86 - Entschuldigung

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Mir stockte der Atem und auch Eliah neben mir spannte sich sichtbar an.

»Ich habe dich sogar gefragt, ob es sein kann und trotzdem hast du nein gesagt. Das sieht nicht aus, als wärst du gerade eben erst schwanger geworden.«, schlussfolgerte Lukas und setzte sich etwas weiter auf.

»Weil ich dato noch nicht wusste, dass ich schwanger bin, Lukas.«, antwortete ich genervt, weil er davon ausging, dass ich ihn angelogen hatte.
Daraufhin verstummte der Alpha und zog seine Lippen zu einer geraden Linie.

»Du hast es durch Ilka erfahren, stimmts? Deswegen habt ihr Ilka dann auch zu euch geholt. Damit sie dich durch deine Schwangerschaft begleiten kann.« Die Neutralität in seiner Stimme war befremdlich und ließ mich unwohl fühlen. Lukas war nie ein neutraler Mensch. Er zeigte eigentlich immer irgendwelche Gefühle. »Wieso hast du nichts gesagt, Eliah? Ich hätte sie nicht zurückgehalten, wenn ich das gewusst hätte.«

Ein verachtendes Schnauben kam von meinem Gefährten, der daraufhin nur den Kopf schüttelte. Eliah konnte seine Frage nicht beantworten, weil das vor seinem Erinnerungsverlust lag, aber anhand der Stimmung wusste Eliah offenbar, dass das eine Fangfrage sein musste. Ich war mir ziemlich sicher, dass Lukas ihn überhaupt nicht ausreden hatte lassen. Selbst wenn Eliah es ihm sagen hätte wollen, dann hätte Lukas ihm keine Möglichkeit gelassen.
Da ich wusste, wie sehr Lukas Eliah verabscheute, war ich mir dem ziemlich sicher.

»Es hätte nichts geändert, Lukas.«

»Natürlich hätte es das!«, brüllte der Alpha aufgebracht und sprang auf die Beine. Seine Augen leuchteten in unnatürlichem Rot und ein kurzes Knurren kam aus seiner Kehle. Eliah positionierte sich sofort vor mir, schirmte mich damit vor Lukas Blicken ab und auch Eren begab sich in Kampfhaltung.

Lukas, der sich schnell wieder unter Kontrolle hatte, setzte sich nach einer kurzen Verschnaufpause wieder auf das Sofa. »Nachdem du eine Schwangerschaft ausgeschlossen hast, dachte ich, dass du vielleicht eine Magen-Darm-Krankheit hast, die auch ohne Ilkas Hilfe und stattdessen mit jedem anderen Arzt behandelbar gewesen wäre. Ich wusste doch nicht, dass du schwanger bist und sie der einzige Arzt, der sich mit so etwas auskennt.«, murmelte Lukas betrübt und wand den Blick von mir ab.

»Finn, es tut mir leid. Mir tut alles so leid. Ich hätte dich nicht aus dem Rudel werfen dürfen. Ich hätte dich als Individuum sehen müssen, anstatt von dir direkt auf Eliah zu schließen. Ich hätte Melinda nicht auch rauswerfen dürfen, nur weil sie ihren Gefährten in Eliahs Rudel gefunden hat. Ich habe Fehler gemacht, die unverzeihbar sind. Die keine Güte oder gar Vergebung verdienen. Ich bitte dich dennoch, Finn, meine Entschuldigung anzunehmen. Du warst der beste Beta, den ich mir hätte wünschen können. Das Rudel hat zu dir aufgesehen, selbst nach deiner Degradierung noch. Und genau das hat mir Angst gemacht. Du und Eliah, ihr zwei zusammen seid faktisch unschlagbar und spätestens, wenn das Rudel begriffen hätte, dass ich rein gar nichts gegen euch ausrichten kann, wären sie zu dir gekommen, weil sie dir vertrauen, Finn. Das zu wissen, hat mir so Angst eingejagt, dass das der einzige Ausweg für mich war... Ich weiß, dass es falsch war und ich das nicht hätte tun dürfen, aber jetzt ist es passiert und ich würde es rückgängig machen, wenn ich könnte. Bitte, Finn, bitte verzeih mir.«

Bettelte Lukas gerade wirklich um meine Vergebung?
Mein Kopf drehte auf Hochtouren und meine Gedankengänge waren zu verzwickt als dass ich sie selber verstehen konnte. Wollte ich Lukas verzeihen? Konnte ich das überhaupt? Könnte ich über den Schmerz, den er mir zugefügt hat, hinwegsehen? War eine Freundschaft wieder möglich?
Könnte ich darüber hinwegsehen, dass er meine minderjährige Schwester aus seinem Rudel verbannt hat? Dass er Eren gezeichnet und rausgeschmissen hatte?

Nein.

»Es freut mich, dass du dich entschuldigt hast, aber ich kann dir das nicht verzeihen, Lukas. Du hast nicht nur bei mir Fehler gemacht. Du hast Melinda mit nur sechzehn Jahren von ihren Eltern getrennt und sie aus dem Rudel geworfen, in dem sie aufgewachsen ist. Und Eren? Ja, er hat sich gegen den Alpha aufgelehnt, aber auch nur, weil du von Vornherein einen Fehler gemacht hast indem du mich einfach voreilig rausgeschmissen hast. Das rechtfertigt nicht, dass du ihn gezeichnet hast. Er hatte Glück, dass Eliah ihn in sein Rudel aufgenommen und einfach darüber hinweggesehen hat. Du wunderst dich, warum ich dir nicht gesagt habe, dass ich schwanger bin? Wie hättest du reagiert, Lukas? Was hättest du gemacht? Ich sag es dir. Du hättest sofort eine Gefahr gesehen. Du hättest sofort wieder auf Eliah geschlossen und einem ungeborenen Leben gar nicht erst eine Chance gegeben. Du hättest es wieder damit begründet, dass du dein Rudel beschützen musst. Ich hätte es dir nicht sagen können, Lukas. Selbst, wenn ich gewollt hätte.« Ich schüttelte den Kopf, griff nach Eliahs Arm und zog mich daran in die Höhe.

Degradierung - vom Beta zum Omega ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt