43 - Nocturnal Activities

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Sam's Ankündigung traf besonders Valerie hart. Diese „Vorsichtsmaßnahme" setzte sie zusätzlich unter Zeitdruck.
Wenn Sam erst mal direkt neben ihr einzog, würde sie kaum noch unbemerkt in das Archiv - von dem sie sich mehr versprach als von der Bibliothek- vordringen können.
Etwas, das sie unbedingt vor den Propheten oder den beiden Winchesters erledigen musste.
Natürlich könnte sie auch erst die beiden Brüder ausschalten, dann die „Propheten" und danach in aller Seelenruhe das Archiv durchsuchen.
Das war ihr erster Plan gewesen.
Doch was war, wenn die Hinweise sie dann zu etwas, beispielsweise einem geheimen Raum, von dem es im Bunker einige geben soll, führten und nur einer der Männer der Schriften diesen öffnen könnte?
Von solch magischen Tüfteleien hatte sie schon des öfteren gehört und die Männer der Schriften waren für ihre Vorsicht bekannt gewesen.
Dann hätte sie alles durch ihre voreilige Handlung verspielt!
Sie durfte kein Risiko eingehen und mindestens noch einer der Beiden musste am Leben sein, wenn sie mit der Suche begann.
Sich ihrer entledigen konnte sie auch noch später.

Jetzt hatte sie aber genau noch diese eine Nacht, um in das Archiv zu kommen. Und die wollte sie um jeden Preis nutzen.
Sie musste wissen, ob das hier ein Sackgasse für ihre Suche war oder nicht!

Nachdem Sam wieder gegangen war und auch Mandy sich wenig später, sichtlich traurig und eingeschüchtert, aus ihrem Zimmer verabschiedet hatte, legte sie sich auf ihr Bett.
Komplett angezogen, mit ihrer obligatorischen schwarzen Jeans, einem ebenfalls schwarzen, ärmellosen T-Shirt und auch mit Stiefeln, wartete die hagere Gestalt, die Beine entspannt übereinander geschlagen, auf dem Bett.
Sie starrte an die Decke und lauschte den Geräuschen im Bunker.

Sam's Schritte wurden noch lange von den gekachelten Wänden der Korridore zurückgeworfen, bis sie weit entfernt eine Tür in die Angeln fallen hörte.
Auch die Tür zu Mandy's Quartier waren bereits seit langem wieder geschlossen, als sie immer noch wach lag.
Mittlerweile hörte sie nur noch das konstante Summen des Stromaggregates und das Brummen der Lüftung. Die beiden pulsierenden Lebensadern des Bunkers.
Beides schien ihr lauter zu sein als sonst.

Es wird Zeit!

Sie stand vom Bett auf und nahm ihre kleine Taschenlampe aus dem Rucksack, der daneben auf dem Boden stand und steckte sie in die Hosentasche.
Als sie ihr Messer wie üblich in der eigens dafür gefertigten Scheide auf ihrem Rücken verstaute, zeichneten sich deutlich ihre Muskeln an den Armen ab.

Der kleine Spiegel, an dem sie auf ihrem Weg nach draußen vorbei kam, zeigte ihr auch jetzt das Bild, vor dem sie sich schon am ersten Tag im Bunker erschreckt hatte, als sie nach dem Duschen an einem der Spiegel vorbei gegangen war und unvorsichtigerweise hinein gesehen hatte. 

Etwas, dass sie sonst nie tat.

Sie sah, dass ihre Sehnen und Adern an den Armen mittlerweile deutlicher hervor traten, als noch vor einigen Wochen und sie zeichneten ein unregelmäßiges blaues Muster unter die, an einigen Stellen, fast durchscheinende Haut.
So deutlich fiel ihr die Veränderung ins Auge, dass sie meinte alle anderen müssten es ebenfalls bemerken.
Doch das war nicht der Fall.
Keinem fiel es auf. Nicht einmal Mandy oder Sam, der sie manchmal immer noch mit diesem besonderen Blick musterte.

War es dann vielleicht doch nur eine Illusion?
Ein Trugbild ihres Geistes für sie ganz allein, das ihr vorgaukelte sie würde sich langsam auflösen?
Auflösen zu Gunsten eines grausameren Wesens, das in ihr wohnte und immer stärker wurde?

Doch trotz alledem wollte sie der Ursache für diese Illusion nicht auf den Grund gehen. Sie ahnte wo das Enden könnte. Aber sie durfte sich nicht von ihrem Ziel ablenken lassen.
Selbst wenn sie in der Lage gewesen wäre diese „Störungen" genauso zu beheben, wie sich ihrer Narben zu entledigen, hätte sie es nicht getan. Sie durfte kein Quäntchen ihrer Kraft auf solche Nebensächlichkeiten verschwenden. Nicht mehr!
Sie würde damit klar kommen müssen.

Entschlossen riss sie sich von ihrem Bild im Spiegel los und war mit wenigen Schritten an der Tür ihres Quartiers.
Vorsichtig öffnete sie sie und lugte auf den Korridor hinaus.
Keine Menschenseele war weit und breit zu sehen oder gar zu hören.
Wieder war es für sie von Vorteil am anderen Ende des Wohntrakts untergebracht zu sein. Sie hatte sich den Weg zum Archiv, welches sie zufällig vor kurzem auf einem ihrer Streifzüge mit Mandy gefunden hatte, eingeprägt.
Er war nicht besonders schwierig zu finden, wenn man erst mal wusste wo es sich befand.
Aber eine Hürde gab es noch.
Sie musste unbemerkt an Dean's Zimmer vorbei kommen, bevor sie in den richtigen Korridor abbiegen konnte.

Sie trat auf den Gang hinaus und schloss leise die Tür hinter sich. Wie ein Raubtier auf Beutezug schlich sie, ohne ein einziges Geräusch zu verursachen, durch die verlassenen Korridore des Bunkers.
Kein fremdes Geräusch, außer dem ihres eigenen Atems drang an ihr Ohr.
Sie passierte die Räume der beiden Verräter und auch Sam's ohne jegliche Störung.

An der nächsten Kreuzung blieb sie stehen und holte tief Luft.

So, jetzt noch dieser Gang.
Der Rest ist ein Kinderspiel.


Sie drückte sich an die Wand, bevor sie einen schnellen Blick um die Ecke riskierte.
Auch dieser, mit Türen gespickte Korridor war leer.
Eine der Türen auf der rechten Seite zog ihren Blick magisch an.
Auf ihr prangte die Zahl elf.

Dean!

Es gab keinen anderen Weg zum Archiv als diesen.
Sie musste irgendwie an seinem Quartier vorbei, ohne ihn durch ihre schiere Präsenz auf sich Aufmerksam zu machen.
Dafür würde sie etwas Kraft verschwenden müssen, denn es war zu wichtig.
Sie schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können und kramte in ihrem Geist nach einem passenden Zauberspruch.

Vielleicht hilft ja ein Tarnzauber.
Hoffentlich erinnere ich mich noch daran, was J.B. mir beigebracht hat!

Aus den Tiefen der übertragenen Erinnerungen ihrer Tante und den Lehren ihres Mentors, entwanden sich Buchstaben.
Diese Buchstaben wurden zu Worten.
Lateinische Worte.
Sie flüsterte sie so leise, dass sie sie kaum selber vernahm.
Trotzdem fürchtete sie so laut gesprochen zu haben, dass Dean allein davon erwachen könnte.

Erneut lugte sie um die Ecke.
Aber auch jetzt regte sich nichts.

Ich muss es wohl einfach versuchen.

Entschlossen bog sie um die Ecke und schob sich an Dean's Tür vorbei.
Nichts geschah!
Kein Laut drang aus seinem Zimmer.

Es hat tatsächlich funktioniert!

Nach wenigen Schritten bog sie bereits um die nächste Ecke.
Merklich zuversichtlicher und zügiger schritt sie nun durch den letzten Korridor, der sie noch von der Tür zum Archiv trennte.

Wenig später gelangte sie unbehelligt an ihr Ziel.
Sofort untersuchte sie die Tür auf magische Sicherungen, fand aber auch jetzt keine entsprechenden Hinweise.
Ohne kostbare Zeit zu verschwenden machte sie sofort mit Hilfe ihres Dietrichs daran das Schloss auf konventionelle Art und Weise zu öffnen.
Nach wenigen Sekunden zeigte ihr ein metallisches Klicken, dass das Türschloss seinen Widerstand eingestellt hatte.
Erleichtert, aber auch erregt drückte sie Klinke herunter und trat zügig durch den schmalen Spalt, bevor sie die Tür hinter sich wieder schloss.
Dahinter erwartete sie vollkommene Dunkelheit.
Hastig fischte sie die kleine Taschenlampe aus ihrer Hosentasche.
Sie ließ den schmalen Lichtstreifen durch den finsteren Raum tanzen.
Dieser holte zuerst nur eine Menge verstaubter Kartons mit wirrer Beschriftung aus ihrem anscheinend bereits lange andauernden Schlaf.
Dann tauchte am Ende des Raumes ein kleiner Schreibtisch mit einer Leselampe darauf aus dem Dunkeln auf. Nicht der Stuhl davor, aber ein kleiner silberner Stahlschrank daneben erregte Valerie's Aufmerksamkeit.

Karteikarten?

Sie hielt direkt darauf zu und schaltete die Lampe auf dem benachbarten Schreibtisch ein. Nach einem kurzen Flackern spendete diese zwar nur ein diffuses Licht, aber es war besser als nichts.
Der Stahlschrank war so groß wie sie selbst und zu ihrer Überraschung nicht abgeschlossen. Mit einem ohrenbetäubend anmutenden Quietschen und der Taschenlampe zwischen ihren Zähnen, öffnete sie die oberste Schublade.
Die metallenen Schienen beherbergten unzählige Hängeregister aus brauner Pappe. Alle sorgfältig geheftet und beschriftet. Sie zog eine heraus und klappte sie aufgeregt auf.
Doch es war nur ein Blatt in dieser Kladde und das war mit lateinischen Schriftzeichen gefüllt, die keinen Sinn ergaben.
Frustriert steckte sie diese wieder zurück und nahm sich die Nächste. Doch auch hier bot sich ihr das gleiche Bild.
Alles schien nach einem ausgeklügelten System sortiert und codiert zu sein, damit eben niemand außer einer der Männer der Schriften wusste, wo was zu finden ist.
Sie musste also so etwas wie einen Schlüssel, die Hauptkartei finden, damit sie alles entziffern und mit der eigentlichen Suche beginnen konnte.
Erneut ließ sie den Lichtstrahl im Raum umherschweifen.
Dabei musste sie ihre erste Einschätzung über die Ausmaße des Raumes revidieren.
Er war weitaus größer und höher, als sie zuerst gedacht hatte. Die weiteren und bis zur Decke reichenden Regale mit Kartons bewiesen es.
Doch außer noch mehr Regalen und Kartons entdeckte sie nichts.

Vielleicht der Schreibtisch?

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den hölzernen Tisch. Doch weder auf ihm konnte sie etwas entdecken, noch hatte er eine Schublade, in der etwas versteckt sein könnte.

Versteckt...
Die Männer der Schriften waren immer sehr vorsichtig gewesen.

Sie legte sie Taschenlampe auf dem Stahlschrank ab, denn jetzt würde sie beide Hände benötigen.
Konzentriert befühlte die dicke Tischplatte.
Sie war eben und wies nichts ungewöhnliches auf.
Ihre Finger fuhren am Rand des Tisches lang.
Aber auch hier fand sie nichts.
Dann glitten ihre Hände unter die Platte.
Fast wollte sie schon ihre Hände frustriert auf den Tisch schlagen, als ihre eine winzige Unebenheit auffiel.
Sie drückte vorsichtig darauf.
Ein sattes „Klick" ließ die hölzerne Tischplatte erbeben und die untere Hälfte sprang ihr ein Stück entgegen.

Bingo!
Ein Geheimfach.


Vorsichtig zog sie diese auf sich zu.
In einer offensichtlich eigens dafür hergestellten Aussparung im Holz lag ein großes Buch.
Es war in edles dunkelbraunes Leder gebunden.
Darauf prangte in Gold das Symbol der Männer der Schriften: Der Aquariusstern.

Sie zog den Stuhl wieder an den Schreibtisch heran und begann mit dem Studium des Buches.
Nach einigen Minuten hatte sie das komplizierte System aus Zahlencode und Querverweisen des Verzeichnisses – denn nichts anderes war das Buch – verstanden und konnte sich nun auf die gezielte Suche machen.
Auf die Suche nach vier besonderen Gegenständen, beziehungsweise auf einen Hinweis auf den Verbleib eines Pentakels, eines Stabes, eines Dolches und eines Kelches.
Den vier Elementarwaffen.

Nach einer halben Stunde, mehreren geöffneten Kladden aus dem Hängeregister, war sie am Ende des Verzeichnisses angelangt und stolperte eher zufällig über eine handschriftliche Notiz, kurz bevor sie es enttäuscht zuschlagen wollte, denn etwas interessantes hatte sie nicht gefunden.
Es war nicht mehr als ein paar Zahlen und Buchstaben, oberflächlich dem sonst auch verwendeten Code sehr ähnlich, aber sie ergaben keinen Sinn.
Eigentlich fiel es ihr nur auf, weil am Ende dieser Abfolge kleine Initialen zu lesen waren. Dort stand ganz klein und fast kaum mehr lesbar C.S.
Anderenfalls hätte sie es als schwachsinniges Gekritzel abgetan.
Aber C. S. stand wahrscheinlich für Cuthbert Sinclair.
Einem der fähigsten, aber auch umstrittensten Mitglieder der Männer der Schriften.
Wenn man den Gerüchten Glauben schenkte.
Und genau das tat Valerie.
Ehrfürchtig strich sie leicht über die Initialen und als sei dies ein stummer Befehl gewesen, erschienen langsam daneben noch mehr Zahlen und Buchstaben.
Und diesmal ergaben sie einen Sinn.
Zum Schluss enthüllte das Blatt noch vier Zeichen, die ihren Atem stoppen ließen.
Die Symbole der Elementarwaffen.
Sie hielt den entscheidenden Hinweis jetzt tatsächlich in den Händen.
Hastig griff sie einen Stift vom Tisch, riss ein Stück unbeschriebenes Blatt Papier aus dem Verzeichnis und notierte den Code, denn er begann bereits wieder zu verblassen.
Damit würde sie das Dokument finden, welches ihr den Standort des gesuchten Kartons im Archiv weisen würde.

Kaum hatte sie den letzten Buchstaben notiert, als ein Geräusch hinter ihrem Rücken sie aufschrecken ließ.
Das kostbare Papier einstecken, aufstehen und gleichzeitig das Messer ziehen war eine einzige fließende Bewegung.

Sie würde diesen Erfolg nicht kampflos aufgeben.

SeelenQual - Dark Heroes Rising || Supernatural FanFiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt