35 - Eliahs Rudel

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Nervös knettete ich meine Finger, während ich im Flur auf Eliah wartete, der gerade noch einen Pullover für mich holte, weil er der Meinung war, dass ich zu wenig an hatte.
Dafür das es mittlerweile wirklich Herbst geworden war, schien die Sonne heute besonders kräftig und selbst der nervige Wind der letzten Tage hatte sich gelegt, weshalb ich nicht dachte, dass es allzu kalt draußen sein würde. Da ich es jedoch süß fand wie Eliah sich um mich sorgte, meckerte ich nicht, sondern ließ ihn einfach machen.

»Hier.« Mit einem sanften Lächeln reichte er mir einen weinroten Fleecepullover, der mir mit Sicherheit Meilen weit zu groß sein würde. »Danke. Ich ziehe ihn an, wenn mir kalt wird, ok?« Ich wollte nicht aussehen wie ein Clown, wenn ich die Mitglieder seines Rudels kennenlernte und mit einem Pullover, der so groß war, dass er mir beinahe bis zu den Knien ging, würde ich genau so aussehen.
Eliah nickte nur und schenkte mir dann eines seiner atemberaubenden Eliah Lächeln. »Bereit?«
»Bereit, wenn du es bist.«, antwortete ich gespielt gelassen, obwohl ich innerlich vor Nervosität zitterte. Nur mit viel Willenskraft konnte ich verhindern, dass meine Hände ebenso zitterten.

Als wir zur Haustür hinaustraten bestätigte sich mein Verdacht. Es war angenehm warm für Oktober.
Genüsslich streckte ich mein Gesicht der Sonne zu und genoss wie die Sonnenstrahlen meine Haut kitzelten. Ich konnte den Sommer kaum mehr erwarten und der Gedanke, dass gerade einmal Herbst war, stimmte mich etwas traurig.
Erst als Eliah sanft an meiner Hand zog, löste ich mich von der Sonne und folgte ihm zu Fuß in eine Richtung in der man schon vereinzelte Häuser stehen sehen konnte.
Überrascht stellte ich fest, dass Eliahs Haus seltsam weit weg von den Häusern seiner Rudelmitglieder stand und noch dazu völlig schutzlos direkt am Waldrand.

Lukas war der Mittelpunkt unseres Rudeln und genauso war sein Haus der Mittelpunkt unserer Häuser. Jedes Rudelmitglied hatte sein Haus beinahe kreisförmig um das Alphahaus erbaut um erstens dem Alpha nah sein zu können und zweitens im Fall der Fälle diesen beschützen zu können. Der Alpha war das Wichtigste in einem Rudel und jeder war darum bemüht, dass dem Alpha nichts geschah. Auch, wenn der Alpha der stärkste Wolf im Rudel war und dementsprechend gut auf sich allein aufpassen konnte, so würde jedes Rudelmitglied ungefragt sein Leben für ihn geben.
Doch anscheinend lief das in Eliahs Rudel anders. Zumindest was die Häuser betraf.

Den ganzen Weg über und auch als wir die ersten Häuser passierten, begegneten uns keine Rudelmitglieder. Besser gesagt es begegnete uns keine einzige Seele.
Es war niemand zu sehen. Niemand zu hören. Würden die Häuser nicht alle so gepflegt aussehen, könnte man beinahe meinen niemand würde hier weit und breit wohnen.

Erst als wir durch einen kleinen Torbogen auf eine Art Platz traten entdeckte ich vereinzelte Personen.

Sie sahen nicht auf als wir den aus Kopfsteinpflaster bestehenden Platz betraten. Alle hielten in ihrer Bewegung inne, hörten auf ihre Tätigkeit weiter zu führen. Ein älterer Herr goß gerade eine Topflanze, doch durch seine plötzliche Bewegungslosigkeit lief der Blumentopf langsam vor Wasser über, welches leise plätschernd auf dem Boden aufkam. Aufgrund seines Alters und dem offensichtlichen Gewicht der vollen Gießkanne zitterte sein Arm unter der Belastung, doch er setzte nicht ab, sondern ertränkte die Pflanze.

Ich ließ meinen Blick über die Leute schweifen. Alle hielten ihre Köpfe gesenkt und würdigten uns keines Blickes, während sie ihre Tätigkeiten gestoppt hatten als wären sie urplötzlich zu Stein geworden.
Selbst ein kleines Mädchen, das am Rand des Platzes mit einem Ball spielte, hatte einfach in ihrer Bewegung inne gehalten und neigte ihren Kopf so weit zu Boden, dass ihre blonden Zöpfe im Dreck baumelten.
Irritiert und mit einem beklemmenden Gefühl sah ich zu Eliah hinauf, der jedoch seinen Blick stur geradeaus gerichtet hatte und die umstehenden Personen gar nicht zu beachten schien.

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