Eine Entscheidung des Schicksals

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Jisungs Pov:

Kurz nachdem Minho wieder an meiner Seite aufgetaucht war, hatten wir wirklich sämtliche Glückwünsche über uns ergehen lassen. So viele Leute waren zu uns gekommen, hatten sich gefreut und uns beglückwünscht.

Ich tat nichts anderes, als nicken, lächeln und mich bedanken und wiederholte dies gefühlt tausend Mal. Je öfter ich die nett gemeinten Worte hörte, desto weniger konnte ich sie ertragen. Immer wieder musste ich schlucken und wollte einfach nur noch fliehen. Nur die stetige Präsenz des Prinzen und seine höflichen Worte zu unseren Gratulanten gaben mir ein wenig Sicherheit. Nachdem wir es endlich hinter uns gebracht hatten, verschwand der Dunkelhaarige sofort wieder und ließ mich allein mit meinen vielen widersprüchlichen Gefühlen.

Tief durchatmend entschloss ich mich, Felix zu suchen und fand ihn nach kurzer Suche mit Changbin an der Bar.

„Los komm her." Changbin zog mich näher und reichte mir ein Glas. Dankbar kippte ich den eiskalten Inhalt hinab und wartete auf das wärmende Gefühl.

„Also das kam tatsächlich ein bisschen unerwartet." Der Schwarzhaarige sah mich prüfend an und legte kurz den Kopf schief. „Willst du darüber reden?"

„Ich weiß nicht einmal, was ich selbst dazu sagen soll." Frustriert strich ich mir durchs Haar, versuchte dabei meine eigenen Empfindungen zu ergründen.

Mochte ich Minho? Konnte die Ehe mit ihm funktionieren? Was dachte er über die Heiratspläne unserer Väter? Es waren einfach zu viele Fragen, die ich nicht klar und deutlich beantworten konnte.

Felix tauchte neben mir auf und umarmte mich. Sein Kopf legte sich auf meiner Schulter ab und er sprach mit leiser und beruhigender Stimme auf mich ein.

„Sungie, ich weiß, dass das alles für dich nicht einfach ist." Seine Umarmung wurde fester und seltsamerweise fühlte ich mich geborgen und entspannte mich etwas. „Ich werde mit Minho sprechen. Hab bitte keine Angst davor, ihn zu heiraten. Mein Bruder ist ein guter Mensch, er wird dir ein guter Ehemann sein." Die tiefe Stimme und die beruhigenden Worte des jüngeren Prinzen gaben mir Zuversicht. Sanft nickte ich und strich kurz über seinen Arm.

„Danke Felix."

„So und jetzt lasst uns etwas trinken und das Beste aus diesem Abend machen. Schließlich ist das hier ein Ball und keine Trauerfeier." Changbin lächelte uns an und reichte uns jeweils ein Glas.

Je später es wurde, desto ausgelassener wurde der Ball. Überall um mich herum amüsierten sich die Gäste, tranken, lachten, tanzten und waren in bester Stimmung.

Nur ich begann mit zunehmendem Alkoholpegel meine ganze Situation zu hinterfragen.

Stumm wanderte mein Blick über das Meer aus edlen Kleidern und Anzügen, über die vielen glücklichen Gesichter und ich fragte mich, was jetzt weiter geschehen würde. Schon bald würde ich den Prinzen heiraten und mit ihm zusammenleben. Würden wir unsere Differenzen überwinden können?

Immer stärker hatte ich den Drang nach Ruhe und Einsamkeit. Also wollte ich mich abwenden und von hier verschwinden.

„Wo willst du hin Jisung?" Felix hatte eine Hand um meinen Unterarm gelegt und hielt mich zurück, musterte mich und blickte ein wenig besorgt. Sanft strich ich über seine Hand und löste sie von meinem Arm.

„Alles in Ordnung Felix. Ich brauche nur ein bisschen frische Luft und Ruhe." Dann drehte ich mich um und schlängelte mich an den vielen Menschen vorbei. Zog ruckartig die Tür zum Westflügel auf und lief mit schnellen Schritten den Gang entlang. Ohne nachzudenken, flüchtete ich an den Ort, der mir als Erstes in den Sinn kam. Die Bibliothek. Ich lief die langen Regale entlang und strich über die Bücher. Endlich blieb ich vor der großen Fensterfront stehen und blickte auf den kleinen See vor dem Fenster. Alles um mich herum war leise und friedlich.

„Wie kann das Leben nur so einen komischen Sinn für Humor haben?", murmelte ich.

„Einfach, weil das Schicksal drüber entscheidet." Die raue Stimme ließ mich herumfahren.

Da stand er. Mein Verlobter. Nur wenige Schritte hinter mir und sah ebenfalls hinaus aufs Wasser. Er schien so ruhig und friedlich, dass ich mich erneut fragte, ob es wirklich derselbe kalte und ignorante Minho war, der mir vor ein paar Tagen einen Korb gegeben hatte. Schon wieder wusste ich nicht, was ich tun sollte. Der Alkohol war immer noch viel zu stark und ich konnte seine Worte nicht mal mehr durchdenken. Also sah ich ihn einfach weiter an.

„Wusstest du es?"

„Seit gestern."

Also war auch er nicht viel besser dran als ich.

Ohne zu überlegen, überbrückte ich die kurze Distanz und stellte mich direkt vor ihn. Ich suchte seinen Blick und war überrascht, ihn augenblicklich zu finden. Diesmal erblickte ich keine Kälte oder Ablehnung, sondern etwas, das nach Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung aussah.

War er verzweifelt, weil er mich heiraten sollte? Wie konnte ich ihm nur zeigen, dass ich nicht so schrecklich war, wie er glaubte? Was konnte ich tun, um uns die Situation einfacher zu machen?

In meinem benebelten Zustand traf ich eine schnelle Entscheidung.

Ich beugte mich nach vorn, streckte mich etwas und drückte meine Lippen gegen seine. Ohne zu überlegen, schlag ich meine Arme um seinen Hals und zog ihn zu mir. Seine Lippen waren weich und sanft und dann erwiderten sie meinen Druck. Ungestüm bewegten sie sich auf meinen, ließen mich vergessen Luft zu holen und pressten sich fester an mich.

Dann legte er seine Hände auf meine Brust und stieß mich mit aller Kraft zurück. Schon wieder prallte ich hart gegen eines der Bücherregale und winselte vor Schmerz.

„Tu das nie wieder. Wenn du leben willst, dann tust du das nie wieder." Seine Stimme war heiser und rau. Ich hörte ihn flach atmen und glaubte pure Verzweiflung zu hören.

Es tat so weh, nicht mein Kopf oder mein Rücken, sondern mein Herz. Es fühlte sich an, als würde eine kalte Hand danach greifen und es so lange zusammendrücken, bis es zersprang. Meine Beine zitterten und kraftlos sank ich auf den Boden, schluchzte auf und krümmte mich zu einer kleinen Kugel zusammen. Dann hörte ich nur noch Schritte, die sich so schnell von mir entfernten, dass ich vermutete, dass er rannte.

Nicht länger fähig mich zurückzuhalten schluchzte ich noch lauter auf und schlug meine Faust auf den Boden.

Ich war ein Narr. Ein Narr, der sich in den Mann verliebt hatte, den er heiraten würde. Nur, dass dieser Mann seine Gefühle nicht nur nicht erwiderte, nein, er trat sie mit Füßen. Lee Minho war der Teufel höchstpersönlich. 

The Earl and the Prince | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt