Selat - Nachträgliche Nivellierung

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Erstaunt lief der Junge auf die hübsche Frau zu und wischte sich mit dem Ärmel die eigenen Tränen vom Gesicht.

»Loreley, warum weinst du?«, erkundigte Selat sich vorsichtig.

Die sich kämmende Schönheit blickte traurig auf und antwortete: »Ermaley... Es tut mir leid, dass meine Schwester dir Böses angetan hat.«

Langsam lief der Kinsorneuling auf sie zu, bis er sich schließlich neben sie setzte. Vorsichtig legte er eine Hand auf ihre Schulter und versprach ihr leise: »Ich werde sie finden. Und wenn dies passiert, wird sie für ihre Taten geradestehen müssen.«

Loreley blickte zögernd auf Selats Hand und schien sich über seinen Mut zu wundern. Plötzlich beugte sie sich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

»Danke!«, sagte sie. »Du sollst Glück für dein Unternehmen finden.«

Dann streckte sie ihren Körper und sprang mit einem unmenschlich weiten Sprung vom Berg, in die Tiefen des Flusses. Selat stand nun alleine auf dem Felsen, schaute sich um und flog zu Batsheva zurück.

»Du hast gerade den Segen einer Nixe bekommen...«, bemerkte sie ungläubig. »Das wird dir helfen Ermaley zu finden. Aber pass' auf, dass du ja nichts Übereiltes machst... Sie ist ein sehr gefährliches Wesen. Seit langem kann sie nicht mehr als einfache Nixe bezeichnet werden.«

Genau und ich bin angeblich Valdin Inbologir. Also kann man mich nicht als einfachen Kinsor bezeichnen, wenn das stimmt.

Batsheva meinte, dass sie lieber zurück nach Alda Idrion gehen sollten und schien mit der ganzen Situation stark besorgt zu sein.

*

Die nächsten Tage vergingen sehr schnell. Selat ging jeden Tag in den Wald und trainierte seine Luft- und Wassermagie sowie die Translokationstechnik, die ihn sein Meister gelehrt hatte.

Zuhause verbrachte Selat all seine Zeit mit Ykia und er rief seinen Bruder auch ab und zu auf eine Runde laufen im Freien. Die Eltern der beiden waren beinahe nie zuhause. Da sie Firmenleiter waren, hatten sie keine wirklichen Ferien und waren ständig unterwegs auf Events und Treffen.

Selat besuchte auch Kinnay mehrmals in seinen Ferien und er wollte eigentlich vielleicht mal bei Madoc vorbeischauen, aber er hatte keine Möglichkeit, den Jungen vorher zu fragen.

An Silvester gaben Herr und Frau Giarb bedauernd preis, dass sie auf einer internationalen Neujahrskonferenz eingeladen waren und baten Selat darum, auf Ykia aufzupassen. Selat war von der erneuten Abwesenheit der Eltern genervt und zuckte einfach mit den Achseln.

Dann feiere ich halt mit Ykia hier. Ist auch cooler so.

Und so verbrachten die beiden Brüder gemeinsam den Übergang auf das neue Jahr, mit vielen Geschichten, Spielen und Süßigkeiten aus der magischen Stadt.

*

»Was? Ihr feiert später?«, fragte Selat verblüfft.

Kinnay nickte, während er sich ein metallisch klickendes Silberhuhn unter die Lupe nahm.

»Unser Zykloswechsel ist in der Nacht vom 5. Zum 6. Januar.«, sprach der Junge konzentriert. »12 Tage nach dem Menshheitsfest. Ist so ne magische Zahl... Ich glaube, wir hatten sogar früher mal einen passenden Kalender dazu.«

»Und wie läuft das ab?«, erkundigte Selat sich neugierig.

»Komm doch einfach her. Dann siehst du es selbst.«, sagte der Schmiedelehrling immer noch konzentriert.

»Auf jeden Fall!«

*

Selat hatte den Rest der Woche sein übliches Trainingsprogramm durchgeführt und er fühlte, wie er nun schon geschmeidiger in seinen Bewegungen wurde. Er konnte schon mühelos durch dünne Wände translokieren, für längere Wege traute er sich jedoch noch nicht, da er Angst hatte, mitten im Objekt wieder fest zu werden.

Kinsormagie: Der Wandel zur KlarheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt