2. Special: Hyung

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Ein dreiviertel Jahr später:

„Und jetzt nochmal. Du musst deinen Fuß weiter nach außen stellen und ein wenig schräg, so hast du einen sicheren Stand und kannst mehr Kraft in deinen nächsten Schlag legen", erklärte ich gerade einem meiner jüngeren Schüler. Der Junge mit den dunkelbraunen Haaren, der mit seinem gezückten Schwert vor mir stand, nickte eifrig und korrigierte augenblicklich die von mir bemängelte Haltung. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht und ich musste zugeben, dass er sich als äußerst gelehriger und dynamischer Kämpfer herausgestellt hatte.

„Alles klar Hyung." Mit einem hochkonzentrierten Gesicht hob er sein Schwert wieder und sah mich fragend an, als ich nicht sofort reagierte, sondern ihn für einen Moment ein wenig verunsichert anstarrte.

„Was ist los?", wollte er wissen und senkte die Waffe wieder.

„Ähm... nichts, alles gut. Ich war nur ein wenig verwirrt, weil du mich Hyung genannt hast." Ich strich mir leicht verlegen durch das dunkle Haar und sah kurz zu Felix hinüber, der gerade mit Yoon-woo trainierte und sich alle Mühe gab, dessen präzisen Schlägen auszuweichen.

„Oh, tut mir leid. Ich wollte dir nicht zu nahe treten Minho." Der Jüngere vor mir senkte nun ebenfalls beschämt den Kopf und schnell setzte ich zu einer Erklärung an.

„Nein, nein, ich bin es nur nicht gewohnt. Selbst Felix sagst selten Hyung zu mir. Vielleicht hört es sich deshalb so fremd an." Dann dachte ich kurz nach und lächelte. „Aber du darfst mich gern weiter so nennen. Es klingt irgendwie schön, wenn du es so sagst."

Ein erleichtertes und etwas stolzes Lächeln breitete sich auf Sunoos Zügen aus und er nickt enthusiastisch. „Dann ist ja gut." Er hob seine Waffe erneut an und nahm diesmal gleich die richtige Kampfhaltung an. „Also sollen wir jetzt weiter trainieren Hyung?"

Energisch nickte ich und hob ebenfalls mein Schwert. „Und los."

Seit wir in Frankreich waren, hatte sich der Freundeskreis von meinen Geschwistern und mir erheblich vergrößert. Wir hatten nicht nur Namjoon hier wieder getroffen, der bereits einen Monat vor uns nach Frankreich gereist war, nein wir hatten auch einen weiteren seiner Freunde kennengelernt.

Kim Seokjin war einer der wenigen jungen Männer, die zwar nicht viel vom Kämpfen hielten, aber äußerst geschickt im Umgang mit Worten war. Er konnte eine Diskussion in nur wenigen Sätzen gewinnen, da seine Argumente immer so pointiert und akkurat waren, dass einem nur nach Sekunden der Kopf schwirrte. Er hatte sich sogleich mit Soomi angefreundet und gab ihr seit Neuestem auch noch Nachhilfe in Französisch.

Das machte meine Schwester gleich noch ein bisschen nerviger, da sie die Worte des Älteren förmlich aufzusaugen schien und sie dann gezielt in Konflikten verwendete. Dennoch musste ich zugeben, dass es mir immer noch riesige Freude bereitete, mich mit ihr verbal zu duellieren. Meistens endeten unsere Zweikämpfe in lautem Gelächter.

Auch Yoon-woo, der in den letzte Monaten wirklich ein guter Freund geworden war, kam mit uns nach Frankreich. Unsere vielen Gespräche und die zahlreichen Schwertkampfstunden hatten ein enges Band zwischen uns geknüpft und ich konnte nur immer wieder staunen, wie viele Gemeinsamkeiten wir doch teilten. Neben dem Reiten und dem Schwertkampf waren wir beide begeisterte Schachspieler und schienen auch die gleichen Schriftsteller zu mögen. Ich genoss die Zeit mit ihm, denn er gab mir das Gefühl, dass ich nicht allein war, dass er mich verstand und mich in meinem Handeln unterstützte. Er war stets an meiner Seite und lernte so auch schnell meine Geschwister kennen.

Und dann war da noch der Junge, der gerade sein Schwert mit einer gekonnten Bewegung in meine Richtung stieß. Aus dem Reflex heraus drehte ich mich nach links und parierte den Hieb. Ich war beeindruckt, welche Kraft hinter dem Schlag steckte und konterte deshalb nicht sofort. Ich ließ den Jüngeren mehrmals angreifen und wehrte seine Attacken lediglich ab. Stolz stellte ich fest, dass er nun mit mehr Sicherheit und Mut zuschlug. Er schonte sich nicht und zeigte mir, dass er wirklich gewinnen wollte.

The Earl and the Prince | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt