Tanz der Gefühle

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Die nächsten Stunden zogen an mir vorüber, wie in einem Traum. Die zahlreichen Jubelrufe der Menschen, die vielen Gratulationen, die glücklichen Gesichter und die Geschenke. Als wäre nicht davon wirklich für mich bestimmt. Aber ich saß nun einmal hier. Ich saß neben meinem Mann im prächtigen Thronsaal des Schlosses. Lächelte als würde ich es nicht anders kennen, sprach mit den Menschen und dankte jedem gefühlt hundert Mal.

Es fehlte wirklich an nichts. Alles glänzte und wirkte so edel, dass ich mich nur umso stärker fehl am Platz fühlte. Mein Blick schweifte über unsere Gäste, alle unterhielten sich, lachten und wirkten entspannt.

Dann wurde auch schon das Abendessen serviert. Alles sah köstlich aus, doch ich wusste nicht, wie ich irgendwas davon herunterwürgen sollte. Appetitlos stocherte ich in einem Stück Fleisch herum, dass ich fein säuberlich kleingeschnitten hatte. Lieber griff ich nach meinem Glas und trank noch einen Schluck Wein.

„Du solltest etwas essen, sonst wird dir schlecht und du verträgst den Alkohol nicht." Ich blickte nicht einmal auf, als mein Ehemann diese Worte nahe neben meinem Ohr aussprach. Dennoch spießte ich folgsam ein kleines Stück Fleisch auf und kaute darauf herum, bis ich es schluckte. Dies wiederholte ich, bis mein Teller leer war und ich trotzdem das Gefühl hatte, mich gleich übergeben zu müssen.

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Nach dem Essen hatten sich die Menschen wieder in der festlich geschmückten Halle verteilt und sich in kleinen Grüppchen in muntere Gespräche vertieft. Die Musik begann zu spielen und der Zeremonienmeister verbeugte sich tief vor uns.

„Prinzen! Es ist nun Zeit für den Eröffnungstanz." Dann trat er zur Seite.

Alle Blicke richteten sich nun auf uns. Erneut schlug mein Herz schneller und ich dachte an unsere erste Begegnung, an unseren ersten Tanz und mir wurde wärmer. Minho hatte sich einen Meter neben mir mit seinem Vater unterhalten und war nun zu mir getreten, streckte seine Hand aus und sah mich auffordernd an.

Heute hatte ich ihn schon so häufig berührt, dass ich ohne zu zögern nach der weichen Hand griff und ihm mit schnellen Schritten auf die Tanzfläche folgte.

Wir positionierten uns, ich legte meine Hand auf seine Schulter, die andere verschränkte ich mit seiner. Seine zweite Hand hatte sich bereits federleicht um meine Taille geschlungen. Diesmal konnte ich seinen Schritten sofort folgen. Schließlich wusste ich jetzt, dass er führen würde. Wie von selbst fanden wir unseren Rhythmus und schwebten über die Tanzfläche. Ich traute mich nicht, ihm in die Augen zu sehen, also starrte ich auf seine Brust und konzentrierte mich voll und ganz auf die Bewegungen. Es fühlte sich fast schon vertraut an.

Das erste Stück war zu Ende, doch Minho hielt mich weiterhin fest und drehte mich dann passend zur neu einsetzenden Musik. Dieses Stück war beschwingter und es folgten mehrere Drehungen, die mich immer wieder in seinen Armen enden ließen. Auch andere Paare gesellten sich zu uns und ich entspannte mich ein wenig. Dann lagen seine Hände an meiner Taille und hoben mich an. Kurz abgelenkt blickte ich in sein Gesicht. Seine Augen betrachteten mich. Sobald wir uns ansahen, verhakten sich unsere Blicke. Schon wieder fiel ich, nur diesmal war da kein Boden, denn seine Augen waren so tief und schienen mir so viel sagen zu wollen. Doch die Flut an Emotionen, die mich erreichte verwirrten mich diesmal vollkommen. Behutsam stellte er mich wieder auf den Boden und blickte mich weiterhin an. Erst als eine weitere Drehung folgte, war unser Moment der Vertrautheit aufgehoben.

Seltsamerweise tanzten wir eine ganze Weile. Ohne Unterbrechung, ohne dass es unangenehm war. Zunehmend konnte ich mich entspannen und genoss es, wie Minho sich mit mir bewegte und mich festhielt.

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„Wir sollten das glückliche Paar nun langsam ins Bett geleiten."

Der König hob sein Glas und hielt es uns entgegen. Ich erzitterte aber schaffte es dennoch, mein Glas zu heben und den Toast zu erwidern.

Gerade war ich außerordentlich froh, im 18. Jahrhundert zu leben. Einige Jahrhunderte zuvor, hätte man uns mit großem Gefolge bis ins Schlafzimmer begleitet und dort zugesehen, wie die Ehe vollzogen wird. Gott sei Dank, war dies heute nicht mehr üblich. Zwar musste man sich noch immer solche Sprüche anhören, doch diese waren viel erträglicher, als die neugierigen Blicke währenddessen.

Auch einige andere Anwesende stimmten ein und ich sah ein wenig verzweifelt in die Gesichter meiner Gäste. War es wirklich schon so weit? Irgendwie machte ich mir Sorgen. Was würde Minho tun, wenn wir alleine waren? Kam den niemand zu meiner Rettung?

Felix hatte sein Gesicht zu einer grimmigen Miene verzogen und schien seinen Bruder mit der bloßen Kraft seines Geistes erdolchen zu wollen. Seine sonst so strahlenden braunen Augen hatten sich verdunkelt und wirkten eher gefährlich.

„Na dann, werden wir wenigstens zwei Personen auswählen, die euch zumindest noch das Geleit geben. Jeongin. Felix. Na los. Sorgt dafür, dass die beiden auch dort ankommen, wo sie ungestört sind." Der König lächelte ein wenig anzüglich, stieß dann mit meinem Vater an und trank.

Die Angesprochenen erhoben sich. Jeongin tapste niedlich auf mich zu und griff nach meinem Arm, um sich einzuhaken. Dankbar lehnte ich mich ein wenig gegen ihn und verließ gemeinsam mit ihm den Saal und somit auch die restliche Hochzeitsgesellschaft.

Felix war ein wenig schneller gewesen. Er hatte seinen Bruder am Handgelenk gegriffen und hinter sich hergezogen. Wir folgten ihnen in einigem Abstand. Trotzdem vernahm ich Felix Stimme, die auf Minho einredete.

„Sag es ihm! Er hat ein Recht darauf! Du kannst nicht länger schweigen." Felix Worte klangen flehend aber ebenso wütend. Ich blickte auf und betrachtete die Szene vor mir. Minho lief einfach schweigend weiter.

Da sein älterer Bruder offensichtlich nicht die gewünschte Reaktion zeigte, krallte Felix seine Hände in dessen Hemd und zog ihn zu sich. Jetzt war seine Stimme tief und fordernd.

„Hör auf, so ein Feigling zu sein! Sag es ihm!

The Earl and the Prince | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt