Die Kugel war unaufhaltsam auf ihrem Weg in Valerie's Richtung und keine Macht der Welt würde sie aufhalten.
Dean erkannte sofort seinen Fehler und ließ überrascht seinen Colt sinken.
Gleichzeitig zuckte Valerie zurück. Es war eine kleine, blitzschnelle Bewegung, kaum mehr für das Auge wahrnehmbar.
Sam war mit wenigen Schritten bei der zierlichen Gestalt in schwarz.
Bereit sie aufzufangen, ihre Wunde zu versorgen, ihr Leben zu retten.
Doch all das schien ... unnötig.
Valerie stand noch fast an der selben Stelle wie zuvor und zeigte keine Anzeichen eines Treffers oder gar einer Verletzung.
Anscheinend hatte diese schnelle Reaktion ihr Leben gerettet.
Die Kugel musste sie nur um Haaresbreite verfehlt haben.
„Alles OK, Valerie?", fragte Sam besorgt.
Sie drehte sich wieder zu ihm um.
Anscheinend selbst verwundert über ihr Glück, bewegte sie sich, um zu beweisen, dass sie unverletzt war.
„Ich ... ich bin nicht getroffen, wenn es das ist, was du meinst", antwortete sie.
„Bist du sicher?", fragte er skeptisch.
Sie beantwortete die Frage des jüngeren Winchester nur mit einer hochgezogenen Augenbraue.
Erleichterung durchströmte Sam.
Einem unkontrollierbaren Impuls folgend schlang er seine Arme um die verwunderte Frau.
„Oh, Valerie. Ich bin so froh dich wieder zu sehen!", flüsterte er ihr erleichtert ins Ohr.
Er erwartete die Wärme von damals.
Aber spürte nur ... Kälte.
Er suchte die Zuversicht in ihrer Umarmung und fühlte nur Hoffnungslosigkeit.
Hoffnungslosigkeit und unbändige Entschlossenheit.
Der Körper in seinen Armen versteifte sich zusehends.
War das noch die junge Frau, die er vor fast zwei Jahren das letzte Mal gesehen hatte?
Aber Menschen verändern sich und ich weiß nicht mal ansatzweise, was sie schreckliches in dieser Zeit durchmachen musste.
Ganz allein!
Wegen mir!
Mit einem Mühlstein schlechten Gewissens im Magen ließ er sie wieder los und trat betroffen einen Schritt zurück.
Fast hätte er sich Entschuldigt, doch Dean's Erscheinen hinderte ihn daran.
Er hielt die Waffe immer noch in den Händen, als er neben seinem Bruder stehen blieb.
„Val?", fragte er ungläubig.
Die junge Frau sah direkt in seine grünen Augen. Diese Augen, die so viele Erinnerungen in ihr heraufbeschworen hatten.
Vor allem in den ersten kalten, einsamen Nächten, in dieser Höhle in den Pyrenäen. Ihre Zuflucht, nachdem sie ein weiteres mal geliebte Menschen an Dämonen verloren hatte.
Sie riss sich von dieser Vergangenheit los.
Sie durfte dort nicht verharren!
Was zählte war das hier und jetzt.
Und ihr Ziel!
„Offensichtlich, Dean."
Er konnte es nur schwer glauben.
Diese Frau sah wirklich fast wie Val aus.
Es war ihr Gesicht.
Und irgendwie auch wieder nicht.
So schmal und mit den schrecklichen Narben.
Die kurzen, schwarzen Haare verliehen ihrem Äußeren noch zusätzliche Härte.
Ihre Augen hatte er auch etwas heller in Erinnerung.
Diese Augen, von denen er in letzter Zeit so oft geträumt hatte.
Diese Augen in denen es damals so schelmisch gefunkelt hatte; in die er sich so verliebt und verloren hatte, das es ihn fast wahnsinnig gemacht hatte sie zu verlieren.
Aber ihr Stimme, war die Selbe geblieben.
Ich muss ihre Augen aus der Nähe sehen.
Vielleicht hatte ihm seine Erinnerungen auch einen Streich gespielt.
Immer noch misstrauisch kam er ihr näher.
Die Waffe hielt er dabei weiterhin in der rechten Hand.
„Das ist Valerie, Dean!", ermahnte Sam seinen Bruder und blickte auffordernd auf die Waffe in seinen Händen.
Etwas wiederwillig steckte Dean seinen Colt wieder weg.
Weniger als einen halben Meter vor der jungen Frau blieb er endlich stehen und sah sie einfach nur an. Suchte nach dem letzten Beweis, der alle seine Zweifel ausräumte.
Doch er fand ihn nicht.
Valerie sah es in seinem Gesicht.
Sah das Misstrauen und die Skepsis und musste reagieren.
Wenn sie ihn jetzt nicht überzeugte, würde Sam früher oder später auch die selben Zweifel hegen.
Dann würde sie nie in den Bunker kommen und Einblick in die beste Bibliothek des Übersinnlichen oder gar Zugriff zu den überlebenswichtigen Artefakten erhalten, die sie bereits so lange suchte und die einfach dort sein mussten.
Langsam zog sie den Reißverschluss ihres Kapuzenpullis auf.
Der tiefe Ausschnitt ihres ärmellosen Shirts ließ Dean nicht nur einen Blick auf die breite Narbe an ihrem Hals, sondern auch auf das farbenfrohe flammende Herz-Tattoo werfen.
Die Tätowierung, die eine andere, alte, tödliche Verletzung verdeckte.
Sie wusste, dass Dean es kannte und hoffte es würde ihm als Beweis genügen.
Bereits als der Reißverschluss die ersten kleinen Flammenspitzen freigelegt hatte, erkannte er es.
Und damit auch ihre wahre Identität.
Val!
Natürlich sah er jetzt auch den Rest ihres schlanken Halses und den Grund für dessen Verunstaltung.
Jemand hat versucht ihr die Kehle durchzuschneiden!
Und er hätte es fast geschafft!
Oh, mein Gott, was ist dir nur zugestoßen, Kleine?
Auch er war versucht sie zu umarmen, so wie Sam.
Doch er hielt sich zurück.
Obwohl es ihm schwer viel, denn all seine Gefühle für sie, die er die ganzen Jahre unter Arbeit, Alkohol und billigem Sex verschüttet hatte, drängten nun wieder an die Oberfläche.
Doch auch jetzt war keine geeignete Zeit sich darauf einzulassen.
Wird es je eine Zeit für uns beide geben?
Er räusperte sich und schluckte seine Emotionen hinunter, bevor er sprach.
„Was ist passiert, Val"?, war stattdessen alles, was über seine Lippen kam.
Sie grinste ihn schief an; lachte humorlos, als sie kurz angebunden antwortete:
„Das Leben, Dean! Das Leben!"
Für einen Augenblick sah er all den Schmerz, den sie in sich trug.
Doch bereits einen Wimpernschlag später sah er nur noch ihre klaren, blauen Augen.
Nicht mehr und nicht weniger.
Vielleicht hatte er sich auch getäuscht.
Nein, bestimmt hatte er sich getäuscht!
Ihre Augen hatten sie natürlich nicht verändert!
Dean legte neugierig den Kopf schief und bat sie so stumm um eine Erklärung.
„Ist eine lange Geschichte und ...", antwortete sie ausweichend.
„Zu lang, um sie hier zu erzählen, nicht wahr, Val?", antwortete Sam für sie.
Dankbar für diese Unterstützung nickte sie nur.
„Ok. Dann ... an der East Main Street auf der rechten Seite, stadtauswärts gibt es ein kleines Diner."
Ein Kaffee würde seiner Meinung nach allen gut tun.
Sam holte sein Handy hervor und tippte darauf herum.
„Es heißt ... Johnnie's Drive Inn. Ganz in der Nähe von Elvis' Geburtshaus. Da treffen wir uns in ... sagen wir 20 Minuten?"
„Ok. Dann also ... bis gleich, Jungs", antwortete sie und war wenige Augenblicke später hinter der Häuserecke und in der schmalen Gasse, die zurück auf die Hauptstraße führte, verschwunden.
Die beiden Winchester's blieben allein zurück.
Sam starrte immer noch auf die Ecke, hinter der die junge Frau verschwunden war und machte keine Anstalten sich wieder zum Auto zu bewegen.
Er schien wie fest gefroren.
„Was denkst du, Sam?", durchbrach Dean die Stille und riss seinen Bruder damit aus der Starre.
„Ich ... ähm ... ich denke wir sollten uns wirklich anhören, was sie zu sagen hat", antwortete er.
Dean nickte zustimmend.
„Und", fuhr er fort, „ich denke wir sollten ihr unsere Hilfe anbieten, Dean!"
„Wow, tritt mal auf die Bremse, Cowboy!", erwiderte Dean.
Von der eben noch vorhanden Zustimmung war nun nichts mehr zu sehen.
„Wir hören uns erst mal an, was sie zu sagen hat und DANN sehen wir weiter, ok?"
Sam wollte schon zu einer gegenteiligen Antwort ansetzten, steckte aber zurück, als er das misstrauische Funkeln in den Augen seines Bruders sah.
Es hatte keinen Sinn ihn von seiner Meinung über Valerie überzeugen zu wollen.
Er musste es selbst herausfinden.
So nickte er nur andeutungsweise und folgte seinem Bruder zum Wagen zurück.
Noch immer seinen Gedanken nachhängend realisierte Sam nicht, das Dean's Augen suchend über die gegenüberliegende Wand huschten, als sie daran vorüber gingen.
Er hatte dort etwas bestimmtes vermutet, aber seltsamerweise nicht gefunden.
Das Einschussloch der Kugel, die Valerie verfehlt hatte.
Es war nicht dort, wo es hätte sein sollen.
Genauer gesagt: war es überhaupt nicht da!
Aber wo war dann die Kugel eingeschlagen?, fragte sich Dean während seines Wegs zurück zum Impala.
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SeelenQual - Dark Heroes Rising || Supernatural FanFiktion
HorrorFortsetzung zu SeelenFeuer. Die Existenz eines weiteren gefährlichen Gegners wird den Winchester's offenbart, als sie noch mitten im Kampf gegen Abaddon und Metatron stehen. Überdies leidet Sam noch an den Nachwirkungen durch Gadreel's „Anwesenheit"...