33 - Smith Center Blues

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Mittlerweile hatten sich auf dem kleinen Tisch vor ihr schon fünf leere Pappbecher angesammelt.
Ein sechster gesellte sich soeben dazu, dessen Inhalt, schwarzer Kaffee, ebenfalls bald den anderen folgen würde.

Die neue Bedienung, ein junger Mann - Typ College-Junge – streckte eben seine Hände zu den leeren Bechern aus, um sie abzuräumen.
Die „alte" Kellnerin, eine Frau mittleren Alters, hatte vor Ende ihrer Schicht, kurz vor Mitternacht, bereits das Selbe versucht.
Jedoch ohne Erfolg.
Genau wie er jetzt.
Valerie hatte sich die Zeit mit Kritzeleien auf denn Pappbechern vertrieben und war nicht willens, sich davon zu trennen.

„Lass sie stehen!", sagte sie ruhig.

„Aber, M'am, ich ..."
Weiter kam er jedoch nicht.

„Bist du taub? LASS SIE STEHEN, hab' ich gesagt!", fuhr sie ihn an.

Der Junge hob abwehrend die Hände.
„Is ok. Ich lass sie ja schon mit ihren Bechern allein!", sagte er beleidigt und zog von dannen.

Endlich war der Störenfried weg und sie war wieder allein an dem einzigen Tisch auf der kleinen Empore, in der hintersten des Restaurants.
Es war der perfekte Platz. Von hier aus hatte man einen guten Überblick über dem gesamten Raum. Sie konnte alle beobachten ohne selbst zu sehr im Mittelpunkt zu stehen und im Notfall würde sie einfach aus der Tür des nahen Notausgangs schlüpfen.
Darüber hinaus hatte sie von hier auch ihr geliebtes Motorrad im Blick.
Sollte also jemand meinen Hand daran anlegen zu wollen, würde er es bitter bereuen.

Es war spät in der Nacht und sie saß bereits seit dem frühen Nachmittag an diesem Tisch und wartete.
Wartete auf Sam Winchester.
Sie wusste, Dean würde seinen Bruder nicht begleiten.
Er würde ihn allein schicken.
So tief seine Gefühle für sie auch einmal gewesen sein mochten, sie wusste, dass da jetzt nichts mehr war.
Jedenfalls nichts mehr, dass er sich eingestehen oder gar zeigen würde.
Sie wusste es, weil es ihr genauso erging.
Alles, was sie einmal für beide Brüder empfunden hatte, war in dem Moment erloschen, in dem ihr klar wurde, was sie würde tun müssen, was sie werden musste, um das große Ziel zu erreichen; um Metatron zu helfen.
Nein.
Eigentlich hatte es schon viel früher begonnen unstet zu flackern und dann ... dann hatte sie selbst es eigenhändig getötet!
Doch, dass zumindest Sam noch etwas für sie fühlte, würde sie zu ihrem Vorteil nutzen können.
Gerade jetzt hatte dieser Umstand ihr den Zutritt zum Bunker der Männer der Schriften erst ermöglicht.
Wenn sie dann noch geschickt vorging, würde sie zwei Zielpersonen auf einmal erledigen, in der angeblich so umfangreichen Bibliothek des Bunkers nützliche Hinweise finden oder
vielleicht sogar einige der gesuchten Gegenstände selbst.
Gleichzeitig würde sie diese unheilige Verbindung zwischen Dean zu diesem Dämon unterbinden und sich an den beiden Brüdern für das rächen können, was ihr Vater und sie ihr angetan hatten.
Sam's offensichtliche Gefühle für sie, würden die Rache um so süßer machen.
Ein breites Lächeln stahl sich auf ihre blassen Lippen.
Sie würden nicht mal ahnen was über sie kam, bis es zu spät sein würde.

Rache dafür, dass sie mich meinem Schicksal überlassen haben!
Das Sam es Dean verschwiegen hat!
Das Dean gemeinsam Sache mit diesem Dämon macht!
Das sie John Winchester's Söhne sind!


Lautes Motorengeräusch vom Parkplatz lenkte sie von ihren Überlegungen ab.
Interessiert warf sie einen Blick aus dem nahen Fenster nach draußen auf den beleuchteten Parkplatz.
Auf diesen fuhren in diesem Moment mehrere Motorräder auf.
Ihre Scheinwerfer durchschnitten die Dunkelheit der immer noch lauen Sommernacht jenseits des Parkplatzes als sie abbogen und rissen Teile des Highways aus ihrem Schlaf.
Es waren mindestens zwanzig Motorräder.
Alles leistungsstarke Rennmaschinen, geschickt pilotiert von jungen Kerlen in einteiligen Lederkombis. Die einzigen Frauen unter ihnen, waren als schmückendes Beiwerk – als Sozia – unterwegs.
Alle fuhren ihre Maschinen in die Nähe der kleinen, schwarzen Norton.
Missbilligend verfolgte sie von ihrem Platz aus die Meute der Sportfahrer.
Sie schienen sich einen Spaß daraus zu machen ihre Maschinen so eng wie möglich an ihre zu stellen.
Innerhalb weniger Minuten war ihre zierliche schwarze Britin von weiß-roten, weiß-blauen, grünen und roten Motorrädern umzingelt.
Aber eine Schwester war nicht dabei.
Die Fahrer stiegen ab und entledigten sich ihrer Helme, die sie an die Spiegel ihrer Maschinen hingen.
Die, die in unmittelbarer Nähe geparkt hatten, begannen eine Unterhaltung.
Sie konnte zwar nicht jedes Wort durch das Fenster hindurch verstehen - Energie darauf verschwenden alles glasklar zu hören wollte sie nicht -, aber ihre Blicke und Gesten sprachen dafür Bände.

Sie machen sich über mein Baby lustig!
Oh, Mann! Jetzt klinge ich schon wie DEAN!, realisierte sie belustigt und auch ein wenig erschreckt.
Nun, sollen sie ruhig.
Mir doch egal, was die denken.
Mit ihren Plastikbechern!


Laute Geräusche an der Eingangstür zeigten ihr, dass der erste Teil der „Gang" bereits ihren Weg in das Diner gefunden hatte.
Die restlichen würden sich ihren Freunden auch bald anschließen.
Jedenfalls sobald sie genug über die kleine Britin gelästert hatten.
Die vollausgestatteten Motorradtreiber stellten ungefragt mehrere Tisch mitten im Restaurant aneinander. Vertrieben damit sogar ein verschrecktes Pärchen von ihrem Sitzplatz.
Innerhalb weniger Minuten war aus dem ruhigen und beschaulichen Diner ein lauter und ungemütlicher Ort geworden.
Doch Valerie musste dort ausharren, ob es ihr gefiel oder nicht.

Hoffentlich taucht Sam bald hier auf!, dachte sie und seufzte.

Auch die letzten aus der Gruppe waren nun im Diner und übertönten die gute alte Jukebox mit ihrem Gegröle und dem Gekicher ihrer Begleiterinnen.

Valerie versuchte sich so unauffällig wie möglich zu verhalten, denn sie hatte nicht vor unnötig Aufmerksamkeit auf sich lenken.
So gab sie vor sich voll und ganz auf ihren Kaffee zu konzentrieren.
Eine Taktik, die auch Dank des von ihr gewählten Sitzplatzes, aufging.
Die „Gang", wie sie die Biker für sich nannte, richtete dafür ihre Aufmerksamkeit auf das junge Paar, das sie von ihrem Platz vertrieben hatten und die es sich mit ihren Getränken gerade am Tresen gemütlich einrichtete.
Sie machten sich über das Auto des jungen Mannes lustig.
Einen schon leicht in die Jahre gekommenen, braun gestreiften, Dodge Ram Van aus den 80er Jahren, der direkt vor dem Eingang stand.
Einer der Biker hatte offensichtlich den Anhänger am Zündschlüssel - der Trottel hatte ihn offen auf dem Tisch liegen lassen - richtig gedeutet und ihn so zur Zielscheibe für die ganze „Gang" gemacht.

Wahrlich keine Schönheit, aber das?
Ist nicht meine Sache!
Ich hab mit denen nichts auszufechten.
Noch nicht!


Sie wollte noch einen Schluck Kaffee nehmen, bemerkte aber, als sie den Becher an die Lippen setzte, dass er leer war.
Kurz überlegte sie, ob sie etwas anderes ordern sollte, entschied sich letztendlich aber dagegen.
Sie winkte der Bedienung.
Der junge Mann hatte gerade die umfangreiche Bestellung der Biker aufgenommen und hinter dem Tresen abgegeben. Dort fühlte er sich sicher genug seinen Blick im Raum umher schweifen zu lassen.
Mehr um sich zu vergewissern, ob die andeern Gäste noch an ihren Tischen saßen oder schon das Weite gesucht hatten, als wirklich eine Bestellung aufzunehmen.

Doch ihre eindeutigen Zeichen konnte er nicht ignorieren.
Johnny, der Boss, hätte ihm etwas anderes erzählt!
Biker Gang hin oder her.
Also musste er wohl oder übel zu ihr hinüber gehen.
Durch das gesamte Restaurant und ausgerechnet am Tisch der Biker vorbei.
Er versuchte sich so unscheinbar wie möglich hinter dem Tresen hervor zu bewegen.
Langsam, fast Zentimeter für Zentimeter, arbeitete er sich an besagtem Tisch vorbei.

Er erreichte, ohne die Aufmerksamkeit der Gang auf sich gezogen zu haben den spärlich beleuchteten Tisch auf der Empore.
Erleichtert atmete er auf, als er neben die dunkel gekleidete Frau trat.
„Lassen sie mich raten: noch einen Kaffee?", fragte er mit einem leicht ironischen Unterton.

Sie wollte gerade zu einer bösen Antwort ansetzten, als sie erneut ein Geräusch von draußen ablenkte.
Doch dieses mal war es ein wohl bekanntes Geräusch.
Eins, auf das sie schon lange gewartet hatte.
Das Motorengeräusch eines 67er Chevrolet Impala Sport Sedan.
Ein kurzer Blick aus dem Fenster bestätigte ihre Vermutung.
Es war wirklich Dean's schwarzer Imapala.
Der Wagen rollte langsam an den parkenden Motorrädern vorbei, zu einem noch freien Platz im hinteren Teil des Geländes und hielt dort an.
Sehen konnte sie von ihrem Platz nicht wer ausstieg, aber es konnte nur Sam sein, der den Wagen gefahren hatte.
Dean hätte eine andere Fahrweise an den Tag – oder besser die Nacht – gelegt.
Nein, es musste Sam sein.

Mit einem Räuspern brachte sich der Junge, der immer noch neben ihr stand und ihrem Blick nach draußen gefolgt war, wieder in Erinnerung.
„Also, was jetzt?"

„Kaffee!", war ihre knappe Antwort.

Der Junge Mann nickte und machte sich etwas beleidigt auf den gefährlichen Weg zurück zum Tresen.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und Valerie sah einen groß gewachsenen Mann mit langen braunen Haaren, brauner Jacke und Jeans das Diner betreten.
Hinter ihm schwang die Tür wieder zu und gewährte keiner weiteren Person Zutritt.

Er ist wirklich allein!

Für einen Moment verstummte der Lärm der „Gang" etwas – sie hatten ihre Getränke bekommen – und die Doobie Brothers ließen „Black Water" erschallen. 

SeelenQual - Dark Heroes Rising || Supernatural FanFiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt