25 - Wenn Wir Uns Wiedersehen

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Sam wartete versteckt hinter einem Müllcontainer auf der Rückseite des Gebäudes.

Von dort aus hatte er den hinteren Notausgang im Blick. Alles, was dort herauskam würde er sofort sehen. Ohne das er selbst gesehen wurde.
Er verharrte bereits einige Minuten in seiner Deckung und hatte sich fast dazu durch gerungen doch zum Notausgang zu gehen und den Täter von der anderen Seite her anzugreifen, seinem Bru... Dean zu helfen, als er ein polterndes Geräusch wahrnahm.
Es kam vom Ausgang.
Jemand würden in den nächsten Sekunden dort raus kommen.
Nur wer?
Hastig trat er wieder in die Deckung seines Verstecks zurück und zog seine Waffe.
Die Tür flog auf und das Gebäude spuckte eine kleine Person aus.

Eine Frau?
Nee!


Der Ausgang lag im tiefen Schatten eines anderen Gebäudes – er teilte die schmale Gasse förmlich in zwei Hälften - aber trotzdem sah er, dass die Gestalt von zierlichem Köperbau war.
Sie sah sich nicht einmal um, als sie in die entgengesetzte Richtung davon lief.
Sam reagierte sofort.
Er setzte an hinter ihr her zu spurten – und er würde sie gewiss einholen – und zielte gleichzeitig auf die flüchtende Gestalt.

„Halt! Stehen bleiben! FBI!", schrie er.

Vielleicht hilft es ja, dachte er zweifelnd.
Er wollte möglichst eine langwierige Verfolgungsjagd vermeiden.

Doch es scherte diese Person anscheinend wenig, wer da hinter ihr war.
Sie setzte ihr Flucht fort.
Er versuchte es trotzdem noch einmal.
Vielleicht hatte sie ja nichts mit dem Ganzen zu tun und er wollte keinen Unschuldigen erschießen.

„STEHEN BLEIBEN! ODER ICH SCHIEßE!"

Keine Reaktion!
Sam blieb nichts anderes übrig.
Er blieb stehen, um besser zielen zu können und schoss der Gestalt eine Kugel einen Meter vor die Füße in den Asphalt.
Das zeigte Wirkung.
Der Flüchtende wurde langsamer.
Blieb aber nicht stehen.

Irgendetwas in seinen Bewegungen kommt mir bekannt vor!
Kenne ich ihn?


Die rettende Gebäudeecke, die den Weg zu einer schmale Gasse freigab, die wiederum nach wenigen Metern auf der Hauptstraße mündete, schien zu verlockend zu sein.

Wenn er erst mal um die Ecke ist, hat er schon fast gewonnen, realisierte Sam.

Er zielte also noch ein zweites Mal.
Nun noch genauer.
Dass er im Licht der aufgehenden Sonne stand, der Flüchtige aber immer noch im Schatten, machte es für ihn nicht einfacher.
Doch er war gut genug, um das auszugleichen.
Diesmal ließ er die Kugel dicht neben dem Kopf durch die Luft schwirren und einen kleinen Krater an der Wand vor der Person hinterlassen.

Jetzt blieb die Gestalt stehen.

„Hände hoch!"

Der Flüchtende legte den Kopf schief, als ob er etwas ungewöhnliches gehört hätte und hob die Hände, bis sie in Schulterhöhe verharrten.

Sam ging langsam, die Waffe im Anschlag, auf die Person zu.

Es war eine Studie in Schwarz.
Sie trug eine Jeans, eine Lederjacke, darunter schaute ein Pulli hervor, dessen Kapuze die Gestalt über den Kopf gezogen hatte.
Schwarze Stiefel und Handschuhe komplettierten die Vermummung.

Wieder regte sich ein vages Wiedererkennen in ihm. Doch jetzt war es etwas deutlicher, als noch vor wenigen Sekunden.
Mehr als nur ein Hauch, mehr als eine flüchtige Erinnerung, die sich mit boshafter Konstanz der Dauerhaftigkeit entzog.
Ein bestimmtes Bild in Sam's Kopf bekam Substanz.
Jeder Schritt, den er näher kam, brachte dem Bild mehr Kontur.
Mehr Klarheit.
Aber er weigerte sich es geschehen zu lassen.
Es ließ ihn die Stirn in tiefe Falten legen und verneinend den Kopf schütteln.

„Rumdrehen. Ich will deine Hände sehen!", blaffte er barsch.

Die Gestalt drehte sich vorsichtig um. Darauf bedacht keine falsche Bewegung zu machen.

In weniger als drei Metern Abstand blieb er endgültig stehen.
Und sah in ein eindeutig weibliches Gesicht.
Ein Gesicht, das ihm so vertraut erschien.
Stahl sich nicht eine hellrote Locke unter der Kapuze hervor?

Nein, das konnte nicht sein!

Erneut schüttelte er ungläubig den Kopf.
Ließ die Pistole etwas sinken.

Die Hände der Frau vor ihm bewegten sich zur Kapuze hin.

Sam hob sofort wieder die Waffe und zielte damit auf ihren Kopf.

„LANGSAM!"

Die Hände bewegten sich jetzt fast in Zeitlupe, schoben unendlich langsam die Kapuze herunter und gaben so Sam den Blick auf das Gesicht frei.

„Hallo, Sam", erklang eine dunkle, aber bekannte, weibliche Stimme.
Immer noch mit einem leichtem französischen Akzent.

NEIN!
DAS KANN NICHT SEIN!, schrie alles in ihm.
SIE IST TOD!

„Offensichtlich nicht", antwortete sie ruhig auf seinen stummen Aufruhr, als hätte sie seine Gedanken gelesen.

Sam war nicht im Stande auch nur ein Wort heraus zu bringen.
Er war gefangen in seinen Erinnerungen, seinen Verfehlungen, seinen Lügen.
Gebannt von ihrem Anblick!
Er ließ die Waffe sinken.

„Allerdings ist das nicht euer Verdienst!", setzte sie enttäuscht und verärgert hinzu.

Sie machte einen Schritt auf ihn zu.
Als hätte diese Bewegung etwas in ihm angestoßen, fand Sam Stück für Stück wieder in die Realität zurück.
Man sah es in seinem Gesicht.
SIE erkannte es in seinen Augen und ... verharrte statuengleich.

„Und, wo ist wohl die andere Hälfte der Blues Brothers?", fragte sie dennoch süffisant.

Wie auf Kommando hörte sie schräg hinter sich Schritte.
Er musste in der Nähe der Hausecke stehen.
Das Spannen eines Hahnes ließ sie innehalten.

„Hallo, Dean!", gurrte sie ohne sich umzudrehen.

Sie blickte dabei tief in Sam's immer noch ungläubige Augen.
Er wankte, als würde ihn die plötzliche Erkenntnis zu Boden drücken.

Sie wollte ihm einen Schritt entgegen gehen.
Ihn auffangen.
Ein reiner Reflex.
Mehr nicht.
Doch bereits der erste Anflug ihrer unbewussten Bewegung rief Dean auf den Plan.

„BLEIB STEH'N, MISTSTÜCK!", rief er.

Sie wusste, er würde ohne weitere Warnung schießen.
Sein Bruder war in Gefahr.
Er würde tun, was nötig ist.

So wie ich!

Also blieb sie stehen und sah zu, wie sich Sam langsam wieder fing.
Auch Dean hatte natürlich bemerkt, dass in Sam etwas vorging.

„Alles klar bei dir, Sammy?"

Der Jüngere nickte nur. Außerstande ein Wort über seine Lippen zu bringen, starrte er in das Gesicht vor sich.
Es war ein blasses, schmales, fast schon eingefallenes Gesicht auf dessen linker Seite sich feine Narben vom Hals bis hinauf zur Stirn zogen.
Kein verschmitztes Lächeln umspielte mehr die Mundwinkel. Keine hellroten Locken umspielten mehr ihre Stirn.
Die Haare waren kurz und dunkel. Fast so dunkel waren auch die tiefen Ringe unter den blauen Augen und kein belustigtes Funkeln gab ihnen mehr diese faszinierende Tiefe, die er so geliebt hatte.
Doch hatte er sie nicht auch heller, strahlender in Erinnerung?
Ihr ganze frühere warmherzige und lebensbejahende Ausstrahlung war der Härte in ihrem Gesicht und der Kälte in ihren Augen gewichen.
Aber er bemerkte auch noch etwas anderes.
Sie wirkte gehetzt.
Übermüdet.
Überfordert und fast am Ende ihrer Kräfte.

„Moment mal! Woher kennt die Schlampe überhaupt meinen Namen?", fragte Dean seinen Bruder jetzt erst.
Die Sorge um seinen Bruder hatte diese Frage fürs erste in den Hintergrund treten lassen.
Doch nun, als er sah, dass Sam nicht in ummittelbarer Gefahr schwebte drängte sie erneut in sein Bewusstsein und verlangte nachhaltig nach einer Antwort.

Doch damit ignorierte er sie komplett als Person, obwohl sie direkt vor ihm stand.
Ärger regte sich in ihr.

Keiner der Beiden hat in all den Jahren auch nur versucht mich zu finden. Dann erkennt er mich nicht mal. Wo wir uns doch so nah gekommen waren.
Und nun demütigt er mich auch noch vor Sam!


Der Ärger wuchs zur irrationalen, flammenden Wut.

Keiner behandelt mich so!
KEINER!


Blitzschnell drehte sie sich um die eigene Achse.

Dean reagierte fast genauso schnell.
Er schoss!

„DEAN, NEIN! ES IST VALERIE!", schrie Sam und streckte die Hand aus, als könne er damit die Kugel, die den Lauf bereits verlassen hatte, aufhalten.

Als könnte er das Unvermeidliche verhindern.
Die Zeit wieder zurückdrehen.
Alles ungeschehen machen.
Ihre Vergebung finden.
Neu anfangen.

Sich in ihren Augen verlieren dürfen.
Für immer und alle Zeit.

SeelenQual - Dark Heroes Rising || Supernatural FanFiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt