95 - Angst

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»Eliah?«, rief ich zum zweiten Mal durch das Haus und auch diesmal bekam ich keine Antwort.
Irritiert machte ich mich weiter auf die Suche nach meinem Gefährten nur um ihn wenige Minuten später mit Rolf und Herb lachend im Garten anzutreffen.

»Eliah, ich habe dich gerufen.«, kam es verwirrt wegen seiner fehlenden Reaktion über meine Lippen als ich schwerfällig die drei Stufen der Veranda hinunter trat und über die Wiese zu den drei Männern ging, die zu meiner Überraschung... Stöckchen für Eren schmissen.

Mein bester Freund saß mit wedelndem Schwanz einige Meter weg von uns, die Zunge hechelnd heraushängend und mit einem glücklichen Ausdruck. Seine Ohren zuckten aufgeregt und er wirkte wirklich als hätte er Spaß.

»Oh, ich habe dich nicht gehört.«, antwortete Eliah wegen Eren lachend und zog mich in seine Arme. Als ein aufforderndes Bellen von Eren ertönte, schmiss Herb den Stock, den er in den Händen hielt, in den weitläufigen, von einer hohen Hecke eingefassten Garten und mein bester Freund raste ihm gleich wedelnd hinterher. »Ist alles in Ordnung?«, fragte Eliah gleich besorgt und küsste meine Stirn. Ich nickte.

»Du hast mich nicht gehört?«, fragte ich dann überrascht nach und verloren gleich wieder die Interesse an Eren und sah stattdessen zu Eliah auf, der Eren weiterhin beobachtete.
Wie konnte er mich nicht hören? Eliah hatte ein super gutes Wolfsgehör. Er hätte mich bereits beim ersten Mal und schon von weitem hören müssen. Selbst wenn er abgelenkt war, hätte er es hören müssen.

Eliah sah nun ebenfalls mit einem fragenden Gesichtsausdruck zu mir hinunter. Seine eisblauen Augen schimmerten merkwürdig und von einem unguten Gefühl erfasst, klammerte ich mich an ihn.

»Wollen wir uns ins Bett kuscheln?«, fragte ich leise, sodass die anderen nichts mitbekamen und lehnte mich weiter gegen Eliah. »Ich bin erschöpft.«, hing ich noch an, ehe Eliah nickte und seinen Arm stützend um mich legte und ohne einem Wort zu den anderen ins Haus führte.

Der Ultraschall mit Herb gestern war überraschend positiv. Was vor allem daran lag, dass seine ruhige Art mir viel mehr zusagte als Ilkas aufgedrehte. Außerdem hatte er ein breitgefächertes Fachwissen und konnte Eliah und mir anhand dem Ultraschall viel mehr und viel detailliertere Informationen geben als Ilka, weshalb ich mich innerhalb kürzester Zeit wirklich sehr gut aufgehoben fühlte. Er erklärte gleich genaueres zum Ablauf des Kaiserschnittes und zeigte mir auch an, wo er diesen machen würde.

Was Eliah und mich jedoch etwas verängstigt hat, waren seine Bedenken bezüglich des kleinsten Kindes. Er, übrigens der, der direkt unterhalb meiner Lunge lag, und damit derjenige, der mir immer gnadenlos in die Rippen trat, war im Gegensatz zu seinen Geschwistern wirklich klein und Herb hatte vorsichtig die Vorahnung in den Raum geworfen, dass er bei der Geburt vielleicht Probleme haben könnte, da seine Geschwister wahrscheinlich schon weiter entwickelt waren. Das waren jedoch nur Spekulationen und schlussendlich konnte man erst bei der Geburt genaueres sagen. Herb machte dennoch gleich den Brustkasten bereit, damit im Ernstfall alles weitestgehend vorbereitet war.
Er hatte uns trotzdem deutlich gemacht, dass alles in Ordnung war und wir uns davon nicht aus der Ruhe bringen lassen sollten.

Leichter gesagt, als getan, aber Eliah lenkte mich stark davon ab.
Zumindest, dann wenn ich ihn finden konnte.

An der Treppe angekommen hob Eliah mich jedoch nicht wie gewohnt hoch und trug mich sondern, bestritt jede Stufe einzeln mit mir, während er mich stützend hielt.
»Wieso trägst du mich nicht?«, murrte ich außer Atem und lehnte mich für eine kleine Verschnaufpause gegen ihn. Getragen zu werden würde vor allem meinen schmerzenden Füßen sehr zusagen.

Eliah blieb einige Augenblicke ruhig, ehe er leise seufzte. »Ich habe Angst, dass ich dich fallen lasse.«, antwortete er ehrlich und setzte sich vorsichtig wieder in Bewegung. Ich fragte nicht weiter nach bis wir oben in seinem Zimmer angekommen waren. Erst da formulierte ich mein über die Tage hinweg immer schlechter gewordenes Gefühl in Worte.

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