer anzuwählen.
Doch nichts tat sich.

Roger trat ganz nah an ihn heran.
„Auch das habe ich mit meinem schon versucht. Nichts!"

„Verdammt!"
Ratlos sah er seinen Assistenten an.
Aber der zuckte auch nur mit den Schultern.

„Was um alles in der Welt geschieht hier?", sagte Stephen mehr zu sich selbst, als zu irgendeiner anderen anwesenden Person.

Und doch erhielt er eine Antwort.

Von weit oben aus dem Zuschauerraum erklang eine Stimme aus der Dunkelheit.
„Sie stellen die falschen Fragen!"

Überrascht drehte sich Stephen um und versuchte die Gestalt auszumachen, die eben gesprochen hatte.
Suchend huschte sein Blick durch das Halbdunkel der leeren Sitzreihen.

Auch sein Assistent hatte die Stimme wohl gehört und hielt ebenfalls Ausschau.

Da war wieder diese Stimme.
„Und sie suchen an der falschen Stelle, mein Lieber. Etwas höher!"

Jetzt erkannte er, dass sie zu einer Frau gehören musste.
Und er vermutete, dass die Person in der letzten Sitzreihe – ganz oben – Platz genommen hatte.
Sie erhob sich gemächlich von ihrem bequemen Sitz, so dass sich nun ganz schwach eine schmale Silhouette vor der Wand abzeichnete.
Durch das Leuchten des Notausgangsschildes bildete sich ein unheilvoller grüner Schein um sie und ließ sie noch zerbrechlicher wirken.
Die Fremde klatschte hohnvoll Beifall.
„Bravo. Sie haben scharfe Augen. Nun lassen sie uns sehen, ob ihr Verstand ebenso scharf ist."

Mit diesen Worten begab sie sich langsam die nicht beleuchtete Treppe hinunter.
Alle Anwesenden hatten mittlerweile realisiert, dass sich im Zuschauerraum etwas tat und hatten ihre Augen auf die kaum sichtbare, schlanke Gestalt gerichtet, die sich ihnen nun näherte.

Alle, außer Amber.
Die zeterte immer noch vor sich hin wie ein altes Waschweib und haderte mit dem Schicksal.
Mit einer bereits an Dummheit grenzenden Hartnäckigkeit versuchte sie immer wieder mit ihrem Handy zu telefonieren.
Und jedes Mal mit dem gleichen Resultat.
Das hielt sie aber nicht davon ab es weiter zu versuchen.
Frustriert hackte Amber immer noch auf das Display ein, als mehrere Augenpaare der mysteriösen Frau, die auf der letzten Stufe stehen blieb war damit sie alle sehen konnten, gespannt entgegen blickten.

Stephen besah sich die Frau nun näher.
Von unten nach oben.
Sie war komplett in schwarz gekleidet.
Stiefel, Jeans, Lederjacke mit einem Kapuzenpulli darunter.
Eine Symphonie in Schwarz!
Weil sie die Jacke nicht geschlossen hatte konnte er einen Teil ihre Halses sehen.
Entsetzt lieb sein Blick daran hängen.
Blasse Haut, die von einer markanten Narbe geschmückt wurde. Sie reichte von einer Seite zur Nächsten.
Als hätte jemand versucht ihr die Kehle durchzuschneiden. An diese große Narbe schlossen sich weitere, feinere an.
Sie sahen für ihn wie Brandmale aus, die teilweise ihre linke Gesichtshälfte bedeckten.
Sie reichten hinauf bis zu ihrer Stirn.
Nur schwer konnte er sich von diesem Anblick losreißen und ihr mutig entgegen treten.

„Jetzt, da wir uns endlich ins Angesicht sehen können ... Welche Frage wäre denn die richtige gewesen?", ließ Stephen von sich hören.
Seine Stimme zitterte immer noch hörbar, obwohl er sich größte Mühe gab zuversichtlich zu klingen.
Mit jemand der solch eine schwere Verletzung überlebte und auch noch zur Schau trug war, seiner Meinung nach, nicht zu Spaßen.
Er musste versuchen zu taktieren.
Vielleicht konnte er etwas Zeit gewinnen, bis jemand sie alle rettete.
Er sah ihr nun geradewegs ins Gesicht.
Dort erwartete ihn die nächste Überraschung.

Ihr Gesicht hatte fast etwas zerbrechliches, so blass und eingefallen sah es aus.
Hohle Wangen, ein scharf gezeichnetes Kinn, aber Augen, die diese Zerbrechlichkeit Lügen straften.
Ihre Augen zogen ihn schier in einen unheilvollen Bann.
Sie waren von einem solch intensiven, dunklen Blau, dass man meinte sie brannten von innen heraus durch ein unnatürliches Feuer.
Er musste sich zwingen den Blick zu senken, sonst hätte er sich in ihnen verloren.

„Die richtige Frage, mein tapferer Freund, wäre gewesen: Wer bin ich und was will ich?"

SeelenQual - Dark Heroes Rising || Supernatural FanFiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt