65 - The Whole Of The Moon

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Mehrere Stunden waren vergangen, in denen Mandy in der Bibliothek trotz aller anfänglicher Zweifel mehreren Hinweisen hinterher gejagt war.

Doch so vielversprechend sich alles zu Beginn auch anhörte, so kläglich verlief zum Schluss jede Spur im Sand.
Sie fand einfach nichts in diesen Büchern.

Kraft- und hoffnungslos lies sie sich in einen der großen, bequemen Sessel fallen. Eines der vielen Bücher, die es in ihre engere Auswahl geschafft hatten und fast alle Tische bedeckten, lag auf ihren Knien.
Müde rieb sie sich die Augen.
Es musste bereits spät in der Nacht sein, doch an Schlaf wollte sie nicht denken.

In einem dieser verdammten Bücher muss doch etwas stehen!, dachte sie.
IRGENDETWAS!

Wild entschlossen eine Rettung darin zu finden, klappte sie auch dieses Buch auf und begann zu lesen.

Von Sam habe ich in den letzten Stunden nichts gehört oder gesehen!, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf.
Schon wollte die das Buch wieder schließen und nach ihrer Freundin sehen, als sie sich daran erinnerte, das Sam darüber nicht erfreut wäre.

Ich sollte ihm nicht auf die Nerven fallen! Wenn sich etwas tut, wird er mir bescheid sagen, maßregelte sie sich selbst.
Doch ein schlechtes Gefühl blieb.

Und das mit Recht!

* * *


Während der letzten, unendlich scheinenden Stunde hatte Sam sich aufopfernd um seine Valerie gekümmert.
Er hatte die Wunde an ihrer Seite vom alten, provisorischen Verband befreit und neu verbunden.
Auch die anderen Verletzungen – meistens Stichwunden - , die in der Zwischenzeit wie aus dem Nichts erschienen waren, hatte er gesäubert und verbunden.

Alles in Allem hatte er zwei größere und drei kleinere Wunden versorgt, als er bemerkte, dass langsam wieder etwas Farbe in das blasse Gesicht zurückkam.
Erleichtert atmete er auf, setzte sich erschöpft auf die Bettkante und tupfte ihr den Schweiß von der Stirn.

Erstaunt realisierte er, dass Valerie's Augenlieder zu flackern begannen und wenige Momente später blickte sie ihn aus ihren blauen Augen an.

„Valerie!", seufzte er erleichtert auf.
Sie wollte ihm antworten, doch er widersprach: „Sprich nicht! Das strengt dich noch zu sehr an."
Doch ihre Augen fixierten ihn und sagten ihm, dass sie es doch tun würde.

Ihre Augen!, dachte er. Sind sie heller geworden?

„Sam ... ich muss ... dir ...", doch ihre leise Stimme versagte ihr den Dienst.
Verzweiflung zeichnete ihr Gesicht.
Verzweiflung darüber, Sam nicht das sagen zu können was wichtig war, bevor sie wieder ohnmächtig werden würde.

Doch Sam missdeutete es.
„Schsch.... Ich habe die Wunden versorgt und du wirst dich wieder erholen, Alles wird wieder gut, Liebes!"

Mit letzter Kraft umfasste ihre kalte Hand Sams Unterarm. Ihrer Kehle entwand sich noch ein gekrächztes „Sam ...", bevor die Dunkelheit sie wieder umfing.

Im selben Moment erschienen auf ihrem geschunden Oberkörper neue Verletzungen.
Zu erst veränderten ein paar der feinen Narben, die zwischen den Verbänden hervorlugten nur ihre Farbe. Von kaum erkennbar blass zu intensiv rot.
Kurz darauf befanden sich an diesen Stellen anscheinend gerade erst verheilte Verletzungen, die wenig später wieder aufbrachen und zu bluten begannen.
Es schien fast so, als würden alte Wunden in der Zeit zurück versetzt und das der Heilungsprozess nie eingesetzt hätte.

All das geschah innerhalb weniger Augenblicke und versetzte Sam in einen Zustand der Starre.
Er konnte kaum glauben was er da sah.
Blut floss aus den offenen Wunden, tränkte das Laken und färbte es langsam rot.
Das bisschen Farbe, das bis eben in Valerie's Gesicht zurückgekehrt war, verschwand im gleichen Maße, wie das Blut aus ihr heraus floss.

Dieser fürchterliche Anblick zog Sam aus seiner Erstarrung.
Er holte tief Luft, suchte noch mehr Verbandsmaterial aus den beiden Koffern zusammen und begann damit die neuen Wunden zu versorgen.

* * *

Hoch konzentriert arbeitete er so mehrere Stunden.

Aber sobald er eine Wunde desinfiziert und verbunden hatte und diese Blutung gestoppt war, brach an einer anderen Stelle eine weitere Verletzung auf und entließ Valerie's Leben ins Nichts.
Mittlerweile arbeitete er fast im Akkord, doch so sehr er sich auch beeilte, immer mehr Wunden kamen hinzu.
Und sie wurden immer lebensbedrohlicher.

Er hatte gerade eine großflächige Brandwunde so gut es eben ging versorgt und erwartete voller Schrecken die nächste klaffende Verletzung auf ihrem Körper zu sehen, doch es tat sich nichts.
Das Erste mal seit Stunden kam keine weitere Wunde hinzu.

Vollkommen erschöpft konnte er im ersten Moment kaum glauben, dass er es vielleicht doch geschafft hatte ihr Leben zu retten. Ganz ohne Magie oder Hexerei, nur mit Hilfe der Wissenschaft.
Misstrauisch beäugte er ihren hageren Körper, der mit den ganzen Verbänden noch zerbrechlicher wirkte.
Aber auch nach mehreren Minuten brachen keine neuen Verletzungen auf.

Erleichtert erlaubte er sich aufzuatmen und strich Valerie liebevoll übers Gesicht.
„Ich hab dir doch gesagt, dass alles wieder gut wird. Ich werde dich nie im Stich lassen!", wisperte er.

Er saß noch eine ganze Weile an ihrem Bett. Überprüfte immer wieder ihren Körper auf neue Wunden, Kontrollierte die Verbände, ihre Atmung und ihren schwachen, aber gleichbleibenden Puls.

Als sich ihr Zustand stabilisiert zu haben schien, kam er zu dem Schluss, dass er sie wohl kurz allein lassen konnte, um Mandy die gute Nachricht zu überbringen.
Vorsichtig erhob er sich vom Bett.
Jedoch nicht ohne ihr einen zarten Kuss auf die kalte Stirn zu hauchen und ihr leise ein „Ich bin gleich wieder da", ins Ohr zu raunen.
Egal, ob sie es hörte oder nicht.

* * *

Wenige Minuten später stand er im Eingang zur Bibliothek und blickte auf ein wahres Chaos von aufgeschlagenen Büchern.

Sam wollte Mandy schon schelten ein solches Durcheinander veranstaltet zu haben, als er sie von einem halb hohen Regal fast gänzlich verdeckt, in einer Ecke entdeckte.
Sie saß in einem der beiden Sessel mit einem aufgeschlagenen Buch auf den Knien und war augenscheinlich eingeschlafen.
Ihr Gesicht war blass vor Erschöpfung und Sorge um ihre Freundin.

Sam's Gesicht musste einen ähnlichen Anblick bieten, so wie er sich jetzt fühlte.

Langsam ging er auf Mandy zu und kniete sich neben den Sessel auf den Boden.
„Mandy?", flüsterte er, um sie nicht zu erschrecken.
Doch sie erwachte nicht.
„Mandy!", sprach er sie nun lauter an und berührte gleichzeitig leicht ihre Schulter.
Dies zeigte Wirkung.

Sie blinzelte, öffnete langsam die Augen und drehte ihren Kopf in die Richtung, aus der sie ihren Namen vernommen hatte.
Sofort wusste sie, dass es nur zwei Gründe gab, weswegen er sie in der Bibliothek aufsuchen würde.
Ihr Blick spiegelte Angst wieder und ihre Stimme zitterte, als sie Sam fragte: „Was ist mit ihr? Geht es ihr gut?"

„Ja. Sie ist auf dem Wege der Besserung, Mandy" antwortete er und legte eine Hand beruhigend auf ihre Schulter. Ein flüchtiges Lächeln umspielte sein Lippen, denn er konnte selbst kaum glauben, was er da sagte.

Mandy hingegen schien plötzlich wieder voller Energie. Sie sprang von ihrem Sessel auf, kümmerte sich nicht um das Buch, das dabei von ihren Knien rutschte und umarmte den noch knienden Sam.
Dabei ging sie so stürmisch zu Werke, dass der große Winchester davon vollkommen überrascht wurde und fast gegen das Bücherregal gefallen wäre, hätte er sich nicht im letzten Moment daran abgestützt.

Doch diese unwillkürliche Reaktion Sam's lies das Regal merklich erbeben.
Die wenigen darauf verbliebenen Bücher vollführten kurz einen heftigen Tanz, bevor sie eines nach dem anderen umfielen und dabei den letzten Rest Staub aufwirbelten.
Aber auch etwas anderes versetzte es in Bewegung.

Das kleine, runde Kästchen, welches sich vor ein paar Stunden durch einen (un) glücklichen Umstand und solch eine Erschütterung geöffnet hatte, bewegte sich nun wieder.
Durch den heftigen Ruck erneut in Rotation versetzt, rollte es im hintersten Winkel des obersten Regals wenige Zentimeter weiter und blieb geschlossen auf dem Deckel liegen.
Der blasse, blaue Schein verebbte und verlieh den dämonischen Kräften im Bunker wieder ihre ursprüngliche Macht.
Aber keiner der beiden, bis an den Rand der Erschöpfung getrieben, hatte auch nur die blasseste Ahnung davon.  

SeelenQual - Dark Heroes Rising || Supernatural FanFiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt