7 - Informationen

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Lange standen wir noch in Lukas Büro. Ich konnte die Tränen nicht stoppen. Ungehalten rannten sie über mein Gesicht und durchnässten Lukas Oberteil. Keiner sagte etwas. Lukas und sein Vater warteten bis ich mich beruhig hatte und bereit war selber etwas zu sagen.

Als ich mich endlich dazu durchringen konnte mich von Lukas zu lösen, reichte mir sein Vater sofort ein Taschentuch. Ich wischte mir die übrigen Tränen weg und setzte mich wieder auf den Stuhl. Die Wärmflasche, die noch immer auf dem Boden lag, hob ich hoch und drückte sie an meinen Körper. Fest schlang ich meine Arme darum.

»Wie wird es weiter gehen?«, fragte ich leise, die Situation nicht verstehend. Meine Stimme war nur ein Hauch, aber meine Gegenüber verstanden mich trotzdem.

»Ganz genau können wir das auch nicht vorhersagen. Dazu gibt es leider zu wenig Aufzeichnungen. Dein Körper wird aber weiterhin abbauen und dein Appetit wird weitestgehend nicht mehr zurückkommen. Omega sind dafür bekannt nur wenig zu essen. Das Gute ist, dass das Nasenbluten jetzt wo es aufgehört hat auch nicht mehr wieder kommen wird.« Immerhin. »Neben deiner körperlichen Veränderung wirst du auch charakterliche Veränderungen durchleben. Wie zum Beispiel die Unterwürfigkeit, die wir schon erlebt haben. Oder die Angst, die du letztens verspürt hast. Du wirst auch noch bei weitem sensibler werden. Das sind Charakteristika von Omegas. Weitere die wahrscheinlich dazu kommen werden, sind das Verlangen nach Schutz, also einem Beschützer, und körperlicher Nähe.« Das mit der körperlichen Nähe hatte ich tatsächlich auch schon bemerkt. Ich fühlte mich viel wohler, wenn jemand nah neben mir saß oder jemand mich im Arm hielt. Das fühlte sich sehr gut an und ich fühlte mich geborgen. Jetzt weiß ich auch warum.

»Außerdem–« Er stockte. Sein Blick löste sich von mir und er sah zu seinem Sohn. Was würde jetzt noch kommen?

»Außerdem wirst du einen männlichen Gefährten haben.« Nach diesem Satz setzte mein Gehirn komplett aus. »Alle männlichen Omegas haben einen männlichen Gefährten.«, fügte Lukas Vater noch hinzu. Fassungslos sah ich ihn an. Das ist ja noch unmöglicher als ein Rangabstieg zum Omega. Das ist mehr als unmöglich.

Ich schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein. Ich stehe nicht auf Männer.« »Spätestens, wenn du deinen Gefährten findest, wirst du es.«, stellte Lukas klar und ich sah ihm an, dass er sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Fand er das etwa lustig? Meine scheiß Situation war nicht zum Lachen. Ich schnaubte verächtlich.

»Noch irgendwas das ich wissen sollte?«, fragte ich verärgert. Ich fühlte mich gerade echt von der ganzen Welt verarscht.

Lukas Vater schluckte merklich und fing an etwas herumzudrucksen. Man merkte ihm an, dass es ihm sehr unangenehm war mir das alles zu sagen. »Also, die Aufgabe von Omegas ist das Kinder kriegen.«, fing er langsam an und als er zu seinem nächsten Satz ansetzten wollte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

»Ich soll Kinder kriegen können?!«, platzte es aus mir heraus. Ungläubig sah ich den ehemaligen Alpha an. Ich spürte schon die ersten Tränen wieder aufkeimen. Diese Situation eben überfordert mich mehr als alles was ich die letzten Wochen erlebt hatte.

»Ja. Du wirst einmal im Monat in eine sogenannte Hitze kommen in der du fruchtbar bist.«, er schluckte erneut. »Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit bei Omegas mehrere Kinder auf einmal zu bekommen viel höher.«

Entgeistert sah ich ihn an und schüttelte nur wieder den Kopf. »Ich bin hier doch bei der versteckten Kamera. Das kann alles gar nicht wahr sein. Das habt ihr doch bei den Haaren herbeigezogen.«, murmelte ich aufgebracht und lehnte mich auf dem Stuhl zurück. Die Tränen rannten mir noch immer über die Wangen. Und tief in mir wusste ich, dass sie die Wahrheit sprachen und mit allem recht hatten, aber ich konnte und wollte es nicht wahrhaben. Das ist alles so verrückt. Allein, dass ich hier saß und schon wieder weinte, war so absurd. Ich hatte in der letzten Zeit so viel geweint wie noch nie.

»Das sind alle Informationen die wir finden konnten. Hier. Lese dir alles in Ruhe durch.« Er reichte mir den Stapel Blätter, den er schon die ganze Zeit in den Händen gehalten hatte.
Die Seiten waren gebunden und auf dem Cover stand handschriftlich in einer schönen geschwungen Schrift "Degradierung - vom Beta zum Omega". Fest umklammerte ich das Geheft.

»Ich werde jetzt gehen.«, sagte ich, wischte mir die Tränen mit meinem Ärmel weg und ging Richtung Zimmertür.

»Finn« Lukas große Hand legte sich auf meine Schulter und drückte sanft. »Ich weiß, dass ich gerade sehr viel für dich. Und auch für mich. Dad hat mich vorher nicht darüber in Kenntnis gesetzt. Aber ich möchte, dass du weißt, dass wir dich alle unterstützen werden. Du bist nicht allein. Das ändern nichts daran wer du bist oder warum wir dich mögen. Hast du das verstanden?« Seine Stimme klang ruhig. Das aus dem Mund meines Alpha zu hören, machte mir glücklich. Es half mir tatsächlich etwas mich nicht so alleine zu fühlen. Ich zwang mir ein leichtes Lächeln auf, sah ihn an und nickte. »Danke.« Auch er lächelte zurück und in seinen Augen konnte ich sehen, dass er die Wahrheit gesagt hatte.

Ohne einem weiteren Wort verließ ich das Büro. Schnell ging ich durch das Wohnzimmer und verließ das Haus noch ehe jemand der Anwesenden mich ansprechen konnte. Zum Glück waren sie alle in der Küche. Ich konnte Eren noch nach mir rufen hören, doch da war ich schon zur Tür draußen.
Es war sehr kühl draußen und schon beinahe dunkel. Schnellen Schrittes lief ich nach Hause. Ich wollte unbedingt mehr wissen um wenigstens ein bisschen auf das vorbereitet zu sein, was jetzt noch alles kommen würde. Zuhause angekommen ging ich durch den Hintereingang ins Haus, damit ich sicher sein konnte niemanden über den Weg zu laufen. Ich bin noch nicht bereit dazu jemanden darüber in Kenntnis zu setzen. Leise schlich ich durch die dunklen Räume und kam ungesehen in meinem Zimmer an. Sofort sperrte ich die Tür hinter mir ab.

Ich saß lange auf meiner Couch und sah die gebundenen Blätter an. Ich konnte mich noch nicht dazu durchringen es zu öffnen. Ich starrte nur das Deckblatt an und las immer und immer wieder das Wort "Degradierung". Ich seufzte. Finn reiß dich zusammen.

Zitternd öffnete ich die erste Seite. Es war eine kurze Inhaltszusammenfassung und ich konnte die Schrift eindeutig Lukas Mutter zu ordnen. Grob blätterte ich die Seiten durch. Das Geheft bestand aus verschiedenen handschriftlichen Notizen. Einige waren in der schönen Handschrift von Lukas Mutter, andere konnte ich der krakelige Handschrift seines Vaters zu ordnen, die genauso aussah wie die von Lukas selbst. Wieder andere konnte ich niemanden zuordnen.
Beim durchblättern stach mir die Überschrift "Hitze" entgegen. Sofort schlug ich die Seite auf. Das war das was ich mir am wenigsten vorstellen konnte. Wobei. Ehrlich gesagt, kann ich mir nichts davon vorstellen und alles kommt mir nur vor wie ein sehr schlechter Albtraum.

Hitze:
Häufigkeit: einmal im Monat, also zwölf Mal im Jahr
Dauer: 3-7 Tage
Grund: fruchtbare Phase in der der Omega trächtig werden kann
Wissenswertes in dieser Zeit:
- Aussendung von Pheromonen an mögliche Sexualpartner, die diese als sehr verlockend aufnehmen
- nach Verbindung mit Gefährten, Pheromone nur noch für diesen verlockend
Verlauf:
- übermäßiges Verlangen nach Geschlechtsverkehr/ Befriedigung
- Verstärkter Appetit
- extrem anhänglich möglichen Sexualpartnern gegenüber (sofern noch keine Verbindung mit Gefährten -> Suche nach stärksten Wolf, da Versuch stärkst mögliche Junge zu zeugen)
- nach Verbindung mit Gefährten extrem anhänglich gegenüber diesem

Viele Informationen waren es nicht. Seufzend blätterte ich weiter durch die Seiten.

Körperliche Veränderungen:
- Abnehmen von Muskelmasse -> Kraft sinkt
- Ausdauer sinkt
- Reflexe v. a. im Kampf vermindern sich
- Knochenstruktur verändert sich -> eventueller Schwund der Körpergröße
Folgen:
- schlechtere Kondition
- kaum Verteidigungsmöglichkeiten aufgrund verminderter Kraft
Positiv:
- Sinne verschärfen sich aufgrund der körperlichen Benachteiligung

Dafür, dass sich ungefähr alles an mir ins negative verändert ist dieser eine positive Punkt auch keine Aufmunterung mehr. Ich habe bereits schon jetzt sehr gute Sinne. So wie eben jeder Wolf... wie viel besser können die noch werden.

Charakterliche Züge von Omegas:
- sensibel
- einfühlsam, dadurch Vertrauensperson vieler
- ängstlich
- Stimmungsschwankungen

Super, ich und Vertrauensperson vieler. Das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Schwer seufzte ich.

Ich konnte mir nichts davon vorstellen.

Degradierung - vom Beta zum Omega ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt