5 - Frostbeule

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Mittlerweile waren fast zwei Wochen vergangen.

Leider hatte sich in dieser Zeit nichts verbessert. Nein. Alles hatte sich verschlechtert.
Mittlerweile hatte ich gar keinen Appetit mehr. Ich aß am Tag eine kleine Speise. Meist Haferbrei mit Obst oder ähnlichem, was meine Mutter mir wortwörtlich in den Mund stopft.
Mittlerweile ging ich nicht mal mehr zu den Trainings, da ich so leicht zu verwunden war, dass ich selbst von einer herabfallenden Feder einen blauen Fleck bekam.
Sowieso mal ganz davon abgesehen, dass ich es kaum noch mit jemandem aus unseren Rudel aufnehmen konnte.
Relativ zeitnah nach Floyds Handabdruck auf meiner Schulter hatte ich mich vom Training zurückgezogen, damit nicht jeder gleich mitbekam, wie ich von Tag zu Tag immer mehr ein jämmerlicher Schwächling wurde.

Außerdem hatte ich eh kaum Zeit, da ich einerseits viel mit Lukas Alpha Arbeit zu tun hatte und andererseits sehr viel schlief. Sehr sehr viel.
Aber immerhin hatte das lästige Nasenbluten aufgehört.

Was jedoch auf meiner negativen Sammlung von saublöden Neuerungen meines Körpers dazugekommen war, war das mir immer und andauernd kalt war.
Momentan saß ich in einem dicken Pullover, einer Jogginghose, Kuschelsocken und einer Decke auf dem Sofa. Ich durchforstete einen Stapel Dokument für Lukas, damit er es nicht tun musste. Auf dem Wohnzimmertisch stand eine Karaffe mit heißem Tee. Mum und Melinda kümmerten sich liebevoll um mich. Dad wusste nicht so ganz mit der Situation umzugehen. Mir ging es damit nicht anders.

Seit unserem Gespräch mit Lukas und seinem Vater hatte ich den ehemaligen Alpha nicht mehr gesehen. Lukas meinte nur, dass er viel zu tun hatte. Ich hoffte sehr, dass er damit zu tun hatte herauszufinden was mit mir geschieht. Und vor allem wie man es aufhalten konnte.

»Hey Finn.« Eren betrat das Wohnzimmer und ließ sich neben mich auf die Couch fallen. In der Hand hatte er eine Packung Pralinen, die er neben meinen Tee auf den Tisch legte. »Ein bisschen Nervennahrung.«, lachte er nur und rutschte tiefer in die Polster.
»Wie geht es dir?«
»Ganz gut. Außer das mir wie immer unglaublich kalt ist.«, lachte ich und legte meine eiskalten Finger aufs Erens freien Unterarm. Er trug nur ein T-Shirt.
»Igitt.«, zischte er und drückte meine Hand weg.
Er griff zum Wohnzimmertisch und nahm die Fernbedienung an sich sowie meine Teetasse. »Hier trink mal. Dann werden vielleicht deine Finger zumindest mal wärmer.«
Er schaltete den Fernseher ein und zappte durch die Kanäle.

Eren hat sich in der letzten Zeit wiedermal als mein bester Freund bewiesen. Er war immer bei mir, solang es ihm zwischen seinen eigenen Verpflichtungen passte.
Ich nahm einige Schlücke von meinem Tee. Die wohlige Wärme tat gut, verblasste jedoch nach einigen Augenblicken wieder. Ich stellte die Tasse zurück auf den Tisch und zog die Decke höher.
Eren, der mittlerweile etwas gefunden hatte, was er sehen wollte, rutschte etwas näher zu mir und legte seinen Arm hinter mir auf die Rückenlehne der Couch. Es war eine Einladung, dass ich, sobald es mir wirklich zu kalt wurde, mich an ihn kuscheln durfte. In den letzten Tagen hatten wir das öfter gemacht. Und seine Körperwärme half tatsächlich.
Ein großer Vorteil von Werwölfen war nämlich ihre hohe Körpertemperatur. Die ich eigentlich auch habe bzw. hatte. Früher habe ich auch nie gefroren.
Ich zögerte nicht lange und nahm seine Einladung an. Anfangs war es echt richtig komisch in den Armen meines besten Freundes zu liegen und mich von ihm wärmen zu lassen. Und ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich am Anfang sehr unwohl gefühlte habe. Ich bin ein Mann und normalerweise lege ich die Arme um ein Mädchen um es zu wärmen. Und nicht ein Mann der in den Armgenommen werden muss als wäre ich ein Mädchen.
Erens gleichmäßiger Herzschlag und seine Wärme beruhigten mich ungemein und in kürzester Zeit war ich wieder eingeschlafen.

Als ich wieder wach wurde, war Eren nicht mehr neben mir. Der Fernseher war noch an und auf dem Tisch lag die Pralinenschachtel, die Eren mir mitgebracht hatte. Jedoch war sie schon zu Hälfte geleert.
Ich schälte mich aus der Decke und ging in die Küche. Dort waren Mum, Eren und Melinda die sich unterhielten.

»Hey Finn. Stell dich mal neben Eren. Ich will was testen.«, sagte Melinda und rückte uns Rücken an Rücken. »Was hab ich dir gesagt Mama, Finn ist kleiner geworden.«

»Bin ich nicht.«, knurrte ich sofort und tat einen Schritt von Eren weg.
Ich hatte zwar einiges an Muskelmasse abgebaut und sah dementsprechend schmächtig aus, aber an meine Körpergröße würde sich nichts ändern. Das würde mir gerade noch fehlen. »Ich bin nicht kleiner geworden.«, fügte ich noch hinzu und schlang meine Arme um meinen Körper. Warum war es so kalt in unserem Haus?!
»Ich mache dir gleich wieder einen Tee.«, sagte Mama sofort und griff schon nach dem Wasserkocher.
Eren neben mir ergriff die Initiative und zog mich in seine Arme. Er drückte mich fest gegen seinen Körper und ich freute mich über die wohltuende Wärme, die er ausstrahlte. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und schlang meine Arme ebenfalls um seinen Körper.
Freudig rieb ich meine Wange an seiner Schulter. »So schön warm.«, säuselte ich und drückte meine Nase in sein T-Shirt.
Eren verkrampfte sich etwas unter meiner Geste.
»Ok chill. Das war schwul.«, sagte er dann und löste die Umarmung.
Ich wollte meine Wärmequelle nicht verlieren und presste mich protestieren fester gegen seinen Körper. Eren hielt kurz in seiner Bewegung inne, ehe er seine Arme wieder um mich legte. »Wehe, du machst noch einmal so was schwules, dann kannst du vergessen, dass ich nochmal hier herkomme.«, drohte er. Ich sagte nichts dazu, sondern genoss nur die Wärme.

»Was ist denn hier los?« Emil und John betraten lachend unsere Küche. Hinter ihnen erschienen noch mein Dad und Lukas. Als hätte Eren und ich uns an einander verbrannt, ließen wir uns sofort los und rutschten ein gutes Stück auseinander.
»Na, habt ihr uns etwas zu beichten.« John zwinkerte uns frech zu. Eren schnaubte nur verächtlich und ging an unseren Neuankömmlingen vorbei ins Wohnzimmer.
Heute war wieder ein Fußballspiel.

»Friert du immer noch so?«, fragte Lukas, während wir auch ins Wohnzimmer gingen. Ich nickte nur. »Wenn es so weiter geht bekomme ich noch Frostbeulen.«, murmelte ich woraufhin Lukas und Emil zu lachen begannen.
Wir schmissen uns alle auf die Couch und ich zog wieder die Decke über meinen Körper. Eren saß mit großem Abstand zu mir auf einem der Sessel hier im Wohnzimmer. Unser Alpha saß direkt neben mir, was mir eine willkommene Hilfe war. Er strahle so viel mehr Wärme aus als Eren, was wahrscheinlich daran lag, dass er der Alpha war. Trotz den Zentimetern, die uns trennten und durch die Decke konnte ich seine Wärme spüren.

Warum bin ich nur so verfroren geworden?

Das Spiel war kurz vor der Halbzeit da kam meine Mum und brachte mir eine Wärmflasche, die ich dankend annahm.

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