Die Kerzen tauchten die langen Gänge zum Tanzsaal in eine angenehm warmes Licht. Es waren so viele, dass sie jeden Winkel zu erhellen schienen. Sie verliehen dem Gebäude und den vielen Menschen, die sich durch die Gänge drängten eine erhabene Schönheit. Zwar war ich Prunk und verschwenderischen Reichtum von zuhause bereits gewöhnt, dennoch übertraf die königliche Residenz meine Vorstellungen um Längen. Die feinen Marmorböden, die glänzten, als hätte man sie stundenlang poliert. Die vielen verschlungenen Deckenleuchter mit noch mehr Kerzen, die Gemälde mit den vergangenen Generationen der Herrscherlinie. Alles hier erweckte den Eindruck, man selbst sei nur der kleine unbedeutende Widerschein einer Kerze, zwar glänzend und hell, doch von allem um sich herum erdrückt und überschattet.
Mein Blick glitt über die bereits versammelte Menge an Menschen. Ich erblickte einen meiner wenigen Freunde. Der hochgewachsene Junge überragte die meisten Menschen hier um einen Kopf, sein blondes fast schulterlanges Haar war an der Seite zu mehreren kleinen Zöpfen geflochten und dann in einen Pferdeschanz hochgebunden. Viele der umstehenden Mädchen warfen ihm schöne Blicke zu und tuschelten aufgeregt, wenn er auch nur in ihre Richtung sah. Ich musste wider meiner Situation lächeln und betrachtete meinen Freund einige Sekunden. Man musste zugeben, dass er umwerfend aussah, Eleganz und Anmut schienen ihm aus allen Poren zu strömen und das wusste er. Zeitweise konnte dieser adlige Spross ein wirklich dramatischer und aufreißerischer Tunichtgut sein. Im Grunde bedauerte ich die Person, die dieses Jahr mit ihm verheiratet werden würde. Ohne Zweifel würde Hwang Hyunjin es schaffen, sie nach nur wenigen Monaten in den Wahnsinn zu treiben. Ob nun durch Zorn oder aus Hingabe würde abzuwarten bleiben.
Mit einem Lächeln drückte ich mich durch die Menge und tippte dem Älteren sanft auf die Schulter. Augenblicklich wandte er sich zu mir um und schenkte mir sein Zahnpastalächeln.
„Jisung, du bist ja auch schon hier. Die Aussicht ist doch großartig oder? Das ist das Paradies. So viele hübsche Mädchen, aber auch der ein oder andere Junge sieht verdammt gut aus."
Er lächelte breit und deutete auf einen etwas Älteren, der lässig neben einem Tailänder an der Wand lehnte. Seine Gesichtszüge waren eher teilnahmslos, aber plötzlich beugte sich sein rothaariger Freund zu ihm und flüsterte ihm etwas zu. Daraufhin hob er einen Mundwinkel und lächelte wirklich niedlich. „Der sieht echt gut aus. Ich glaube das ist Jinyoung."
Dann hörte man plötzlich einen leisen Schrei und ein Mädchen nur wenige Meter neben uns kippte theatralisch nach hinten. Zum Glück stand ein Junge nicht weit von ihr entfernt, in einer eleganten Bewegung sprang er nach vorn und fing das Mädchen auf, bevor es auf dem Boden aufschlagen konnte.
Solche überaus spannungsgeladenen Momente erwarteten mich also auf einem Ball. Das kann ja noch lustig werden.
„Komm wir sollten jetzt unsere Eltern wiederfinden, schließlich werden die Familien einzeln vorgestellt, solang sie Rang und Namen haben und wir haben den nun mal." Mit langen Schritten zog mich Hyunjin hinter sich her. Unsere Familien standen nahe beisammen und unterhielten sich offenbar gerade. Ich erblickte ein weiteres mir bekanntes Gesicht. Meine einzige Freundin, wenn man sie so bezeichnen konnte. Irene gehörte fast schon zur Familie, sie war eine entfernte Verwandte und war deshalb häufig bei uns zu Besuch. Sie war eine der wenigen Menschen, die sofort wussten, wenn es mir schlecht ging. Sie schien einen sechsten Sinn für das Geschehen um sich herum zu haben. Ich begrüßte sie mit einem ehrlichen Lächeln.
„Hallo Irene, du bist ja auch schon da." Die dunkelhaarige Schönheit musterte mich eingehend und zog mich in eine kurze Umarmung. „Natürlich bin ich schon da, ich muss dich doch unterstützen."
Ich schnaubte unwillig, war insgeheim allerdings sehr froh, dass sie sich um mich sorgte. Auch, wenn ich es nicht zugeben würde, hatte ich noch immer ein flaues Gefühl im Magen. „Danke", murmelte ich und senkte meinen Blick auf den Boden.
„Jisung! Jetzt komm her. Wir dürfen gleich vor den König treten." Mein Vater hatte sich zu mir gewandt und bedachte mich mit einem strengen Blick. Schnell winkte ich Hyunjin und Irene zum Abschied und lief zu meinen Eltern. Ich stellte mich gemeinsam mit meinem Bruder hinter meine Eltern und wartete geduldig darauf, dass sich die riesigen Flügeltüren erneut öffnen würden, um uns eintreten zu lassen.
Alles in mir schrie nach Flucht. Einfach umdrehen und gehen! Diese Worte waren so einfach zu denken, doch ich schaffte es einfach nicht, meine Füße davon zu überzeugen. Vermutlich lag es daran, dass sich mein Kopf dagegen sträubte, so etwas Dummes und Unüberlegtes in die Tat umzusetzen. Damit gefährdete ich ja nicht nur meinen Ruf, sondern auch den Ruf meiner Familie. Würde ich nun weglaufen und mich vor meiner Pflicht drücken, dann würden auch meine Geschwister leiden. Im schlimmsten Falle, würden sie nie einen Partner wählen können und ich hätte ihnen alle Hoffnung auf Glück und Zuneigung von vorn herein verwehrt. Das durfte nicht geschehen!
Die riesigen Türen schwangen nach innen und die Diener links und rechts verneigten sich vor uns, als wir durch den hohen Torbogen schritten. Der Zeremonienmeister sprach mit feierlicher Stimme. „Lord und Lady Han mit ihren beiden Söhnen Jisung und Jeongin." Schnell richtete ich den Blick vor mich, doch durch den Rücken meines Vaters konnte ich so gut wie nicht erkennen. Ich erhaschte einen Blick auf ein bisschen roten Stoff und etwas, das aussah wie in Thron. Warum interessierte mich das eigentlich? Starr richtete ich meinen Blick geradeaus.
Zu beiden Seiten standen die bereits begrüßten Gäste. Noch waren es nicht besonders viele, doch man konnte leises Flüstern hören. Einige unterhielten sich über Belanglosigkeiten, andere wiederum schienen unser Auftreten zu bewerten. Ich hörte einige gemurmelte Kommentare.
„Wow, die beiden Jungen sehen wirklich gut aus." „Ja sie sehen so edel aus, wie die Prinzen und haben auch einen stolzen Gang." „Ich würde gerne mit dem Braunhaarigen tanzen."
Ich bemühte mich, das Gehörte auszublenden.
Natürlich war ich froh, dass ich offenbar zu den beliebteren Auserwählten gehörte, dennoch würde mir dies auch einige Probleme bereiten. Wenn diese ganzen Mädchen und vielleicht sogar ein paar Jungen heute mit mir tanzen wollten oder sich auch nur mit mir unterhielten, dann wüsste ich nicht, was ich machen sollte. Wie sollte ich jemanden in dieser Menge finden, der mir gefiel und nicht nur hinter meinem Titel und meinem Geld her war? Zwar hoffte ich, mit meiner guten Menschenkenntnis einigermaßen rational entscheiden zu können, doch was, wenn ich mir unsicher war? Verdammt Jisung! Reiß dich zusammen. Du bist nicht verpflichtet, dir am ersten Abend sofort jemanden auszusuchen. Ich sollte mir so viel Zeit lassen, wie irgend möglich. Aber das wäre auch wiederum nicht von Nutzen, denn dann wären vielleicht alle guten Partien schon in festen Händen.
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The Earl and the Prince | Minsung
Fiksi PenggemarWelcher Mensch kann schon von sich selbst behaupten, frei zu sein? Ich war es ganz sicher nicht. Problematisch war nur, dass ich nicht einmal wusste, wie ich meine Pflichten erfüllen sollte. Die Worte, die mir im Zusammenhang mit meinen Pflichten st...