59 - Die Grube und das Pendel

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„SCHEIßE!", entfuhr es Mandy.

Sie stand mitten im immer noch, oder besser nun wieder herrschenden Chaos, von Rupert's Zimmer. 

Mit wenig Zuversicht hatte sie sich auf die Suche nach dem Buch gemacht, mit dem er, wie Sam heraus gefunden hatte, seine Aufzeichnungen verschlüsselt hatte. Nur Sam's wage Theorie, das es sich möglicherweise um ein Buch handelte, das nichts mit dem eigentlichen Thema zu habe und diese zwei lateinischen Worte als Teil einer Inschrift oder Prolog beinhaltete, war ihr Anhaltspunkt. Sie mochte auch nicht nur im Entferntesten daran denken, was wäre wenn das gesuchte Buch komplett in Latein war. Sie konnte dann unmöglich das ganze Buch durchlesen, nur um diese zwei Wörter zu finden!

Sie seufzte, schüttelte den Kopf und ließ sich ratlos aufs Bett plumpsen.
Jetzt, nachdem sie bereits seit mehr als zwei Stunden alles in dem Raum auf den Kopf gestellt hatte, stand sie immer noch mit leeren Händen da. Die kleine anfängliche Hoffnung war von Minute zu Minute vergangen, wie eine winzige, kränkliche Pflanze, die nicht genug gepflegt wurde.

Was, wenn das Buch gar nicht hier ist?, überlegte sie verzweifelt.
Wo hat er sich noch oft aufgehalten und war dort von Büchern umgeben?

Die Bibliothek!

Sofort ließ sie das Buch, das sie gerade in Händen hielt achtlos auf den Boden fallen und schoss wie von der Tarantel gestochen in die Höhe. Ohne sich die Mühe zu machen die Tür zu Ruperts Quartier auch wieder zu schließen stürmte sie auf den Gang hinaus. Sie lief so schnell sie ihre Füße trugen durch die einsamen Korridore des Bunkers, schlingerte um Ecken und hielt sich an den gekachelten Wänden fest, um nicht ins straucheln zu geraten. Ihre Turnschuhe quietschen nur hier und da durch die Stille des unterirdischen Gebäudes.

Leicht außer Atem erreichte sie die Bibliothek.

An welchem Schreibtisch habe ich ihn zuletzt immer sitzen sehen, überlegte sie angestrengt.

Ihr Blick wanderte von Tisch zu Tisch und blieb dann an dem in der Mitte des Raumes hängen.

Genau hier!

Mit wenigen Schritten war sie am Tisch und untersuchte das Bücherregal in dessen Nähe auf infrage kommende Werke. Doch außer noch mehr Literatur über Dämonen, Besessenheit und Engel konnte sie nichts finden.
Und sie alle schienen hierhin zu gehören.
Resigniert seufzte sie und schlug in einem Anflug von Ärger gegen einige der Bücher, die im obersten Abteil standen.
Auf diese Art in Bewegung versetzt rutschten fast alle einige Zentimeter weiter nach hinten ins Regal.
Nur eines blieb an Ort und Stelle und unterbrach die neu formierte Linie.
Neugierig nahm sie dieses eine Buch aus dem Regal. Es selbst war nur ein weiteres Werk, dass die Besessenheit durch Dämonen behandelte.
Mandy stufte es als uninteressant ein und untersuchte die Dunkelheit hinter dem Buch genauer, denn irgendetwas hatte dahinter gestanden und es so aufgehalten.
Auf den Zehenspitzen stehend, tastete sie vorsichtig auf dem Holz des Regals herum, bis sie außer Staub auch noch etwas anderes zu fassen bekam.
Ein anderes Buch.
Neugierig zog sie es aus der Dunkelheit und war überrascht einen dicken Wälzer mit Werken von Edgar Allan Poe in den Händen zu halten.
Das in dunkelrotes Leinen gebundene Buch wog schwer in ihrer schmalen Hand, als sie es vom Regal herunter hievte und auf den Schreibtisch fallen ließ.
Ihr fiel sofort auf, das dieses Buch anders war, als die restlichen. Es sah wesentlich jünger aus und war auch nicht so staubig. Es konnte noch nicht lange dort stehen.

Vielleicht hat es Rupert mitgebracht.

Voll euphorischem Elan machte sie sich daran das Buch zu studieren. Sie war überzeugt es sei das richtige.
Konzentriert arbeitete sie sich durch Hunderte von Seiten, bis sie fast am Ende des Buches angelangt innehielt und ihr Atem stockte. Sie konnte kaum glauben, über was sie eben gestolpert war.
Eine Kurzgeschichte, die mit einigen lateinischen Zeilen begann.

Die Geschichte hieß „Die Grube und das Pendel" und Mandy erkannte, dass diese speziellen Seiten eindeutig öfter berührt worden waren, als der Rest des Buches.
Sie waren an den Rändern dunkler verfärbt als alle anderen und leichte Knickfalten liefen über das Papier.

Und dort, als Prolog stand geschrieben:
"Impia tortorum longas hic turba furoresSanguinis innocui, non satiata, aluit.Sospite nunc patria, fracto nunc funeris antroMors ubi dira fuit, vita salusque patent."

Das muss es sein.
Ich hab's gefunden.

Endlich!

Überglücklich klemmte sie sich das Buch unter den Arm und rannte aus der Bibliothek.

Während der ganzen Zeit hatte sie nicht bemerkt, dass ihr Gefühlsausbruch noch etwas anderes Bewirkt hatte, außer zufällig das gesuchte Buch zu finden.
Rupert hatte in der Nähe des Buches von Poe auch noch etwas anderes versteckt. Ein kleines, mit liebevoll gestalteten Intarsien versehenes, kugelförmiges Kästchen hatte direkt daneben in der Dunkelheit gelehnt.
Eingeklemmt zwischen Poe und der Rückwand des Regals hatte es vergeblich auf seinen Besitzer gewartet. Der unglückliche Stoß hatte es aus seinem sicheren Versteck und durch den leeren, rückwärtigen Raum des Regals katapultiert. Wie die Kugel in einem Flipper war es zwischen den Büchern und der Wand hin und her gekullert bis sich der Deckel einen Spalt geöffnet hatte.
Ein blauer Schein brach trübe daraus hervor und beleuchtete die hölzerne Wand auf der einen und staubiges, gebundenes Papier auf der anderen Seite.

Der kleine, runde INU darin war zum Leben erwacht.

SeelenQual - Dark Heroes Rising || Supernatural FanFiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt