Der Morgen danach

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Ich wachte mit schrecklichen Kopfschmerzen auf. Also schloss ich die Augen einfach wieder und versuchte, mich zu entspannen. Einige Zeit lag ich still da und sah auf den Stoff des Baldachins.

Als ich irgendwann meinen ersten Aufstehversuch unternahm, sank ist mit einem kleinen, gequälten Aufschrei zurück ins Bett. Das war also einer der Nachteile, der großen Lust. Schmerz.

Ich biss die Zähne zusammen und unternahm einen zweiten Versuch. Diesmal kam ich schwankend zum Stehen und stützte mich am Bettpfosten ab. Mühsam wankte ich ins angrenzende Bad und wusch mir grob die Spuren meiner Liebesnacht ab.

Gern hätte ich mir einfach meine Schwäche eingestanden und wäre zurück ins Bett gekrochen, doch ich konnte mich ja schlecht den ganzen Tag nicht blicken lassen.

Mit vorsichtigen Schritten schaffte ich es schließlich zum Speisesaal, setzte mich irgendwo mittig an die lange Tafel und ließ mir von einem Diener etwas zu Essen bringen. Ich kaute auf dem Croissant herum und musste mehrmals schlucken, um es überhaupt hinunterzubringen. Nachdem ich zumindest dieses gegessen hatte, beschloss ich, mir in der Bibliothek ein neues Buch zu holen und mich für den Rest des Tages im Bett zu verkriechen.

Wenige Minuten später betrat ich die große Halle, die mit so vielen Büchern vollgestopft war, dass ich wohl mein ganzes Leben brauchen würde, um diese zu lesen. Der Duft von Pergament und Holz stieg mir in die Nase und fast schon zärtlich strich ich über einen alten, schweren Atlas, der so groß war, dass er nur knapp auf dem Regal Platz fand.

Nach einer Viertelstunde hatte ich mir mehrere Romane ausgesucht und legte sie jetzt auf einem der kleinen Tische ab.

Wahrscheinlich würde ich doch eher in der Bibliothek bleiben. Hier würde mich vermutlich niemand stören.

Doch auch beim Lesen fand ich heute keine Ruhe. Sobald ich auch nur eine Zeile begonnen hatte, schossen mir Bilder von der letzten Nacht durch den Kopf.

Ich sah Minho nackt vor mir stehen. Seine Augen, die vor Lust funkelten. Ich glaubte, sein tiefes Stöhnen zu hören und seine Hände auf meiner Haut zu spüren.

Aber dann waren da wieder die Panik und die Verwirrung. Die Worte, die keinen Sinn ergaben und die Einsamkeit, als er ging.

Frustriert schloss ich die Augen und schüttelte den Kopf.

Hatte er gestern nur seine Pflicht erfüllen wollen? Wieso hatte es sich dann so richtig angefühlt?

Alles war so berauschend gewesen. Nie hatte ich mir träumen lassen, dass sich etwas so gut anfühlen konnte. Es war, als hätte ich meiner Liebe auf einer vollkommen neuen Ebene Ausdruck verleihen können. Das Gefühl, ihm zu gehören und nur für ihn so zu empfinden, war eindeutig magisch. Eigentlich war ich mir recht sicher, dass es ihm genauso gefallen hatte wie mir. Denn warum hätte er mich sonst einfach geküsst? Alles, was er getan hatte, war angenehm gewesen und er war am Anfang vorsichtig. Hatte genau darauf geachtet, mir nicht wehzutun. Alles war perfekt.

Warum war er dann auf einmal so panisch? Beinahe dachte ich, er würde anfangen zu weinen aber warum?

Egal wie viel Zeit verstrich, ich fand keine Antwort. Für keine dieser Fragen, fand ich eine plausible Erklärung und das verwirrte mich nur zusätzlich.

An diesem Abend, ging ich zurück zu unserem Zimmer, ohne Minho am Tag auch nur einmal gesehen zu haben. Auch in seinem Zimmer war er nicht und er kam auch nicht zurück, bis ich einschlief.

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In den nächsten beiden Tagen passierte rein gar nichts. Ich hatte meinen Prinzen nicht einmal gesehen. Dementsprechend elend und traurig fühlte ich mich. Noch immer wusste ich nicht, was genau der Grund für seinen überstürzten Abgang war.

The Earl and the Prince | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt